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Empfehlungen des UNO-Antifolterausschusses an die Schweiz

18.05.2010

Erwartungsgemäss hat der UNO-Ausschuss gegen Folter die Schweiz wegen unverhältnismässiger Gewaltanwendung bei Zwangsausschaffungen, Überbelegung der Gefängnisse sowie exzessiver Polizeigewalt, insbesondere gegen ausländische Personen und Asylsuchende afrikanischer Herkunft kritisiert. Der Ausschuss sieht ausserdem das Prinzip des Non-Refoulement durch den mangelnden Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheide (erschwerter Zugang zum Recht auf Beschwerde durch fehlende aufschiebende Wirkung des Entscheides, zu kurze Beschwerdefristen etc.) aber auch durch die drohende Ausschaffungsinitiative als gefährdet an. Er fordert sodann im Strafgesetzbuch eine Bestimmung, welche Folter gemäss der Definition der Antifolterkonvention verbietet, klarere Bestimmungen gegen Gewalt gegen Frauen, ein Verbot der Körperstrafe (auch) für Kinder und eine Verstärkung der Massnahmen gegen Menschenhandel, insbesondere Handel von Frauen und Mädchen. Schliesslich fordert er den Bund auf, sich um das Schicksal und das Wohl unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender und Migranten/-innen zu kümmern. Die NGO zeigten sich zufrieden mit den Empfehlungen.

Die Schweiz vor dem Ausschuss gegen Folter

Der UNO-Ausschuss gegen Folter setzte sich in seiner 44. Sitzung mit der Situation in der Schweiz auseinander und prüfte den sechsten Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Konvention. Die Haftbedingungen in Schweizer Gefängnissen, die Anwendung von Gewalt durch die Polizei bei Zwangsausschaffungen und der Umgang der Behörden mit dem Non-Refoulement-Gebot, der Schutz von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt oder von Menschenhändlern wurden sowie das Verschwinden minderjähriger Asylsuchender - dies sind nur einige der Themen, für welche sich die UNO-Experten für Folter bei der Befragung der Schweizer Delegation am 30. April und 3. Mai 2010 in Genf interessierten. Die Experten/innen der UNO haben viele Kritikpunkte aufgenommen, welche unter anderem von Humanrigths.ch, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, HEKS, Augenauf und dem schweizerische Friedensrat in ihrem sogenannten «Schattenbericht» aufgegriffen wurden. Für die UNO-Expert/-innen stand sodann die fehlende Umsetzung des Folterverbots im schweizerischen Strafrecht im Vordergrund. Von grosser Bedeutung war zudem die Anregung der UNO-Experten/-innen, im Schweizer Strafrecht die Definition von Folter aus der UNO-Konvention zu übernehmen.

Definition von Folter im Strafgesetzbuch übernehmen

Weil die Schweiz auf ein Verbot der Folter und auf eine Definition in der eigenen Gesetzgebung verzichte, würden Fälle von Folter und Misshandlungen häufig unter weniger bedeutenden Strafbestimmungen untersucht und verfolgt, sagte Abdoulaye Gaye, Berichterstatter über die Schweiz beim UNO-Antifolterausschuss. Daraus resultierten dann weniger harte Strafen für die Täter. Im Falle von Gewalt durch Polizeikräfte oder Gefängnisaufsehern sind erfolgreiche Anklagen in der Schweiz in der Tat äusserst selten und wenn sie einmal erfolgreich sind, ist die Strafe oft unverhältnismässig mild. Humanrights.ch/MERS befürwortet deshalb eine klarere Definition des Folterverbots im Strafgesetzbuch und sieht in der Anregung des UNO-Experten einen wichtigen Hinweis für die Verbesserung der Gesetzgebung im Sinne eines stärkeren Schutzes der Menschenrechte von Personen, welche sich in Gewahrsam der Behörden befinden.

Arbeit der NGOs

Die Schweizer Menschenrechtsorganisationen hatten während der Befragung der Schweiz Gelegenheit, ihre Position bei den UNO-Experten/-innen einzubringen. Ein Vertreter, respektive eine Vertreterin der Flüchtlingshilfe und von Amnesty International stellten dem UNO-Ausschuss den Inhalt des Schattenberichts während rund zwanzig Minuten vor. Ihren Fokus legten sie dabei auf folgende kritische Punkte: keine unabhängige Beobachtung während Zwangsausschaffungen, Haftbedingungen und das Verschwinden von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, fehlende Übersetzung und Information bei Inhaftierung von Asylsuchenden aufgrund ausländerrechtlicher Bestimmungen, fehlender Rechtsschutz im Asylverfahren, Problematik der Nothilfe für abgewiesene Asylsuchende, Verwendung von Elektroschockwaffen durch Gefängnisaufseher sowie die Folgen einer allfälligen Annahme der Ausschaffungsinitiative durch das Volk.

Die aktuelle Session des UNO-Antifolterausschuss dauerte vom 26. April bis am 14. Mai 2010. Ausser der Schweiz standen Österreich, Frankreich, Liechtenstein, Kamerun, Syrien, Jordanien und Yemen auf der Agenda.

Dokumentation

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