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Überbelegte Gefängnisse in der Schweiz

30.08.2006

Das Genfer Gefängnis Champ-Dollon ist landesweit bekannt als das Gefängnis, das am überfülltesten ist. Rund 500 Gefangene sind dort interniert, obwohl die Einrichtung für lediglich 270 Plätze erbaut wurde. Diese Zustände sind nicht neu, Champ-Dollon ist bereits seit acht Jahren überbelegt. Dennoch hat die Genfer Regierung lange nicht reagiert. Erst als im Frühling 2006 die Insassen mehrmals protestierten und die Medien landesweit darüber berichteten, sind die Verantwortlichen aufgeschreckt.

Die Konsequenzen der Überbelegung 

Konkret bedeutet die Überbelegung von Champ-Dollon für die Insassen, dass sie Einzelzellen à zwölf Quadratmeter zu zweit bewohnen oder dass sich die entsprechend grösseren Dreierzellen fünf Insassen teilen. Einige Räume, die eigentlich als Werkstätten oder Besucherzimmer vorgesehen sind, wurden zudem zu Zellen umfunktioniert. Deshalb gibt es für die Insassen auch immer weniger Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Problematisch ist weiter, dass verschiedene Insassen, etwa Untersuchungshäftlinge und Verurteilte, psychisch kranke Häftlinge und andere in Champ-Dollon nicht getrennt untergebracht werden. 

Chronik der bisherigen Ereignisse

Ende März 2006 hatten sich die Insassen von Champ-Dollon mit einer Petition an die Kantonsparlamentarier/innen und an die Ligue Suisse des Droits de l'Homme gewandt. Darin erhoben sie Vorwürfe wegen Polizeigewalt und Diskriminierung. Sie drohten mit einem Hungerstreik. Vertreter/innen der Genfer Menschenrechtsliga besuchten daraufhin das Gefängnis und trafen sich mit zehn Delegierten der Insassen. Anfang Mai kam es während dreier Tage dann zu einem Aufstand der Gefangenen. Der Tages-Anzeiger (TA) schrieb gar von einer «Meuterei». Schliesslich musste die Polizei eingesetzt werden, wobei drei Insassen verletzt wurden. Diesmal forderten die Insassen unter anderem lockerere Vorschriften im Umgang mit dem Telefon und mehr Gefängnisarbeitsplätze. Bei einem Zellenbrand starben ausserdem im Juli zwei Insassen. Der Genfer Staatsanwalt hat in dieser Sache ein Strafverfahren eröffnet. Es wird zeigen, ob dieser Vorfall eine Folge der Überbelegung war.

Reaktion der Behörden 

Nach all diesen Ereignissen haben nun die Verantwortlichen reagiert. Das Kantonsparlament bewilligte im Eilverfahren einen Investitionskredit für einen Neubau von vorerst 68 Plätzen. Diskutiert werden zudem eine Aufstockung von Champ-Dollon sowie ein separater Trakt für psychisch kranke Häftlinge. Der Staatsanwalt hat unterdessen auch das Polizeigericht angewiesen, seine Urteile rascher zu fällen. Gleichzeitig hat die Kantonsregierung eine Expertengruppe eingesetzt. Sie soll die Vorwürfe, welche die Insassen in ihrer Petition vom März 2006 an die Behörden richteten, untersuchen und die Ursachen der Missstände ergründen.

Überbelegung ist ein landesweites Problem

Champ-Dollon ist in der Schweiz zwar ein Extrembeispiel. Aber auch in anderen grossen Anstalten herrscht Platznot. Gemäss Angaben des Bundesamt für Justiz (BJ) sind die meisten Gefängnisse in der Schweiz ausgelastet oder überbelegt. Wie Swissinfo berichtet, ist dies für Denise Graf von Amnesty International Schweiz unter anderem die Folge einer «absolut repressiven» Asyl- und Ausländerpolitik.

Den Insassen von Haftanstalten gelingt es nur selten auf ihre Haftbedingungen aufmerksam zu machen. In der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf (Kanton Zürich) etwa versuchten die Insassen ebenfalls mittels einer Petition den Regierungsrat dazu zu bewegen, die Hausordnung zu lockern. Das Schreiben, das von 186 von 450 Insassen unterzeichnet wurde, zeugt von einem harten Haftalltag: «Aber um Menschen zu bleiben, können und dürfen wir uns nicht auch noch damit abfinden, dass wir auf Schritt und Tritt missachtet und verachtet werden, auch wenn das bisweilen mit den besten Absichten, dem freundlichsten Umgangston und soweit ohne Anwendung von körperlicher Gewalt stattfindet. Darum können wir uns auch nicht mit sinnlosen Regelungen, Ungerechtigkeiten und Provokationen abfinden, die weit über die Notwendigkeit der Sicherheit und des reibungslosen Ablaufes hinausgehen.»