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Margrith Bigler-Eggenberger

«Manchmal braucht es den Druck von aussen. Die Europäische Menschenrechtskonvention spielte eine wichtige Rolle bei der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz. Die Gleichstellung der Frau ist leider heute noch keine Selbstverständlichkeit.»

                                                                                                

Die Vision der Gleichstellung von Mann und Frau ist der Motor ihres Engagements

Als die Bundesversammlung 1972 über die Wahl der 39-jährigen Margrith Bigler-Eggenberger als Ersatzrichterin im Bundesgericht befand, hatte jemand ihre Bewerbungsunterlagen gefälscht. Diese zeigten die damalige Versicherungsrichterin des Kantons St. Gallen als Praktikantin und Hausfrau. Viele wollten die Wahl einer Frau in diese Männerdomaine mit allen Mitteln verhindern.


Nur ganz knapp schaffte sie ein Jahr nach Einführung des Frauenstimmrechts den Einzug ins Bundesgericht. 1974 wurde sie dann zur ordentlichen Bundesrichterin gewählt. Margrith Bigler hatte so lange dafür gekämpft, dass Frauen in der Politik mitentscheiden und mitgestalten konnten. Nun wollte sie mit gutem Beispiel voran gehen und diese neuen Chancen nutzen: «Der Anfang am Bundesgericht war nicht einfach. Es gab Kollegen, die sich sogar weigerten, mit mir zu sprechen.» Margrith Bigler-Eggenberger blieb 17 Jahre lang die einzige Bundesrichterin in der Schweiz.

«Damals durften Frauen nur mit der Erlaubnis der Männer arbeiten und sie hatten kaum Rechte bei einer Scheidung.»

hre Berufswünsche hatten nie so recht zu den damaligen Frauenrollen gepasst. Die Überzeugung, dass in einer modernen Demokratie die Gleichstellung von Mann und Frau selbstverständlich sein muss, ist bis heute der Motor für ihr grosses Engagement. Politisiert wurde sie bereits in ihrem Elternhaus. «Dass Frauen mitdenken, mitentscheiden und gut gebildet sind, war bei uns zuhause ganz normal». Bereits 1968 schrieb die Juristin gegen das bestehende Familienrecht an. «Damals durften Frauen nur mit der Erlaubnis der Ehemänner arbeiten und sie hatten kaum Rechte bei einer Scheidung», nennt sie zwei Beispiele der damaligen Diskriminierungen gegen Frauen. Mit 33 Jahren wurde sie Versicherungsrichterin in St. Gallen und Dozentin an der Hochschule St. Gallen.

Nach 123-jährigem Kampf endlich das Frauenstimmrecht

Margrith Bigler-Eggenberger setzte sich aktiv für die Einführung des Frauenstimmrechts ein. „Dass ausgerechnet die damalige Bauern- Gewerbe- und Bürgerpartei - die heutige SVP - das Frauenstimmrecht am stärksten bekämpfte, habe ich nie verstanden“, sagt Margrith Bigler-Eggenberger. „Grade bei den Bauern hatten die Frauen doch schon immer eine sehr aktive Rolle im Arbeitsalltag“. Auch kirchliche Kreise waren besonders skeptisch. 123 Jahre nach der Gründung der modernen Schweiz 1848 gewährten die Schweizer Männer den Frauen 1971 mit 65 Prozent Ja-Stimmen endlich das Wahl- und Stimmrecht auf Bundesebene. Bis zur Einführung des Frauenstimmrechts in allen Kantonen vergingen allerdings noch weitere 20 Jahre. Im November 1990 gab das Bundesgericht schliesslich einer Klage von Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt. An der Landgemeinde im April hatten die Männer zuvor das Frauenstimmrecht erneut abgelehnt.

Europäische Menschenrechtskonvention als Wegbereiterin für Frauenrechte

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) trug wesentlich dazu bei, dass die Schweiz das Frauenstimmrecht einführte. Sie definierte schon damals den europäischen Mindeststandard der Menschenrechte, dem sich auch die Schweiz verpflichten wollte. Wegen des fehlenden Frauenstimmrechts hätte die Schweiz bei der Ratifizierung einen sogenannten «Vorbehalt» anbringen müssen. Das war der Auslöser für den Protestmarsch von 1969, mit dem Frauenrechtlerinnen den Bundesrat schliesslich dazu brachten, eine Volksabstimmung für die Einführung des Frauenstimmrechtes vorzubereiten. Die EMRK ist noch immer bedeutend für den Abbau der Diskriminierung von Frauen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällt auch heute noch Entscheide, dank denen Lücken in der Schweizer Rechtsprechung bezüglich der Gleichbehandlung von Frau und Mann geschlossen werden können.

Margrith Bigler-Eggenberger weiss aus ihrem Berufsalltag und auch privat, dass die Menschenrechte unverzichtbar sind. Ihr Mann hat nur mit viel Glück ein Nazi-Konzentrationslager überlebt. „Der Vormarsch der rechtspopulistischen Parteien in Europa macht mir grosse Sorgen. Wenn wir nicht wachsam und engagiert bleiben, droht den Menschenrechten Gefahr und das Fundament unserer Demokratie wird angegriffen“.

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Marianne Aeberhard
Leiterin Projekt Zugang zum Recht / Geschäftsleiterin

marianne.aeberhard@humanrights.ch
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