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Zulässigkeitsvoraussetzungen

16.11.2023

In einem ersten Schritt wird geprüft, ob eine individuelle Mitteilung die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Dabei handelt es sich um formale Anforderungen, die eine individuelle Mitteilung erfüllen muss, bevor sie vom zuständigen UN-Ausschuss inhaltlich geprüft werden kann. Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, wird eine individuelle Mitteilung ganz oder teilweise als nicht zulässig abgewiesen.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind nicht vor allen UN-Ausschüssen gleich. Vor Einreichung einer individuellen Mitteilung sollten daher die entsprechenden Fakultativprotokolle oder die «Rules of Procedure» (Verfahrensregeln) des jeweiligen UN-Ausschusses geprüft werden.

Einschlägige Bestimmungen für die jeweiligen Ausschüsse:

  • CAT-Ausschuss:
    • Art. 22 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
    • Regel 113 der «Rules of Procedure»
  • CRC-Ausschuss:
    • Art. 7 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend ein Mitteilungsverfahren
    • Regel 16 der «Rules of Procedure under the Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on a Communications Procedure»
  • CEDAW-Ausschuss:
    • Arts. 2 bis 4 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
    • Rule 56 der «Rules of Procedure»
  • CERD-Ausschuss:
    • Art. 14 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
    • Regel 91 der «Rules of Procedure»
  • CED-Ausschuss:
    • Art. 31(1) und (2) des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
    • Regel 65 der «Rules of Procedure»

Zulässigkeitsvoraussetzungen

Beschwerdeführende Person

Die Beschwerdeführende Person muss entweder

  • als mutmassliches Opfer eine Verletzung ihrer Menschenrechte geltend machen oder
  • als Verwandte oder in Vertretung eines mutmasslichen Opfers eine Verletzung dessen Menschenrechte geltend machen, sofern das mutmassliche Opfer dazu selbst nicht in der Lage ist und seine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat
Opfereigenschaft

Die beschwerdeführende Person oder die Person, die sie vertritt, muss nachweisen, dass sie Opfer einer Menschenrechtsverletzung durch den Vertragsstaat ist.

Das heisst, sie muss durch die Handlung oder Unterlassung eines Vertragsstaates persönlich und unmittelbar in ihren Menschenrechten betroffen sein. Eine abstrakte Anfechtung ist nicht möglich. Popularbeschwerden sind unzulässig.

Anonymität Anonyme individuelle Mitteilungen sind unzulässig.
Ausschöpfung innerstaatlicher Rechtsbehelfe

Ausnahme: Wenn bei Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe das Verfahren unangemessen lange dauert oder offensichtlich unwirksam wäre.

Die beschwerdeführende Person hat die Nichtausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe zu begründen. Blosse Zweifel an deren Unwirksamkeit sind nicht ausreichend.

Einhaltung der Beschwerdefristen
  • CAT-Ausschuss: Seit der Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe darf nicht so viel Zeit vergangen sein, dass die Beurteilung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzung unangemessen schwierig ist.
  • CRC-Ausschuss: 1 Jahr nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe, sofern eine Einreichung innert dieser Frist nicht unmöglich ist.
  • CEDAW-Ausschuss: keine Beschwerdefrist.
  • CERD-Ausschuss: 6 Monate nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe.
  • CED-Ausschuss: keine Beschwerdefrist.
Temporale Zuständigkeit des UN-Ausschusses Der einer individuellen Mitteilung zugrunde liegende Sachverhalt muss sich grundsätzlich nach der Anerkennung der Zuständigkeit des jeweiligen UN-Ausschusses durch den betreffenden Vertragsstaat zugetragen haben oder nach diesem Zeitpunkt weiterbestehen.
Andere internationale Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren

Grundsätzlich ist eine individuelle Mitteilung unzulässig, wenn dieselbe Sache bereits vom betreffenden Ausschuss untersucht worden ist oder in einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren geprüft worden ist oder geprüft wird.

Ausnahmen:

  • CERD-Ausschuss: Dass dieselbe Sache bereitsin einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitbeilegungsverfahren geprüft worden ist oder geprüft wurde, stellt keine Zulässigkeitsvoraussetzung dar.
  • CED-Ausschuss: Eine individuelle Mitteilung ist nur dann unzulässig, wenn sie gleichzeitig von einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren der gleichen Art geprüft wird.
Reservationen Bestehen Reservationen, die eine bestimmte individuelle Mitteilung verunmöglichen, weil sie die Zuständigkeit des entsprechenden UN-Ausschusses einschränken?
Materielle Zuständigkeit des UN-Ausschusses Bezieht sich die geltend gemachte Verletzung auf ein Menschenrecht, das in demjenigen Menschenrechtsvertrag verankert ist, über dessen einhaltung der betreffende UN-Ausschuss wacht?
Missbräuchlichkeit

Eine leichtfertige, schikanöse oder anderweitig unangemessene individuelle Mitteilung ist missbräuchlich und damit unzulässig. Individuelle Mitteilungen müssen darüber hinaus mit den Bestimmungen des betreffenden Menschenrechtsvertragesund/oder der dazugehörigen Fakultativprotokolle vereinbar sein.

Ein Beispiel für die Missbräuchlichkeit einer individuellen Mitteilung ist deren wiederholte Einreichung, obwohl sie zuvor bereits abgewiesen wurde.

Ebenso unzulässig sind individuellle Mitteilungen, die UN-Ausschüsse als «vierte Instanz» missbrauchen. UN-Ausschüsse sind keine Berufungsinstanzen, die Entscheidungen von innerstaatlichen Gerichten über die verwaltungs-, zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit einer beschwerdeführenden Person beurteilen oder gar aufheben können. Deren Zuständigkeit beschränkt sich auf die Überprüfung der Einhaltung der im jeweiligen Menschenrechtsvertrag festgelegten Menschenrechte.

Substantiierung

Eine individuelle Mitteilung darf nicht offensichtlich unbegründet sein. Darüber hinaus muss die geltend gemachte Menschenrechtsverletzung ausreichend substantiiert sein.

Die UN-Ausschüsse stellen den Sachverhalt nicht selbst fest. Tatsachen, die von den Verfahrensparteien nicht erwähnt wurden, werden daher nicht berücksichtigt.

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Marianne Aeberhard
Leiterin Projekt Zugang zum Recht / Geschäftsleiterin

marianne.aeberhard@humanrights.ch
031 302 01 61
Bürozeiten: Mo/Di/Do/Fr

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