24.04.2022
Im letzten Jahr wurden dem Beratungsnetz für Rassismusopfer 630 Fälle rassistischer Diskriminierung gemeldet. Auffallend ist der Anstieg an Vorfällen im Bildungswesen, wobei es sich insbesondere um Anti-Schwarzen Rassismus handelte.
humanrights.ch und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR veröffentlichen heute den 24. April 2022 den jährlich herausgegebenen Auswertungsbericht zu rassistischen Vorfällen, die im Laufe des 2021 beim Beratungsnetz für Rassismusopfer gemeldet wurden. Im Folgenden Video sprechen Gina Vega, Leiterin der Fachstelle Diskriminierung und Rassismus von humanrights.ch, und Giorgio Andreoli, Leiter der Beratungsstelle gggfon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus in Bern über die wichtigsten Ergebnisse:
Rassismus erhielt in 2021 im Vergleich zum Vorjahr weniger Platz in öffentlichen Debatten, was jedoch nicht heisst, dass weniger Rassismus erlebt wurde. Im Gegenteil, dem Beratungsnetz für Rassismusopfer wurden 58 Fälle mehr gemeldet. Die registrierten Vorfälle ereigneten sich am häufigsten am Arbeitsplatz, im Bildungswesen, im öffentlichen Raum sowie im Kontakt mit der Verwaltung. In diesen Bereichen ist es aufgrund der bestehenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse für betroffene Menschen besonders belastend Vorfälle zu melden sowie Gegenmassnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Auffällig ist der Anstieg an gemeldeten Vorfällen im Bildungswesen. Vor allem Schwarze Schüler*innen und Lernende erfuhren Benachteiligungen, Beleidigungen und rassistisches Mobbing von Seiten der Lehrpersonen sowie von Mitschüler*innen. Beobachtet wurde ausserdem eine gewisse Überforderung im Umgang mit rassistischen Vorfällen bei den Bildungsinstitutionen, was zu mehr Verunsicherung bei den Betroffenen führte.
Auch die Covid-19-Pandemie schlägt sich in den Zahlen des Berichts nieder. So wurden im Jahr 2021 mehr Meldungen in Zusammenhang mit Antisemitismus erfasst. Einige dieser Vorfälle betrafen die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts sowie das Verbreiten von antisemitischen bzw. allgemein rassistischen Verschwörungstheorien. Dabei versuchten auch Menschen aus der rechtsextremen Szene sich vermehrt Gehör zu verschaffen und ihre Ideologien sowohl im Internet als auch bei den Demonstrationen gegen Corona-Massnahmen zu verbreiten. Diese steigende Tendenz ist besorgniserregend, vor allem weil die Politik und die Gesellschaft dem wenig entgegengesetzt haben.
Auch wenn der Rassismusbericht nur die berühmte «Spitze des Eisbergs» darstellt, ist er eine wiederkehrende und vertrauenswürdige Monitoringsquelle, welche die Dynamiken von Rassismus in der Schweiz aufzeigt. Das wirkliche Ausmass von Rassismus in der Gesellschaft kann jedoch nur aufgedeckt werden, wenn rassistische Vorfälle gemeldet werden. So können Probleme wie struktureller und institutioneller Rassismus auch in Zukunft sichtbar gemacht und Veränderungen gefordert werden. Betroffenen müssen ausserdem nicht alleine mit ihren Rassismuserfahrungen klar kommen. Die Beratungsstellen sind dafür da, Betroffenen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und kompetent zu unterstützen.
Es ist dringend notwendig, dass die Verbreitung rassistischer und rechtsextremer Ideologien sowie Hassreden im Netz durch politische und rechtliche Massnahmen verhindert werden. Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit muss in der gesamten Gesellschaft vorangetrieben werden. Insbesondere Schulen und Bildungsinstitutionen müssen entschiedener und spürbarer Verantwortung übernehmen, um Rassismus zu erkennen, zu benennen und aufzubrechen. Dafür muss in der jeweiligen Institution ein Antidiskriminierungskonzept zur Prävention und Intervention bei rassistischen Vorfällen ausgearbeitet und verankert werden. Rassismus muss zwingend Bestandteil der Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals und dringend in die Lehrpläne der pädagogischen Hochschulen aufgenommen werden.
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Meral Kaya
Ansprechperson ad interim Beratungsnetz für Rassismusopfer
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