08.06.2010
Das Zusatzprotokoll Nr. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist am 1. Juni 2010 in Kraft getreten. Ziel des Protokolls ist es, die Effizienz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch eine optimierte Filterung und Abwicklung der Fälle auf Dauer zu verbessern. Der Text stellt inbesondere neue Kriterien für die Zulassung der Fälle auf (die Existenz eines erheblichen Schadens) und legt fest, dass Richter maximal während neun Jahren im Amt sein dürfen. Das Protokoll gilt als wichtigster Schritt im Reformprozess des Strassburger Gerichtshofs, der seit Jahren überlastet ist.
- Vierzehntes Zusatzprotokoll zur EMRK
Dokumentation auf humanrights.ch - Ausführliche Erläuterungen zur Vorgeschichte und zum Inhalt des 14. Zusatzprotokolls
Dokumentation auf humanrights.ch
Russland macht Weg frei für Reform des Gerichtshofs für Menschenrechte
Nach jahrelanger Blockade hatte Russland das Protokoll Nr. 14 zur EMRK im 15. Januar 2010 ratifiziert. Die russische Duma entschied an diesem Tag, das in Russland stark umstrittene Zusatzprotokoll zur dringenden Entlastung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg zu unterstützen. Dies ist als Erfolg für die Durchsetzung der Menschenrechte innerhalb des Gebiets des Europarates zu werten. Der Durchbruch wurde offenbar erreicht, weil Russland nach langen Verhandlungen mit dem Europarat seine Interessen bei der Reform des Strassburger Gerichts nun gewahrt sieht. Demnach wird bei Verfahren gegen Russland jeweils auch ein eigener Vertreter des Landes unter den Richtern sein. Zudem wird ein Russe in der Gruppe arbeiten, die die Umsetzung von Urteilen begutachtet.
Erleichterung in Strassburg
Nach den jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Europarat und Russland herrscht im Palais de l'Europe in Strassburg nach dem Entscheid der Duma in Moskau Erleichterung. Als Europarats-Präsidentin erklärte die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, die nun mögliche Reform des Gerichtshofs stärke den Schutz der Grundrechte in allen 47 Mitgliedsländern. Calmy-Rey begrüsste das Votum der Duma in einer gemeinsam mit Lluis Maria de Puig, dem Vorsteher der Parlamentarischen Versammlung, veröffentlichten Stellungnahme.
Reform soll Effektivität des EGMR steigern
Die überlasteten Strassburger Richter sollen durch die Reform künftig deutlich schneller arbeiten können. Unter anderem wird es für den Gerichtshof einfacher, Klagen in Bagatellfällen abzuweisen. Vor allem aber wird die Unabhängigkeit der 47 Richter aus den EMRK-Vertragsstaaten gestärkt. Ihre Amtszeit wird von sechs auf neun Jahre verlängert, die bisher mögliche Wiederwahl entfällt. Damit gibt es für die Betroffenen weniger Anreize, sich gegenüber ihren Heimatländern bei Urteilen gefällig zu zeigen.
Moskau verweigerte Unterzeichnung seit November 2006
Russland ist der letzte Unterzeichner des 14. Protokolls der Menschenrechtskonvention unter den 47 Europarats-Mitgliedern. Die Staatsduma in Moskau hatte sich seit November 2006 geweigert, das Protokoll zu unterzeichnen. Nun gab sie mit 392 von 450 Stimmen grünes Licht für die Ratifizierung. Lediglich die Fraktion der Kommunistischen Partei sprach sich dagegen aus.
Dokumentation
- Moskau gibt seine Blockade in Strassburg auf
NZZ, 16. Januar 2010 (pdf, 2 S.) - Der Europarat begrüsst die Genehmigung der russischen Staatsduma der Ratifizierung von Protokoll Nr. 14 zur Europäischen Konvention für Menschenrechte
Medienerklärung von Micheline Calmy-Rey und Lluís Maria de Puig vom 15. Januar 2010 - Russische Zustimmung zu Protokoll Nr. 14 – eine Verpflichtung für Europa
Medienmitteilung des Generalsekretärs des Europarates vom 15. Januar 2010