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Philosophisches Konzept der Menschenrechte

22.11.2022

Der Universalitätsanspruch der Menschenrechte steht in einem Spannungsverhältnis zum kulturellen Pluralismus und die dominanten Wahrnehmungsformen sowie Geschichtserzählungen der Menschenrechte sind heute immer noch vorwiegend westlich geprägt (vgl. Kulturimperialismus und Menschenrechte). Trotzdem soll im Folgenden ein Überblick zum philosophischen Grundkonzept der Menschenrechte und ihrem Anspruch auf universelle Gültigkeit gegeben werden.

Die Wurzeln der Menschenrechte finden sich einerseits in der antiken griechischen Philosophie (Gleichheit aller Menschen; Idee eines natürlichen Rechts, das jedem Menschen zukommt) und andererseits in der Fortführung dieser Naturrechtstradition durch verschieden Religionen. Das Grundkonzept der Menschenrechte geht von folgenden Annahmen aus:

  • Die Menschenrechte werden nicht von Staaten verliehen. Dennoch sind diese für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich.
  • Jeder Mensch ist Träger der Menschenrechte. Das einzige Kriterium dafür ist das biologische Menschsein.
  • Obwohl aus rechtlicher Sicht die Einhaltung der Menschenrechte durch die Staaten garantiert werden muss, richtet sich der Anspruch auf deren Einhaltung auch an andere Gemeinschaften wie Institutionen, Religionsgemeinschaften, Familien, Wirtschaftsunternehmen oder Bürgerkriegsparteien.

Konzeption des Menschen

Die Garantie der Menschenrechte ist neben dem Menschsein nicht an weitere Bedingungen geknüpft. Sie gelten für alle Menschen unabhängig von weiteren Voraussetzungen, wie etwa dem Besitz des Bürger*innenrechts oder der Urteilsfähigkeit. Diese Werte, welche untrennbar mit dem Menschsein verknüpft sind, finden sich auch in den internationalen Normen wieder:

  • Gleichheit
    Im Diskriminierungsverbot drückt sich der egalitäre Ansatz der Menschenrechte aus. Demnach besitzt jeder Mensch – so etwa unabhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft – die gleiche und unveräusserliche Menschenwürde.
  • Freiheit
    Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sich persönlich auszudrücken und die eigenen Lebensentwürfe zu verwirklichen. Die Rechte von Einzelpersonen dürfen nur dort eingeschränkt werden, wo sie in Konflikt mit den Menschenrechten anderer Individuen geraten.
  • Soziale Zugehörigkeit
    Menschen sind keine isolierten Individuen, sondern soziale, politische und kulturelle Wesen. Daraus ergibt sich für jede Person das Recht, mit anderen Menschen Lebensgemeinschaften zu bilden und am politischen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilzunehmen.
  • Existenzsicherung
    Aus menschenrechtlicher Perspektive haben Menschen Grundbedürfnisse –wie Nahrung, Unterkunft, Gesundheit, Bildung, Arbeit, soziale Sicherheit – aus denen sich für jeden Menschen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard ergibt.

Diese Werte sind mit der Person als Rechtssubjekt untrennbar verbunden und können in ihrer Synthese unter den Begriff der «Menschenwürde» erfasst werden. Das Menschenbild der Menschenrechte lässt sich demnach folgendermassen definieren: Jedes als Mensch geborenen Lebewesen ist eine autonome Person mit einer ihm inhärenten Menschenwürde. Sie hat materielle Grundbedürfnisse, verfügt über eine selbstbestimmte Privatsphäre und kann an der Gestaltung des kollektiven Lebens teilhaben. Was als Menschenrecht definiert wird, ist als moralisch elementares Gut zu schützen, weil es einen Aspekt des Menschenbildes konkretisiert. Diese Vorstellung von einem Individuum und den ihm innewohnenden Rechten reicht bis in die Antike zurück und entwickelte sich aus der Theorie des Naturrechts und des humanistischen Denkens.

Die Frage nach der universellen Gültigkeit der Menschenrechte

Nach ihrer Definition gelten die Menschenrechte für alle Menschen – ihre Gültigkeit ist universell. Das bedeutet:

  1. Jeder Mensch kann sich auf die gleichen Menschenrechte berufen.
  2. Jeder Mensch sollte den Wert der Menschenrechte anerkennen und hat die Pflicht, die Menschenrechte seiner Mitmenschen zu achten.

Zur Begründung der Universalität der Menschenrechte lassen sich eine absolutistische und eine gemässigte Argumentation unterscheiden. Absolutistische Begründungen rechtfertigen die universelle Geltung der Menschenrechte auf der Grundlage einer absoluten Idee oder übergeordneten Instanz, welche in Form einer Religion oder bestimmten Auffassung von Vernunft und Moral auftreten können. Die Bestrebung, eine bestimmte Ansichtsweise zu universalisieren, diskreditiert jedoch die intellektuellen und moralischen Überzeugungen derjenigen, welche diese Auffassung nicht teilen. Durch die Missachtung von Eigenheiten und Besonderheiten verteidigen Absolutisten also mehr einen Ethnozentrismus als den universellen Schutz der Menschenrechte. Eine dialogfähige und gemässigte Argumentation für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte zeichnet sich hingegen durch die Anerkennung einer Vielfalt an Positionen aus. Es wird anerkannt, dass aus guten oder schlechten Gründen andere als die eigenen Positionen vertreten werden können.

Die expliziten Rechte bestimmter Gruppen – wie die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten – stehen nicht im Widerspruch zum universellen Geltungsanspruch der Menschenrechte. Indem sie das unterschiedliche soziale Umfeld berücksichtigen, konkretisieren sie deren Universalität. Durch den besonderen Schutz der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten wird die Anfälligkeit dieser Gruppen für Rechtsverletzungen anerkannt und auf ihre gesellschaftliche Gleichstellung hingearbeitet.