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Korrektur-Initiative

Korrektur-Initiative: Was bringt der indirekte Gegenvorschlag?

16.07.2020

Obwohl der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung dies nicht beabsichtigte, musste er dem Druck seiner Amtskolleg*innen nachgeben: Der Bundesrat hat der eidgenössischen Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» einen indirekten Gegenvorschlag unterbreitet. Die Folgen bleiben abzuwarten.

Die fortlaufende Abschwächung der Bewilligungskriterien für Waffenexporte in der Kriegsmaterialverordnung (KMV) sind im Parlament wie auch in der Zivilgesellschaft zunehmend auf Widerstand gestossen. Am 24 Juni 2019 hat eine breite Allianz aus Politiker*innen und Nichtregierungsorganisationen die «Korrektur-Initiative» eingereicht. Diese will die Bewilligungskriterien für Waffenexporte nicht mehr auf der Ebene einer Verordnung, sondern auf der Ebene des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) und der Verfassung regeln. Angesichts der grossen Zustimmung für die Initiative in der Bevölkerung hat der Bundesrat im Dezember 2019 entschieden, zwei Vorlagen für indirekte Gegenvorschläge in die Vernehmlassung zu schicken.

Guy Parmelin zum Gegenvorschlag gedrängt

Der frühere Wirtschaftsminister, Johann Schneider-Ammann, brachte das Fass zum Überlaufen, als er 2018 ankündigte, er wolle den Export von Schweizer Waffen in Bürgerkriegsländer wieder auf die Tagesordnung setzen. Die exzessive Lockerung des Waffenembargos folgte kurz nachdem sich mehrere Schweizer Waffenhändler im September 2017 mit einen Brief an die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S) gewendet hatten. So beklagten sich unter anderem die Ruag, Mowag, Thales, Rheinmettal und die Assembling AG über den Rückgang von Waffenverkäufen in den vergangenen Jahren. Die Rüstungsunternehmen wurden mehrfach von der Kommission angehört, während der Zivilgesellschaft die Teilnahme an diesen Treffen verweigert wurde.

Schliesslich musste sich Bundesrat Guy Parmelin, Nachfolger von Schneider-Ammann im Volkswirtschaftsdepartement, doch mit der Korrektur-Initiative auseinandersetzen. Zuerst fand Parmelin einen Gegenvorschlag unnötig. Erst auf Druck seiner Kolleg*innen im Bundesrat, insbesondere Alain Berset und Ignazio Cassis, machte sich der Vertreter der Schweizerischen Volkspartei an die Arbeit.

In seiner Medienmitteilung vom 20. Dezember 2019 empfiehlt der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung und erklärt, er werde dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag vorlegen. Er beabsichtige damit, Waffenexporte in Länder, welche in bewaffnete Konflikte im Sinne des Völkerrechts verwickelt sind, besser zu kontrollieren. Am 20. März 2020 stellte das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung schliesslich seinen indirekten Gegenvorschlag vor. Die Vernehmlassung endete am 29. Juni 2020.

Zwei Varianten

Im Grundsatz schlägt die Regierung vor, die Bewilligungskriterien für Waffenexporte aus der Kriegsmaterialverordnung (Art. 5 KMV) herauszunehmen und stattdessen im Kriegsmaterialgesetz zu verankern. Sie scheint also bereit, die Kontrolle über die Kriterien zugunsten des Parlaments abzugeben. Aber genau an dieser Stelle schickt sie zwei Varianten in die Vernehmlassung. Die erste Variante hält an einer Abweichungsregelung fest (Art. 5 Abs. 4 KMV): Eine Bewilligung kann erteilt werden, wenn nur ein geringes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. Zudem sieht dieser Gegenvorschlag vor, dass der Bundesrat während maximal acht Jahren von den festgelegten Bewilligungskriterien abweichen kann, ohne das Parlament konsultieren zu müssen.

Die zweite Variante sieht ebenfalls eine Verankerung der Bewilligungskriterien aus Artikel 5 der Kriegsmaterialverordnung auf Gesetzesstufe vor, jedoch ohne die Möglichkeit einer Abweichung und einer Umgehung des Parlaments.

Die Allianz begrüsst einen Gegenvorschlag

«Für die Allianz war immer klar: Wenn es möglich ist, das Ziel der Korrektur-Initiative auf parlamentarischem Weg durchzusetzen, dann ist das zu befürworten.» In ihrer Medienmitteilung vom 2. November 2019 erklärte die Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer, sie sei offen für einen Gegenvorschlag. Doch hat dieser die drei Grundideen der Korrektur-Initiative aufzunehmen, damit ein Rückzug der Initiative in Frage kommt:

  • Die Kriterien für Kriegsmaterial-Exporte müssen mindestens auf der Stufe eines Bundesgesetzes geregelt werden.
  • Der Export von Kriegsmaterial in Länder, die systematisch und schwerwiegend die Menschenrechte verletzen, muss ausnahmslos verboten werden.
  • Der Export von Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer oder undemokratische Länder, welche in Bürgerkriege oder interne oder internationale bewaffnete Konflikte verwickelt sind, muss definitiv untersagt werden.

Die Variante 1 der Gegenvorschläge des Bundesrates, wie sie heute vorliegt, erfüllt diese Grundideen nicht.

Kommentar

Während die zweite Variante des Bundesrates einen echten Wandel einleiten könnte, verteidigt die erste Variante genau jene Interessen, die von der Initiative hinterfragt werden, und ermöglicht weiterhin missbräuchliche Waffenexporte. Sie liegt auf der Linie der bisherigen Begründungen, die der Bundesrat auch bei seiner Ablehnung der Initiative hemmungslos wiederholt. Ohne dabei Widersprüche zu befürchten, hält der Bundesrat daran fest, dass Waffenexporte in Länder möglich sein sollen, die schwerwiegend und systematisch die Menschenrechte verletzen, ohne dass diese Waffen letztendlich für solche Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz kommen. Was als Verblendung verstanden werden könnte, ist nichts anderes als Scheinheiligkeit. Es kann nicht geleugnet werden, dass Schweizer Waffen auf skandalöse Art immer wieder in die falschen Hände geraten. Es ist demnach unaufrichtig zu behaupten, die Schweiz sei ein Staat, für den die Menschenrechte den Vorrang haben, und gleichzeitig den wirtschaftlichen Interessen - in dem Fall denjenigen der Rüstungsindustrie - den Vorzug vor eben diesen Menschenrechten einzuräumen, ungeachtet des Preises, den andere bezahlen müssen.