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Korrektur-Initiative

Welche Kriterien für den Export von Kriegsmaterial?

30.11.2009

Bei der Volksabstimmung vom 29. November 2009 hat eine Mehrheit von 68,2 Prozent der Stimmenden die Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten abgelehnt. Seit Jahren setzten sich verschiedene NGOs dafür ein, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder exportiert, welche regelmässig die Menschenrechte missachten. Verschiedene Vorstösse mit diesem Ziel scheiterten im Parlament und nun auch im Volk. Gleichzeitig nahmen menschenrechtlich heikle Exporte jüngst noch zu. Der Tages-Anzeiger berichtete etwa am 9. November 2009, dass die Schweiz Pistolen in einen indischen Bundesstaat geliefert hat, der auch Kinder als Polizeikräfte einsetzt. Dies obwohl die Schweiz seit Ende 2008 über eine relativ strikte Regelung auf Verordnungsstufe verfügt. In einem offenen Brief an die zuständige Bundesrätin bemängeln 70 Rechtsgelehrte die Handhabung der Kriegsmaterialverordnung durch die Behörden.

Geltende Verordnung verbietet Ausfuhr nach Deutschland und USA

Der Bund lege die geltende Verordnung über den Export von Rüstungsgütern juristisch fragwürdig aus, schreiben die Gelehrten in ihrem Brief gemäss der NZZ am Sonntag. Als problematisch erachten die Unterzeichnenden die Auslegung des Artikels, wonach ein Exportverbot für Länder gilt, die in «einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt» sind. Würde dies umgesetzt, dürften etwa weder nach Deutschland noch in die USA Rüstungsgüter geliefert werden, denn diese Nationen seien in Afghanistan und im Irak an Kriegen beteiligt. Die Argumentation von Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard, dass die Ausfuhr in diese Länder nicht unterbunden werde, weil UNO-Resolutionen die Teilnahme an diesen bewaffneten Konflikten stützten, sei völkerrechtlich irrelevant. Nicht weniger fragwürdig seien Exporte in Staaten wie Saudiarabien oder Pakistan, die Menschenrechte verletzten oder in internen Konflikten stünden. Beide Hauptpunkte werden in einer Analyse von Evelyne Schmid im TRIAL-Bulletin vom Juli 2009 dargelegt und gestützt.

Kriegsmaterialexporte stagnieren auf hohem Niveau

Im ersten Halbjahr 2009 wurde Kriegsmaterial für 62 Millionen Franken aus der Schweiz nach Deutschland und für 19 Millionen in die USA exportiert. Saudiarabien erhielt im gleichen Zeitabschnitt Schweizer Rüstungsgüter im Wert von 34 Millionen Franken und auch Pakistan gehörte erneut zu den Abnehmerstaaten. Alles in allem konnte die Schweiz Kriegsmaterial im Wert von 330 Millionen Franken ins Ausland verkaufen. Damit blieben die Exportzahlen auf hohem Niveau stabil; im Jahr 2008 hatten die Exporte gegenüber den Vorjahren stark zugelegt. Bewilligt wurden die Exporte meist mit der Begründung, dass das Material nicht in bewaffneten Auseinandersetzungen und nur für Missionen mit UNO-Mandaten gebraucht werde.

Wie heikel Exporte sein können, die auf den ersten Blick problemlos erscheinen, zeigt etwa eine Geschichte, welche die Zeitung «Der Sonntag» im November 2009 veröffentlichte: «Vermutlich hat die Schweiz Kindersoldaten mit Maschinenpistolen ausgerüstet. Am 25. März hat die Landesregierung Waffenexporte an indische Polizeikräfte abgenickt – darunter an solche im Bundesstaat Chhattisgarh. Hier setzten Polizisten Kinder gegen Rebellen ein, die ebenfalls Kinder an der Waffe ausbildeten.» Sollte dies stimmen, hat die Schweiz gegen das UNO-Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten verstossen.

Die Frage, welche Kriterien sich die Schweiz für den Export von Rüstungsgütern in andere Länder geben will, bleibt offen und muss nun entschieden werden. Am 29. November 2009 wird über die Initiative gegen Kriegsmaterialexporte abgestimmt. Bundesrat und Parlament lehnen diese ab - ihr in der Debatte häufig ins Feld geführter Hinweis, die geltenden Gesetze würden ausreichen, um Missbräuche zu verhindern, ist nun ins Wanken geraten.

Verordnung soll angepasst werden

Als Antwort auf die Eingabe der Rechtsprofessoren liess Bundesrätin Doris Leuthard im übrigen verlauten, dass sie die Verordnung über den Export von Kriegsmaterial präzisieren werde. Explizit soll darin festgehalten werden, dass Exporte an Staaten erlaubt sein sollen, wenn diese im Rahmen von UNO-Mandaten in einen Konflikt involviert sind. Das entspreche der heutigen Praxis und dem Völkerrecht, begründete sie die geplante Änderung gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Eine entsprechende Formulierung würde wohl Ausfuhren nach Deutschland und in die USA weiterhin zulassen. Ausfuhrbewilligungen nach Pakistan oder Saudiarabien hingegen sind solange problematisch, wie die Kriegsmaterialverordnung Ausfuhren in Länder verbietet, welche systematisch die Menschenrechte verletzen oder an einem internen Konflikt beteiligt sind. Nach den jüngsten Aussagen von Wirtschaftsministerin Leuthard weiss niemand genau, wie die Ausformulierung der Kriegsmaterialverordnung in Zukunft aussehen wird. Deshalb ist für die/den Stimmbürger/in der Entscheid an der Urne Ende November wohl ein Entscheid für oder gegen die konkrete Bewilligungspraxis der Behörden - und diese liess bisher Exporte nach Saudiarabien und Pakistan zu.

Dokumentation

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