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Menschenrechte im Alter - Dossier

Entwicklung des Menschenrechtsschutzes für ältere Personen auf UNO-Ebene

16.11.2017

Vorgeschichte

Bei den Vereinten Nationen ist die Konkretisierung spezifischer Menschenrechte für ältere Menschen in einer eigenständigen Konvention seit den 1970er Jahren immer wieder ein Thema. Die UNO-Generalversammlung verabschiedete 1977 eine erste Resolution, welche sich mit dem Schutz von Rechten älterer Menschen befasst.

Ein erster Weltkongress über die Rechte von älteren Menschen fand sodann 1982 in Wien statt. Der dort beschlossene Aktionsplan enthielt bereits zahlreiche Empfehlungen zuhanden der Nationalstaaten.

Eines der zentralen – nicht verbindlichen - frühen Dokumente, in welchem die wichtigsten Rechte älterer Menschen festgehalten und bekräftigt wurden, stellen die UNO-Prinzipien für ältere Menschen von 1991 dar. Darin wird die Staatengemeinschaft aufgefordert, einige zentrale Grundsätze anzuerkennen, so etwa in Bezug auf den Status, die Förderung der Unabhängigkeit, Partizipation, Betreuungsqualität, Selbstentfaltung und Würde älterer Menschen.

Ein weiteres Dokument, welches die Rechte der älteren Menschen durch Empfehlungen an die Staaten zu stärken versucht, ist der internationale Aktionsplan von Madrid über das Altern, der 2002 anlässlich der 2. Weltkonferenz über das Altern erlassen wurde.

Aktive UNO-Ausschüsse

In den letzten zwanzig Jahren bemühten sich auch einzelne UNO-Vertrags-Ausschüsse, die Rechte von älteren Personen explizit in ihre Auslegungen der Menschenrechtsverträge einzubeziehen. Den Beginn machte 1995 der UNO-Sozialrechtsausschuss. In seinem General Comment Nr. 6 äussert sich der Ausschuss ausschliesslich zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von älteren Menschen. Es folgte 2008 der Ausschuss zur Verhütung von Folter und andere grausame, unmenschlichen und erniedrigende Behandlung (CAT). Er hielt im General Comment zum absoluten Folterverbot fest, dass Institutionen, in denen alte Menschen betreut werden, in den Wirkungsbereich der Konvention fallen. Danach veröffentlichte der Ausschuss gegen Frauendiskriminierung 2010 eine General Recommendation, welche sich zum Einfluss des Alters auf die Diskriminierung von Frauen äusserte.

Erwartungen nicht erfüllt

Der Madrider Plan (vgl. oben) erfüllte die Erwartungen nicht, wie 2010 UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in einem Bericht zuhanden der Generalversammlung festhielt. Auf Staatenebene seien die bisher getroffenen Massnahmen zum besseren Schutz der Alten ungenügend. Daher müsse das internationale Schutzsystem über die bestehenden rechtlich nicht bindenden Instrumente hinaus gestärkt werden. Die Folge dieses Appells war ein vermehrter Fokus diverser UNO-Gremien auf die Rechte älterer Personen. So befassten sich das UNO-Hochkomissariat für Menschenrechte sowie zwei Sonderberichterstatter mit der Thematik.

Arbeitsgruppe der UNO-Generalversammlung

Mit Beschluss der Generalversammlung 2010 (Res 65/182) hat die UNO eine open-ended working group on ageing geschaffen, welche eine neue Konvention als eine von mehreren Möglichkeiten prüfen sollte. Seit 2011 befasst sich parallel dazu The Global Alliance for the rights of older people, ein internationaler Zusammenschluss verschiedener Nichtregierungsorganisationen, mit den Grundlagen für eine neue UNO-Konvention.

Auftrag zur Ausarbeitung einer Konvention

Die working group on ageing hatte den Auftrag allfällige Lücken im internationalen Rechtsrahmen für den Schutz der Menschenrechte von alten Personen zu identifizieren und festzustellen, wie diese am besten angegangen werden. Die Arbeitsgruppe erhielt ausdrücklich die Kompetenz, Notwendigkeit und Machbarkeit weiterer Instrumente und Massnahmen zu prüfen. Vorerst zeichnete sich ab, dass die Forderung nach einer Konvention über die Rechte älterer Personen unter den Staaten keine Mehrheit finden würde. Ungeachtet der ablehnenden Haltung der UNO-Arbeitsgruppe verabschiedete die 67. UNO-Generalversammlung jedoch 2012 eine Resolution, welche der Arbeitsgruppe den Auftrag erteilte, ein rechtlich verbindliches Dokument für die Rechte von älteren Personen auszuarbeiten (Res 67/139).

Im Juli 2015 fand die 6. Session der Arbeitsgruppe statt. Die anwesenden Experten/-innen aus verschiedenen Staaten, von NGOs und der UNO besprachen die Probleme bei der Umsetzung und die Lücken der aktuellen internationalen Instrumente. Die Teilnehmer/innen waren sich einig, dass Handlungsbedarf besteht. Allerdings herrschte weiterhin Uneinigkeit darüber, ob hierzu ein neues internationales rechtliches Instrument benötigt wird oder ob lediglich die Umsetzung des bestehenden Schutzsystems verbessert werden sollte.

Die mittlerweile achte Session der Arbeitsgruppe fand vom 05. bis 07. Juli 2017 in New York statt. Bemerkenswert war die aktive Mitarbeit von neun nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NMRI), welche durch einen Beschluss im Rahmen der siebten Session der Arbeitsgruppe ermöglicht wurde.

Diskutiert wurde an der achten Session über die beiden Schwerpunktthemen «Altersdiskriminierung und Gleichheit» sowie «Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung von Älteren». Craig Mokhiber aus dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte äusserte sich dahingehend, dass Ältere im Menschenrechtsschutzsystem weitgehend unsichtbar seien. So sei beispielsweise das Diskriminierungsmerkmal «Alter» in fast keiner Konvention enthalten, was auf eine offensichtliche Lücke hindeute. Dieser Missstand kann, gemäss Mokhiber, nur durch eine neue UNO-Konvention behoben werden. Solche massgeschneiderten Konventionen brächten grosse Fortschritte, wie am Beispiel der UN-Behindertenrechtskonvention leicht erkennbar sei.

Als weiterer Problembereich wurde die Gewaltausübung gegen Ältere identifiziert. Gemäss Rosa Kornfeld-Matte, unabhängige Expertin des UNO-Menschenrechtsrates, handle es sich dabei um ein weltweites Problem, welches sich oft im Verborgenen abspiele. Gewalt gegen Ältere werde einerseits oft als normal angesehen und andererseits sei es für die Betroffenen schwierig sich zur Wehr zu setzten. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Betroffenen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Gewaltanwendenden stünden.

Neuste Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegen, dass jede sechste Person im Alter von über 60 Jahren in dieser Lebensphase bereits von Gewalt betroffen war. Überproportional oft sind ältere Flüchtlinge und ältere Frauen unter den Opfern. Dabei kommt es nicht nur im familiären Kontext zu Gewaltanwendungen, sondern auch im Pflegebereich. Hier brauche es ein intensiveres Monitoring von Pflegeinstitutionen. Ebenfalls notwendig seien Trainings und Bewusstseinsbildung betreffend der Rechte Älterer sowie über verbotene Gewaltausübung, denn oftmals sei das nötige Wissen bei allen Beteiligten nicht vorhanden. 

Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass eine intensivere Datenerhebung, die Entwicklung von Indikatoren zu den Gewalttatbeständen, Präventionsmassnahmen und eine präzise Definition von Gewalt unabdingbar seien für die Weiterarbeit. Für die neunte Session im Juli/August 2018 wurden zudem die Themenschwerpunkte «Autonomie und Eigenständigkeit/Unabhängigkeit» sowie «Langzeitpflege und Palliativpflege» festgelegt.

Unabhängige Expertin des UNO-Menschenrechtsrates

Der UN-Menschenrechtsrat schuf am 27. September 2013 das Mandat für eine unabhängige Expertin für die Menschenrechte älterer Personen (Res 24/20). Rosa Kornfeld Matte aus Chile ist seit Mai 2014 Trägerin dieses Mandats. Sie hat den Auftrag, die Umsetzung der Menschenrechte von älteren Menschen zu fördern. Hierzu erhält Sie regelmässig Informationen von Staaten, NGOs und der Zivilgesellschaft. Zudem kann Sie Berichte und Empfehlungen abgeben.

In ihrem Statement zum internationalen Tag von älteren Menschen ruft die Spezialberichterstatterin am 01. Oktober 2017 die Staatengemeinschaft dazu auf, ihre Suche nach effektiven Möglichkeiten zum Schutz der Menschenrechte älterer Personen zu intensivieren und dabei auch die Entwicklung eines internationalen Instruments nicht ausser Acht zu lassen.