25.05.2010
In der Schweiz fehlen im Gesundheitsbereich ausgebildete Arbeitskräfte. Diese werden in andern europäischen Nachbarstaaten rekrutiert. Dadurch entsteht ein Dominoeffekt, welcher das Recht auf Gesundheit von Menschen in ärmeren Staaten gefährdet. Nun haben die Staaten an einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erste Schritte unternommen, um diesem Trend entgegen zu wirken.
Verpflichtungen ergeben sich aus internationalen Verträgen
In den schweizerischen Spitälern und Heimen arbeiten sehr viele ausländische Pflegende und Mediziner*innen. Mit Vorliebe werden sie in Deutschland rekrutiert, dort wiederum wird das medizinische Personal mit Arbeitskräften aus Osteuropa aufgestockt. In Bulgarien etwa verlassen jährlich 1800 Krankenschwestern ihr Land, um in einem andern EU-Staat zu arbeiten, wie bulgarischen Quellen zu entnehmen ist. Dies führt zu einem grossen Mangel an Personal im osteuropäischen Staat. Noch mehr medizinische Arbeitskräfte fehlen aus verschiedenen Gründen in südlichen Ländern. Ein immer wichtiger werdender Grund ist nun offenbar, dass auch hier entsprechendes Personal abwandert in Regionen, wo eine bessere Bezahlung winkt. Das Nachsehen haben die Menschen, welche in Entwicklungsländern leben und deren Aussicht auf bessere medizinische Versorgung durch diesen Trend sehr gering ist.
Internationale Abkommen wie der UNO-Sozialpakt halten allerdings die Vertragsstaaten an, Voraussetzungen zu schaffen, damit für jedermann im Krankheitsfall der Genuss medizinischer Einrichtungen und ärztlicher Betreuung sicher gestellt ist (Art. 12 Abs 2, UNO-Pakt I). Es ist klar, dass ein Staat, welcher wenig entwickelt ist, hier kaum Handlungsmöglichkeiten hat, ausser die industrialisierten und besser gestellten Nationen halten sich an gewisse Regeln.
Verhaltenskodex auch für die Schweiz
Die Abwanderung von Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern in Industriestaaten habe alarmierende Ausmasse angenommen, hält die WHO fest. Dies habe in den armen Ländern einen akuten Personalmangel im Gesundheitssektor zur Folge, insbesondere in den Ländern südlich der Sahara. Die Generalversammlung verabschiedete deshalb am 21. Mai 2010 in Genf einen Leitfaden für die Anstellung von Personal im Gesundheitswesen. Staaten und Arbeitgeber sind aufgefordert, fortan nicht mehr aktiv in armen Ländern medizinisches Personal zu rekrutieren. Ausländisches Personal sollte gemäss dem Leitfaden zudem die gleichen Rechte und Pflichten haben wie Einheimische. Auch die Schweiz stimmte dem nicht bindenden Verhaltenskodex zu.
Das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz (MMS) hat mit Genugtuung von der Verabschiedung des Leitfadens Kenntnis genommen. Der Kodex sehe Massnahmen vor, die den Interessen des betroffenen Personals wie auch der Herkunfts- und Zielländer der Migration dienen. Das MMS will sich dafür einsetzen, dass die Empfehlungen dieses Verhaltenskodex Eingang in die schweizerische Gesundheits- und Entwicklungspolitik finden.
Dokumentation
- Gesundheitspersonal: Globaler Mangel
Dossier von Medicus Mundi - Regeln gegen Nurse-Drain
NZZ Online, 21. Mai 2010 - Globaler Rahmen gegen den Diebstahl von Gesundheitspersonal: Die Schweiz ist gefordert
Medienmitteilung von Medicus Mundi, 21. Mai 2010 - International recruitment of health personnel: draft global code of practice
Entwurf des WHO-Kodexes vom 15. April 2010 (in Englisch, pdf 14 S.) - Bulgaria Faces Care Crisis over EU Nurse Drain
Artikel vom März 2010 auf novinite.com, Sofia News Agency