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Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» abgelehnt

11.02.2014

 

Am 9. Februar 2014 hat das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» mit 69,8 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt. Das Nein-Komitee begrüsste den Entscheid als «deutliches Signal für die Fristenregelung». Der Bundesrat und die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen hatten die Volksinitiative zur Ablehnung empfohlen.

Die Initiative

Das Begehren wurde am 4. Juli 2011 von einem überparteilichen Komitee mit 110‘000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Zum Ziel hatte die Initiative, die Finanzierung der Abtreibung aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenversicherung zu streichen. Sie suggerierte damit, dass die bereits tiefe Abtreibungsrate gesenkt würde. Die Argumentationsweise wirkte vorgeschoben und entbehrte jeglicher Grundlage. Stattdessen beeinträchtigte die Initiative das Recht der Frauen auf den höchstmöglichen Stand an Gesundheit sowie das Diskriminierungsverbot.

  • privatsache.ch (online nicht mehr verfügbar)
    Website des Initiativkomitees
  • nein-angriff-fristenregelung.ch (online nicht mehr verfügbar)
    Website des Nein-Komitees

Die Ausgangssituation

Die Initiative hat eine alte Diskussion unter einem neuen Deckmantel aufgegriffen. Vor über 10 Jahren sprachen sich die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit einem Ja-Anteil von mehr als 72 Prozent deutlich für die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch aus. Die Fristenregelung brachte den Frauen das Recht auf eigenverantwortlichen Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft, wobei die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung für den entsprechenden Eingriff expliziter Bestandteil der Abstimmungsvorlage war. Damit wurde die Gleichbehandlung aller Frauen - ungeachtet ihrer finanziellen Möglichkeiten - sichergestellt. Die damals festgelegten Voraussetzungen zum straflosen Schwangerschaftsabbruch sind in Art. 119 StGB geregelt. Hiernach ist ein Schwangerschaftsabbruch straflos, wenn er entweder nach ärztlichem Urteil notwendig ist, um eine schwerwiegende körperliche Schädigung oder eine schwere seelische Notlage der Frau abzuwenden, oder wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird.

Zehn Jahre später stand fest, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nicht gestiegen und die Abbruchrate in der Schweiz die niedrigste in ganz Europa war. Damit hatte sich die Fristenregelung sehr gut bewährt. Zudem hätte die Streichung der Leistungspflicht kaum wesentliche Kosteneinsparungen gebracht. Angesichts dieser Fakten stand die Initiative völlig quer in der Landschaft, suggerierte sie doch, dass danach weniger Abtreibungen stattfinden würden und dass die Krankenkassenprämien gesenkt werden könnten.

Stellungnahme der EKF

In einer Stellungnahme vom September 2012 lehnte die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF die Initiative klar ab und unterstützte damit die Haltung des Bundesrates, der die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfahl. Gemäss EKF stellt die Initiative einen Rückschritt für die Rechte der Frauen in der Schweiz dar, der inakzeptabel ist. Eine Annahme dieser Initiative führte nicht zu einer Kostensenkung, sondern zu einer Stigmatisierung der legalen Schwangerschaftsabbrüche. Die EKF wies darauf hin, dass finanziell oder sozial benachteiligten Frauen der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch erschwert worden wäre, was eine Gefährdung der Gesundheit dieser Frauen bedeutet. Es könne nicht sein, dass sich einige eine aus medizinischer Sicht sichere Abtreibung leisten können, andere aber nicht. Zudem verstosse die Initiative gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 8 BV, weil sie die Männer aus der finanziellen Mitverantwortung entlässt und somit direkt die Frauen diskriminiert. Die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche fallen im Vergleich zur Gesamtheit der Versicherungsleistungen nicht ins Gewicht und stehen gemäss der EKF somit in keinem Verhältnis zur Belastung, die den Frauen aufgebürdet würde.

Stellungnahme von Amnesty International

Gemäss Amnesty International AI gefährdete die Initiative grundlegende Menschenrechte und sollte deshalb abgelehnt werden. «Einschränkungen des Zugangs zu Abtreibung führen nirgends auf der Welt zu weniger Abtreibungen, sondern zu mehr Abtreibungen unter gefährlichen Bedingungen», so die AI-Genderbeauftragte Stella Jegher in einer Stellungnahme vom Dezember 2013. Könnten legale Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr über die Krankenkasse finanziert werden so habe dies lediglich zur Folge,

  • dass der Zugang zum legalen, ärztlich begleiteten Schwangerschaftsabbruch für mittellose Frauen erschwert bis verunmöglicht wird;
  • dass Frauen, die sich keinen fachlich begleiteten Schwangerschaftsabbruch leisten können, zu anderen Methoden der Abtreibung greifen und damit ihre Gesundheit gefährden werden;
  • dass der schicht- und geschlechterübergreifende Solidaritätsgedanke, der der Krankenversicherung zugrunde liegt, zugunsten einer diskriminierenden Regelung untergraben wird, und Männer aus der Mitverantwortung entlassen werden.

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