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Grundsätzliches zur Administrativhaft von Ausländer*innen

27.09.2016

Der Migrationsdruck stellt die Schweiz wie viele andere europäische Staaten vor erhebliche Herausforderungen. Gesetzgeberische Massnahmen zielen seit langem darauf, den Vollzug einer Wegweisung von Ausländer*innen zwangsweise durchzusetzen, wenn eine bestehende Verpflichtung zur Ausreise nicht befolgt wird. Das Ausländergesetz (AuG) erlaubt es den Behörden, Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung und abgewiesene Asylsuchende bis zu 18 Monate in Haft zu nehmen, ohne dass diese straffällig geworden wären. Jedes Jahr sind Tausende von Ausländer*innen von einer solchen «ausländerrechtlichen Administrativhaft» betroffen.

Was ist eine Administrativhaft?

Die ausländerrechtliche Administrativhaft dient nicht der Untersuchung oder Bestrafung einer Straftat im Sinne des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB). Es handelt sich um eine Haft, die die Weg- oder Ausweisung einer Person aus der Schweiz garantieren und deren Untertauchen verhindern soll. Sie wird angeordnet, um den Wegweisungsentscheid auch gegen den Willen der betroffenen Person zu vollziehen oder auf die betroffene Person hinsichtlich der Ausreiseverpflichtung einzuwirken. Die Administrativhaft ist im Ausländergesetz geregelt und wird durch die zuständige kantonale Vollzugsbehörde angeordnet. Gesetzmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Haft müssen innerhalb von 96 Stunden von einer richterlichen Behörde überprüft werden (Art. 80 Abs. 2 AuG).

Die Administrativhaft - Eine Geschichte der Verschärfungen

Im Jahr 1986 wurde die bis dahin in der Schweiz zulässige, aber von Menschenrechtsgruppen und der «Europäischen Kommission für Menschenrechte» in Strassburg zunehmend kritisierte Internierung abgewiesener Asylsuchender durch die zunächst für höchstens dreissig Tage zulässige Ausschaffungshaft ersetzt. Seit dem 1. Februar 1995 galt für die Ausschaffungshaft eine Höchstdauer von neun Monaten; die gleichzeitig eingeführte Vorbereitungshaft ermöglichte es, ausländische Personen bereits während des Verfahrens über ihre Aufenthaltsberechtigung für drei Monate zu inhaftieren. Mit der Teilrevision des Asylgesetzes von 2005 wurden die Haftbestimmungen weiter verschärft: Die Dauer der Ausschaffungshaft wurde auf 18 Monate und die der Vorbereitungshaft auf sechs Monate verlängert; neu eingeführt wurde die Durchsetzungshaft. Im Rahmen der Übernahme der Dublin III-Verordnung wurden 2015 verschiedene Anpassungen des AuG vorgenommen. Neu kann eine Haft im Rahmen des Dublin -Verfahrens «nur» bei Gefahr des Untertauchens und «nur» für maximal sechs Wochen angeordnet werden. Da dies dem Bundesrat zu kurz erschien, wurde mit Art. 76a AuG eine neue Haft wegen unkooperativen Verhaltens für das Dublin-Verfahren eingeführt.

Die Vielfalt der Haftformen

Die Bedeutung, die der Schweizer Gesetzgeber der Inhaftierung von Personen als ausländerrechtlichem Instrument zuweist, zeigt sich schon in der Vielzahl der mittlerweile bestehenden Haftformen. Differenziert wird zwischen:

  • Vorbereitungshaft während der Vorbereitung eines Entscheides über die Aufenthaltsberechtigung (Art. 75 AuG). Diese Haftform umfasst nur etwa 2 % der Administrativhaftfälle, erscheint aber als besonders problematisch, da sie Menschen betrifft, deren Wegweisung noch nicht einmal verfügt wurde und womöglich auch nie verfügt werden wird.
  • Ausschaffungshaft gegen Personen, gegen die bereits ein erstinstanzlicher Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (Art. 76 AuG). Dabei handelt es sich um die häufigste Form der Administrativhaft. Davon betroffen sind vor allem abgewiesene Asylsuchende sowie aufgegriffene Sans-Papiers, bei denen die Behörde entschieden hat, dass sie die Schweiz verlassen müssen.
  • «Kleine Ausschaffungshaft» gegen Personen, gegen die ein vollstreckbarer Entscheid vorliegt und für welche die Behörde die Papiere beschaffen musste (Art. 77 AuG). Die «kleine Ausschaffungshaft» ist höchstens für eine Maximaldauer von 60 Tagen zulässig.
  • Dublin-Haft gegen Personen, für deren Asylgesuch ein anderer Dublin-Staat zuständig ist (Art. 76a AuG). Diese Haftform erscheint besonders problematisch, wenn eine Person nach dem Dublin-Abkommen in einen Dublin-Staat zurückgeschafft werden soll, in dem ihre menschenrechtskonforme Behandlung nicht sichergestellt ist.
  • Durchsetzungshaft gegen Personen, die eine Weg- oder Ausweisung auf Grund ihres persönlichen Verhaltens verhindern (Art. 78 AuG). Sie kommt zur Anwendung, nachdem die betroffene Person den im Entscheid angeordneten Termin für die Ausreise nicht wahrgenommen und jegliche Kooperation mit den Behörden zur Organisation der Ausreise verweigert hat. Die Durchsetzungshaft dauert im Vergleich zu den anderen Aufgaben besonders lange; in 78 % der Fälle wird der mit ihr bezweckte Erfolg, den betreffenden Ausländer zur Ausreise zu bewegen, nicht erreicht.

Insgesamt darf die Gesamtdauer der Administrativhaft sechs Monate nicht überschreiten (Art. 79 Abs. 1 AuG). Die Maximaldauer kann jedoch mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde um zwölf Monate verlängert werden, wenn die betroffene Person nicht mit der zuständigen Behörde kooperiert oder sich die Übermittlung der für die Ausreise erforderlichen Unterlagen durch einen Staat, der kein Schengen-Staat ist, verzögert (Art. 79 Abs. 2 AuG).

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Inhaftierung

Sowohl die Schweizer Bundesverfassung als auch die in der Schweiz unmittelbar geltende Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) schützen die persönliche Freiheit. Ob eine Massnahme als Einschränkung der persönlichen Freiheit gem. Art. 10 Abs. 2 BV oder als Freiheitsentzug gem. Art. 31 Abs. 4 BV zu qualifizieren ist lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur im Einzelfall beurteilen; in der Praxis besteht oft nur ein gradueller Unterschied. Art. 5 EMRK schützt lediglich Freiheitsbeeinträchtigungen von einer gewissen Dauer, die jedoch von einer ausländerrechtlichen Administrativhaft in der Regel erreicht wird. Art. 5 EMRK, der in Administrativhaftfällen vom Schweizer Bundesgericht unmittelbar angewendet wird, enthält eine erschöpfende Aufzählung von zulässigen Gründen für eine Inhaftierung, zu denen nach Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK die Verhinderung der unerlaubten Einreise oder die Erleichterung der Abschiebung einer Person zählt. Die Vorschrift gestattet die Inhaftierung nur wegen der Nichtbefolgung einer bereits ergangenen, rechtmässigen gerichtlichen Anordnung, zur Durchsetzung einer gesetzlichen Verpflichtung und zur Verhinderung einer drohenden Gesetzesverletzung. Ob sich eine bestimmte Form der Administrativhaft mit der Bundesverfassung bzw. der EMRK vereinbaren lässt, ist im Einzelfall umstritten.

Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Administrativhaft im Einzelfall auf verfassungsrechtliche Grundlagen stützen lässt, ist sie damit noch lange nicht zulässig. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass sie auch verhältnismässig ist. Nach Art. 36 Abs. 3 BV ist jeder Grundrechtseingriff nur dann zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht. Dieser ist bei jeder Massnahme, die eine Inhaftierung betrifft, zu beachten, so dass nicht nur die erstmalige Anordnung einer Administrativhaft, sondern auch deren Verlängerung oder Überprüfung zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt verhältnismässig sein muss.

Voraussetzung dafür ist, dass die jeweilige Massnahme geeignet und erforderlich ist, um den mit ihr verbundenen Zweck zu erreichen. Sinn und Zweck der Administrativhaft ist alleine die Sicherstellung des Wegweisungsvollzuges. Ist dieser Zweck nicht (mehr) zu erreichen, erweist sich die Haft als ungeeignet. Stehen mildere Mittel zur Verfügung ist die Inhaftierung nicht erforderlich und deshalb unverhältnismässig.

Die Verhältnismässigkeit der Haft ist oft umstritten

Selten liegen die vom Gesetzgeber erklärte Absicht und die Wirkung einer gesetzlich angeordneten Massnahme so weit auseinander wie im Falle der ausländerrechtlichen Administrativhaft. Dies zeigt etwa das Beispiel der Durchsetzungshaft gemäss Art. 78 AuG. Da sie in 78 % der Fälle nicht zum beabsichtigten Erfolg, der Ausreise der betroffenen Person, führt, erscheint ihre Verhältnismässigkeit und damit ihre Vereinbarkeit mit der BV wie der EMRK schon a priori fraglich.

Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist Zusammenhang der Administrativhaft nur gewahrt, wenn eine Haft auf das Notwendigste beschränkt und nur dann verlängert wird, wenn Aussichten auf einen Wegweisungsvollzug bestehen. Je länger daher eine ausländerrechtlich motivierte Festhaltung dauert und je weniger die Ausschaffung absehbar erscheint, desto kritischer ist die jeweilige Haftverlängerung unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit zu hinterfragen (BGE 135 II 105, E. 2.1 und 2.2).

Es ist fraglich, ob bei der Haftüberprüfung und im Moment der Verlängerung der Haft deren Verhältnismässigkeit genügend vertieft geprüft wird. In der Praxis gleichen die Haftverhandlungen oft vielmehr einem strikt vorgegebenen administrativen Ablauf, dessen Ausgang bereits von Vornherein bestimmt ist.

Die Administrativhaft darf nur ultima ratio sein

Das Verhältnismässigkeitsprinzip schliesst eine Inhaftierung aus, wenn das damit verfolgte Ziel, die Ausschaffung des betroffenen Ausländers, auch mit milderen Mitteln erreicht werden könnte. Für Inhaftierungen folgt daraus, dass es der Schutz der Menschenrechte des Betroffenen gebietet, den mit einer freiheitsentziehenden Massnahme verbundenen schweren Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit stets nur als letztes Mittel und damit als ultima ratio zu ergreifen.

Das ultima ratio Prinzip ist im europäischen Recht ausdrücklich geregelt. Artikel 15 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, die auch für die Schweiz anwendbar ist, erklärt die Inhaftierung einer Person nur für rechtmässig «sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmassnahmen wirksam angewandt werden können.» Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) prüft jeweils, ob eine weniger intensive Massnahme als die Inhaftnahme hätte angewandt werden können. So war der Gerichtshof in der Rechtssache Mikolenko gegen Estland der Auffassung, dass den Behörden andere Massnahmen zur Verfügung gestanden hätten, als den Beschwerdeführer über längere Zeit zu inhaftieren, obwohl keine sofortige Aussicht auf seine Ausschaffung bestand.

Für die Dublin-Haft sieht Art. 76a AuG, der im Zuge der Umsetzung der Dublin III-Verordnung geschaffen worden ist, unter explizitem Verweis auf deren Art. 28 Abs. 2 vor, dass die Haft nur zulässig ist, wenn keine weniger einschneidende Massnahme zur Verfügung steht. Das Bundesgericht hat zudem festgehalten, dass eine Inhaftierung nicht schon erfolgen darf, weil eine Person bereits in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt hat. Vielmehr brauche es konkrete Anzeichen, dass der Betreffende abtauchen wolle (Urteil 2C_207/2016 vom 2. Mai 2016).

In der Schweiz ist die Diskussion um mildere Alternativen zum ausländerrechtlichen Freiheitsentzug nur wenig entwickelt. Den Vorgaben des europäischen Rechts steht vielmehr die Schweizer Rechtsordnung gegenüber, die eine exzessive Anzahl von Gründen auflistet, aus denen die Behörden eine*n Ausländer*in inhaftieren können.

Zwischen Vollzugsmittel und präventiver Sanktion

Die ausländerrechtliche Haft sollte als Administrativmassnahme nur den Vollzug der Wegweisung sicherstellen. Sie darf daher weder dazu dienen, den Widerstand des Auszuschaffenden zu brechen, noch präventiv der Begehung von Straftaten entgegenwirken oder selbst als Strafe wirken.

Vor diesem Hintergrund ist die strafende Wirkung problematisch, die eine Administrativhaft entfalten kann. Oft knüpfen die Haftgründe an nachgewiesenes oder auch nur vermutetes strafbares Handeln der Betroffenen an. So kann sowohl die Vorbereitungs- als auch die Ausschaffungshaft einer Person angeordnet werden, die wegen eines Verbrechens verurteilt wurde (Art. 75 Abs. 1 lit. h AuG und Art. 76 Abs. 1 lit. b AuG). Dies ermöglicht es den Behörden direkt im Anschluss an die strafrechtliche Haft eine weitere, ausländerrechtliche Haft anzuordnen, um die Durchführung des Wegweisungsverfahrens sicherzustellen. Zudem wird bei einem straffällig gewordenen Ausländer - unabhängig davon, ob es sich um ein Verbrechen handelt und ob deswegen eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde - oft davon ausgegangen, er werde untertauchen und sich der Wegweisung entziehen und daher eine Ausschaffungshaft angeordnet (vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff 3 und 4 AuG).

In diesen Fällen wirkt die Administrativhaft zumindest strafähnlich und wird von den betroffenen Personen – nachvollziehbarerweise – als doppelte Bestrafung empfunden, nachdem die strafrechtliche Handlung bereits sanktioniert worden ist.

Der unterschiedliche Wert der Freiheit

Der mit einer Administrativhaft verbundene oft mehrmonatige Freiheitsentzug ohne strafrechtliche Verurteilung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Betroffenen und kaum mit öffentlichen Interessen zu rechtfertigen. Es gibt weitaus gewichtigere öffentliche Interessen als den Vollzug einer Wegweisung – etwa die Ahndung von Straftaten.

Im Strafrecht entspricht die Sanktion von 18 Monaten Haft, wie sie im Fall der Administrativhaft verhängt werden kann, der Sanktion für ein mittelschweres Delikt. Bei Ersttätern werden zudem unbedingte Freiheitsstrafen immer mehr durch Geldstrafen oder gemeinnützige Arbeit ersetzt.

Auch vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu paradox, dass ein*e Ausländer*in wegen des Vollzugs einer verwaltungsrechtlichen Massnahme für 18 Monate in Haft genommen werden kann. Lassen sich schon Straftäter zumindest durch wiederholte Verhängung von Haft kaum noch beeindrucken, ist dies bei Menschen, die aus ihrer Sicht nichts zu verlieren haben als ihren Aufenthalt in der Schweiz, noch weniger zu erwarten. Dass sie dennoch oft für längere Zeit in Haft genommen werden, zeigt, wie im Bezug auf die Freiheit des Menschen mit zweierlei Mass gemessen wird. Deutlich wird dies auch durch die Überlegung, dass kaum ein Fall vorstellbar ist, bei dem ein/e Schweizer/in für bis zu 18 Monate inhaftiert würde, um ihn/sie zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zu bewegen.

Hohe Kosten – geringer Nutzen

Während die Administrativhaft für die Betroffenen mit einer massiven Beeinträchtigung ihres Rechts auf Freiheit verbunden ist, verursacht sie für die Gesellschaft vor allem Kosten. Alleine das Ausschaffungsgefängnis am Flughafen Zürich-Kloten kostet beispielsweise pro Jahr etwa 6,8 Millionen Franken. Diesen Kosten steht ein fragwürdiger Nutzen der Massnahme gegenüber.

Eine Bestandsaufnahme im Jahr 2005 zeigte, dass die Bereitschaft zur Rückkehr immer geringer wird, je länger die Haft andauert. Wenn diese überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten kann, ist dies vor allem durch den «Schock der Inhaftierung» in den ersten Tagen der Fall. Viele Ausländer*innen dürften jedoch eine Haft in der Schweiz als weniger bedrohlich empfinden als eine Rückkehr in das Land, aus dem sie unter hohen Kosten und mit erheblichem Risiko geflohen sind. Diese Überlegungen legen es nahe, eine wesentlich kürzere Dauer der Administrativhaft vorzusehen.

Vorgaben für die Haftbedingungen

Das Europäische Komitee zur Verhütung der Folter (CPT) veröffentlichte im März 2017 ein Factsheet zur Administrativhaft. Das CPT hält fest, dass Administrativhaft gemäss Art.5 EMRK zulässig sei, wenn eine Ausschaffung in Aussicht steht oder eine illegale Einreise verhindert werden soll. Sie ist keine Sanktion oder Bestrafung, sondern administrativer Natur.

Die Inhaftierung soll gemäss dem Factsheet nur als letztes Mittel angeordnet und im Einzelfall geprüft werden. Eine Trennung der Familie durch eine administrative Inhaftierung sollte, falls irgendwie möglich, verhindert werden. Schliesslich wird empfohlen, Asylsuchende nicht zusammen mit Ausländern*innen zu inhaftieren, die keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.

Zum Schutz des Inhaftierten müssen seine Grundrechte gewahrt werden. Dies beinhaltet insbesondere den Zugang zu einem Anwalt und die Möglichkeit, andere Parteien über die Inhaftierung zu informieren. Den inhaftierten muss ein Recht auf Gehör gewährleistet werden und eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt werden. Auch muss der Zugang zu einer adäquaten medizinischer Behandlung gegeben sein. Von grosser Wichtigkeit ist die Aufklärung über diese Rechte und die Möglichkeit, während des Vollzugs mit der Aussenwelt in Kontakt zu bleiben. Nicht nur der Besuch der Familie und des Anwalts, sondern auch die Beratung durch NGO’s muss jederzeit möglich sein.

Die Zeitspanne der Inhaftierung sollte möglichst kurz gehalten werden. Ein Gefängnis ist in jedem Fall eine ungeeignete Unterkunft, da die Inhaftierten weder einer Straftat verdächtigt, noch verurteilt worden sind. Geeignet für Administrativhaft sind einzig hierfür eingerichtet Institutionen.

Die Betroffenen sollten in ihrer Bewegungsfreiheit so wenig als möglich eingeschränkt werden. Je länger eine Person festgehalten wird, desto ausgeprägter sollten die Beschäftigungsmöglichkeiten sein. Solche Aktivitäten können Sprachkurse, Gartenarbeit oder Kochen beinhalten. Weiter sollten Administrativhaft-Institutionen einen Tagesraum zur Verfügung stellen, in welchen Fernseher und Zeitungen, Spielmöglichkeiten, eine Bibliothek und ein Gebetsraum zugänglich sind.

Von Bedeutung sind auch die Kompetenzen der Betreuungspersonen. Kommunikation und eine kulturelle Sensibilität sind vorausgesetzt. In Unterkünften mit weiblichen Inhaftierte müssen auch weibliche Angestellte vor Ort.

Für besonders verletzliche Gruppen (Kinder, Opfer von Folter, Menschenhandel, stillende Mütter, ältere Menschen und behinderte Menschen) muss eine Einrichtung ausgewählt werden, welche den besonderen Bedürfnissen der Betroffenen entspricht.

Haftbedingungen in der Schweiz

Aus Menschenrechtssicht ist es also unabdingbar, dass sich das Haftregime der Ausschaffungshaft von anderen Haftformen unterscheidet, weil Administrativhäftlinge nicht wegen einer Straftat, bzw. einer gerichtlichen Verurteilung in Haft sind. Nach Art. 81 Abs. 2 AuG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Personen in ausländerrechtlicher Administrativhaft daher von Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug zu trennen.

Kantonale Unterschiede

Der Freiheitsentzug von Ausländern*innen ohne Aufenthaltsrecht ist kantonal organisiert. Einzelne Kantone haben spezielle Ausschaffungsgefängnisse. Ein Grossteil der Administrativhäftlinge ist jedoch in Regionalgefängnissen, also in «normalen» Haftanstalten, untergebracht. Mehrere Kantone verfügen zwar über besondere Abteilungen für Administrativhäftlinge, in denen Freiheit und Mobilität etwas weniger eingeschränkt sind als bei einem klassischen Haftregime. Die kantonalen Unterschiede bezüglich Haftregime, -infrastruktur und -organisation sind jedoch gross.

Vielfältige Defizite

Die Haftbedingungen in den Anstalten, in denen Administrativhäftlinge unterkommen, sind nicht angemessen, wie in den vergangenen Jahren mehrere Menschenrechtsgremien aus dem In- und Ausland (so insbesondere die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter sowie das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) festgestellt haben. Selbst in eigens für die Ausschaffungshaft vorgesehenen Anstalten ist die Bewegungsfreiheit der Insassen nicht ausreichend. Die sozialen Kontakte nach aussen sollten für Betroffene garantiert sein, was nicht immer der Fall ist. Regelmässige Suizide verdeutlichen die Ausnahmesituation, in der sich Menschen befinden, die inhaftiert wurden, ohne eine Straftat begangen zu haben.

In der Schweiz sind in zahlreichen Ausschaffungsgefängnissen die Haftbedingungen unzweckmässig und unverhältnismässig. Es besteht daher ein grosser Handlungsbedarf bei der Bereitstellung eines gesonderten Haftregimes für die Ausschaffungshäftlinge, soweit überhaupt Administrativhaft verhängt werden soll.

Der «Teufelskreis Administrativhaft»

Die massiven rechtlichen und empirisch begründeten Bedenken gegen die Administrativhaft scheinen die Schweizer Behörden wenig zu beeindrucken. Im Jahr 2013 wurde beschlossen, weitere 500-700 Administrativhaftplätze zu schaffen. Auch andere Freiheitsbeschränkungen für Asylsuchende, die bestimmte öffentliche Bereiche nicht betreten oder aber ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen dürfen, sprechen dafür, dass in Bezug auf die persönliche Freiheit in der Schweiz mit zweierlei Mass gemessen wird.

Nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen führen derartige Freiheitsbeeinträchtigungen jedoch ebenso wenig zum gewünschten Ergebnis wie die Administrativhaft. Wer das Land nicht verlassen kann oder will, erduldet die Administrativhaft und taucht anschliessend unter. Mit dem viel zu kleinen Nothilfegeld ist ein Überleben kaum möglich, ohne wiederum in einen Zirkel von Straffälligkeit und Haft zu gelangen. Angesichts der hohen Kosten und der vielfältigen menschenrechtlichen Problematiken der ausländerrechtlichen Administrativhaft wäre die Schweiz daher besser beraten, neue Wege in der Migrationspolitik zu beschreiten. Statt Menschen zu inhaftieren, um sie mit wenig Aussicht auf Erfolg zur Rückkehr in ein Land zu bewegen, das sie aus meist guten Gründen verlassen haben, wären die dafür erforderlichen Aufwendungen wesentlich besser in effektive Integrationsmassnahmen investiert.

Dokumentation zur ausländerrechtlichen Administrativhaft