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UNO-Ausschuss rügt Schweiz wegen Nichteintretens aufgrund von Papierlosigkeit

05.06.2008

Seit 2007 gilt in der Schweiz das revidierte Asylgesetz, welches aus Sicht der Menschenrechte mehrere problematische Regelungen im Umgang mit Asylsuchenden vorsieht. Im Zentrum der Kritik von Menschenrechtsvertretern/-innen steht die Regelung, dass Asylgesuche von Papierlosen gar nicht erst geprüft, sondern rigoros abgelehnt werden sollen. Im November 2007 hat nun das UNO-Komitee gegen Folter die Schweiz in einem Fall von Nichteintreten wegen Papierlosigkeit gerügt. Die Genfer Rechtsprofessorin Maya Hertig Randall geht in einem Artikel für den Jusletter auf das Urteil des UNO-Komitees ein und kritisiert die strenge Praxis, die mit dem Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes noch vermehrt zur Anwendung kommen dürfte. 

Der Sachverhalt 

Der Fall geht zurück auf das Jahr 2004, als die Behörden ein Asylgesuch eines Kongolesen abwiesen, ohne es jemals inhaltlich zu prüfen, weil er keine gültigen Papiere vorlegen konnte. Damals, also rund 3 Jahre vor Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlage, wurde Nichteintreten wegen fehlender Papiere bereits in Einzelfällen praktiziert. Im konkreten Fall hatte der Mann aus der Demokratischen Republik Kongo in seinem Gesuch geltend gemacht, er sei als Mitglied der Oppositonspartei, Menschenrechtsaktivist und Journalist mehrmals verhaftet und misshandelt worden. Schliesslich sei ihm dank Bestechung und falschem nigerianischen Pass die Flucht aus dem Land gelungen. Seine echte Identitätskarte hätten ihm die Gefängniswärter abgenommen. Das UNO-Komitee gegen Folter beanstandete im Urteil vom Herbst 2007, dass die Schweizer Behörden das Gesuch lediglich aus Verfahrensgründen abwiesen. Folter und Misshandlungen von Häftlingen seien in der Demokratischen Republik Kongo häufig. Nach der Rüge durch den UNO-Ausschuss hat die Schweiz den Mann aus Kongo vorläufig aufgenommen.

Gesetz zementiert Vorurteil

In einem Beitrag für den Jusletter bespricht die Genfer Rechtsprofessorin Maya Hertig Randall das Urteil des UNO-Komitees, das auf eine Individualbeschwerde zurückgeht. Sie kritisiert darin das Asylgesetz, welches seit eineinhalb Jahren in Kraft ist. Dieses schreibt vor, dass auf Asylgesuche grundsätzlich nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende den Behörden nicht innerhalb von 48 Stunden Reise- oder Identitätspapiere abgeben. Dazu schreibt Hertig Randall: «In Tat und Wahrheit ist Artikel 32 al. 2 let a im Asylgesetz mehr als ein einfacher juristischer Mechanismus. Dem Artikel liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder Asylsuchende, der seine Papiere nicht vorlegt, einen Asylmissbrauch anstrebt.»

Der nun vom UNO-Ausschuss gerügte Fall zeige aber auf, dass diese Ansicht über Asylsuchende ohne Papiere falsch sei, schreibt Hertig weiter. Sie zieht den Schluss, dass hier ein Perspektivenwechsel Not tue und die Rüge der UNO eine Abkehr von der Praxis des Nichteintretens bei Papierlosigkeit zur Folge haben müsste. Sie tritt dafür ein, dass Asylgesuche von papierlosen Flüchtlingen eingehend und von Fall zu Fall geprüft werden müssen. Nur dies könnte gemäss Hertig dafür sorgen, dass Personen, die in ihrem Ursprungsland effektiv verfolgt werden, nicht vom Schutz ausgeschlossen werden, den ihnen das internationale Recht gewährt.