20.04.2006
Die Fraktion der Grünen im Nationalrat reichte gegen den Ringier-Chefkolumnist Frank A. Meyer eine Strafanzeige wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz ein. Meyer hatte nach der Tragödie von Beslan in der Kolumne «Der Schoss, aus dem das Ungeheuer kroch» (SonntagsBlick, 5. September 2004) mit Aussagen wie «Die Ursachen des Islamismus und seines Terrors sind im Islam selbst zu finden» pauschalisierend den Islam für terroristische Aktionen verantwortlich gemacht.
Laut einem Artikel des «Tages-Anzeigers» vom 15. Oktober 2004 weigerte sich der «SonntagsBlick» darauf hin, eine erläuternde Stellungnahme der Grünen zur Strafanzeige abzudrucken, und zwar sowohl im redaktionellen Teil wie auch als Inserat.
- Attacke gegen Muslime am Pranger
Tages-Anzeiger, 15. Oktober 2004 (pdf, 2 S.)
Das Echo in der Sonntagspresse hätte unterschiedlicher nicht sein können: Während die „NZZ am Sonntag“ in einem süffisanten Artikel einen Gegensatz zwischen «Grünen» und «Linken» konstruierte, äusserte sich Roger de Weck in der «Sonntagszeitung» in einer lesenswerten, differenzierenden Kolumne zu Meyers umstrittenen Ansichten:
- Die neue Islamophobie
Sonntagszeitung, 17. Oktober 2004 (pdf, 1 S.) - Antirassismus-Artikel als Waffe unter politisch Korrekten
NZZ am Sonntag, 17. Oktober 2004 (pdf, 1 S.)
Die Zürcher Staatsanwaltschaft kam in ihrem Urteil gegen Meyer jedoch zum Schluss, dass dieser die Antirassismusstrafnorm nicht verletzt hatte. Das Verfahren wurde eingestellt. Gemäss der Zürcher Staatsanwältin Sabine Tobler gründet der Entscheid auf einem Gutachten des Strafrechtsprofessoren Marcel Alexander Niggli. Dieser sei zum Schluss gekommen, dass der Text von Meyer die Voraussetzungen der Rassismusstrafnorm nicht erfülle, sagte Tobler gemäss der NZZ vom 15. März 2005.
In einem Kommentar zu diesem Entscheid schreibt Artur K. Vogel in der Aargauer Zeitung vom 19. März 2005, die Strafuntersuchung sei zu Recht eingestellt worden: «Es geht hier um Grundsätzliches. Wer politische oder weltanschauliche Differenzen vor dem Richter austrägt, wer versucht, andere, ihm nicht genehme Meinungen gerichtlich zu unterdrücken statt mit Argumenten zu parieren, der stellt die Presse- und Meinungsfreiheit und damit den demokratischen Ideenwettkampf infrage.» Aus menschenrechtlicher Optik ist diese Stellungnahme allzu einseitig. Denn es ist klar, dass die Rassismusstrafnorm grundsätzlich eine sinnvolle Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit darstellt. Deshalb sind die genaueren Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens führten, von Interesse. Gemäss Staatsanwältin Tobler soll die Begründung mit der Einstellungsverfügung veröffentlicht werden.
Neben der genannten Klage der Grünen sind im Herbst 2004 laut einem Bericht des «Tages-Anzeigers» insgesamt neun weitere Strafanzeigen gegen islamfeindliche Tiraden eingereicht worden. Die Klagen stehen alle in Zusammenhang mit der antimuslimische Inseratekampagne im Vorfeld der Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung vom 26. Sept. 2004. Die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich hat eine Strafuntersuchung eröffnet.
- Neun Anzeigen gegen anonymes Inserat
Tages-Anzeiger, 15. Oktober 2004 (pdf, 1 S.)
Zur neuesten Diskussion um die Antirassismusstrafnorm
- Rassismus und Rechtsprechung. Die bisherige Gerichtspraxis und ihre Bedeutung
Georg Kreis, NZZ, 18. Oktober 2004 (pdf, 4 S.) - Rassisten bald in der Mehrheit?
Facts online, 22. September 2004 (pdf, 5 S.) - Strengere Auslegung der Antirassismusstrafnorm
Artikel auf humanrights.ch zum Urteil des Bundesgerichts vom 27. Mai 2004