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Beschwerdeverfahren zu den OECD-Leitsätzen: Nationale Kontaktpunkte im Vergleich

13.02.2012

Auf internationaler Ebene fehlen bekanntlich rechtlich verbindliche Instrumente, welche Unternehmen anhalten, Menschenrechte zu respektieren. Deshalb sind die Richtlinien, wie sie die OECD seit Mitte der 1990er Jahre erarbeitet hat, von einiger Bedeutung. Die OECD-Leitsätze halten wichtige menschenrechtliche, arbeitsrechtliche und umweltrechtliche Grundsätze fest und sind Massstab für verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten.

Nationale Kontakstellen

Jeder Mitgliedstaat muss zudem eine Beschwerdestelle einrichten. Wer Menschenrechtsverstösse aufdeckt, die zum Beispiel in Zusammenhang mit Geschäften von einem Schweizer Unternehmen in einem Drittstaat geschehen, kann bei der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze in der Schweiz eine Klage einreichen. Die Stelle ist dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) zugeordnet und hat die Aufgabe, auf entsprechende Meldungen einzugehen und zwischen den Parteien zu vermitteln.

In allen Vertragsstaaten der OECD-Leistsätze gibt es entsprechende Kontaktstellen. Bisher war wenig bekannt über deren Vorgehensweise und Effizienz. Nun hat eine deutsche Menschenrechtsorganisation, welche dank Klagen in verschiedenen Staaten in einem Fall von systematischer Kinder-Zwangsarbeit in Usbekistan (siehe hierzu den Artikel Zwangskinderarbeit zum Abbau von Baumwolle - Unternehmen werden zur Verantwortung gezogen) über entsprechende Erfahrung verfügt, die Praktiken verschiedener Nationaler Kontaktstellen erstmals verglichen. Die Ergebnisse des Vergleichs sind für die weitere Entwicklung des Schweizer OECD-Kontaktpunkts aufschlussreich.

Schweiz, Deutschland und Grossbritannien im Vergleich

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin hat im Anschluss an die Mediationsverfahren, die in verschiedenen europäischen Staaten im Zusammenhang des Usbekistan-Falls durchgeführt wurden, die Arbeitsweisen von drei der vier involvierten Nationalen Kontakstellen miteinander verglichen. Der Vergleich gibt Aufschluss über Unterschiede in der Arbeitsweise der nationalen OECD-Kontaktstellen in Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz. ECCHR hat die Arbeiten der nationalen Kontaktstellen insbesondere im Hinblick auf Prinzipien wie Transparenz, Unparteilichkeit und Berechenbarkeit ausgewertet. Die Ergebnisse wurden in einem Positionspapier zusammengefasst. Der Vergleich der Beschwerdeverfahren soll zu einer Vereinheitlichung und damit Effektivierung der Verfahrensführung bei den verschiedenen nationalen Kontaktstellen beitragen, wie die ECCHR festhält.

Das Positionspapier enthält vielfältige Empfehlungen an die Adresse der nationalen Kontaktpunkte. Diese betreffen zum einen die prozeduralen Bedingungen und Unterschiede, zum Beispiel in Bezug auf die Transparenz der Verhandlungen. ECCHR empfiehlt etwa, dass Informationen über die wichtigsten Schritte in der Mediation veröffentlicht werden. Transparenz sei auch wichtig bezüglich der Informationen, welche an die anderen Parteien im Mediationsprozess weitergegeben werden. Eine weitere Empfehlung betrifft die Unabhängigkeit des Mediators.

Grossbritannien beispielhaft

Das Positionspapier geht darüber hinaus auf die strukturellen Unterschiede in der Organisation der nationalen Kontaktstellen ein. In diesem Punkt ist gemäss der ECCHR der britische Kontaktpunkt besonders beispielhaft. Seine Arbeit wird begleitet von einem Steuerungskomitee, in welchem fünf verschiedene Ministerien vertreten sind. Zusätzlich nehmen je ein/e Vertreter/in von Unternehmern, Gewerkschaften und NGOs im Steuerungskomitee Einsitz.

In vielen Punkten sei der britische nationale Kontaktpunkt ein gutes Vorbild für die anderen nationalen Stellen. In Bezug auf die Schweiz lobt das ECCHR, dass das Mediationsverfahren verbessert wurde, weil erstmals ein externer Mediator engagiert worden sei. Verbesserungsbedarf ortet die NGO hingegen in Sachen Transparenz: Wichtige Aspekte des Schweizer Prozessmanagments seien für die Beteiligten nicht vollständig klar gewesen.

Dokumentation

Vergleich mit der Norwegischen OECD-Kontaktstelle

In einem Artikel des Themenbereichs "Menschenrechte und Wirtschaft" des Schweizerischen Komptetenzzenrums für Menschenrechte SKMR vom 2. Feb. 2012 wird der schweizerische OECD-Kontaktpunkt mit seinem nowegischen Pendant verglichen. Dabei bestätigt sich der Eindruck, dass es für die schweizerische "Light-Version" diverse sinnvolle und konstruktive Ausbaumöglichkeiten gäbe, um dieses Instrument glaubwürdiger und effizienter auszugestalten.