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Private Militär- und Sicherheitsindustrie: Vereinigung zur Einhaltung des internationalen Verhaltenskodex'

18.07.2016

Unternehmen, die im Auftrag von Dritten Sicherheits- oder Militäraufgaben wahrnehmen, sollen im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten handeln. Die Schweiz engagiert sich seit Jahren für die selbstregulierende Anbindung der Branche an die menschenrechtlichen Normen. 2010 wurde ein verbindlicher Verhaltenskodex für solche Firmen lanciert, und Ende September 2013 ist eine Vereinigung gegründet worden, welche gewährleisten soll, dass die Einhaltung des Kodex mit einem dauerhaften Mechanismus überprüft wird.

Der Verhaltenskodex für die private Militär- und Sicherheitsindustrie geht auf eine Schweizer Initiative zurück. Mit der Gründung der Vereinigung ist erstmals ein Gremium geschaffen worden, das eine branchenspezifische menschenrechtliche Selbstregulierung zu überwachen und Beschwerden zu behandeln hat.

Tripartite Organisationsstruktur

Im November 2010 hatte die Schweiz rund fünfzig der grössten privaten Anbieter von Militär- und Sicherheitsdienstleistungen zur Unterzeichnung eines Verhaltenskodex nach Genf eingeladen. Bis September 2013 haben 708 private Firmen diesen Kodex unterzeichnet. Davon waren 58 der am 19. September 2013 in Genf gegründeten Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen beigetreten.

Im 2016 waren bereits 101 Unternehmen in der Vereinigung vertreten. Die Schweiz gehört zusammen mit Australien, den USA, Grossbritannien, Schweden und Norwegen zu den Staaten, welche Mitglied der Vereinigung sind. Zu den Gründungsmitgliedern gehören ferner 16 Nichtregierungsorganisationen.

Ein Instrument zur Gewährleistung der eingegangenen Verpflichtungen

Die Sicherheitsfirmen, welche den Verhaltenskodex unterzeichnen, verpflichten sich, bei ihren Aktivitäten in Konfliktgebieten die lokalen, regionalen und nationalen Gesetze einzuhalten und die Menschenrechte sowie das internationale Völkerrecht zu respektieren. Ein Beitritt zur Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex hat Verpflichtungen zur Folge, die darüber hinausgehen.

Die Vereinigung ermöglicht einen Überwachungsmechanismus, der essentiell ist für die Glaubwürdigkeit dieser Selbstregulierungsinitiative. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) schrieb in einem Artikel vom Februar 2012: «Erst ein solcher Überwachungs- und Umsetzungsmechanismus wird erlauben, den Verhaltenskodex durchzusetzen.» Es ist vorgesehen, dass mittelfristig alle Unterzeichner des Kodex eine Frist erhalten, innert welcher sie der Vereinigung beizutreten haben. Diejenigen Firmen, welche diese Frist nicht wahrnehmen, sollen von der Unterzeichnerliste gestrichen werden.

Die formellen Modalitäten sehen vor, dass die Unternehmen dem Kodex freiwillig beitreten. Um Mitglied der Vereinigung zu werden, müssen die Firmen ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Zudem müssen sie die Überwachung ihrer Aktivitäten und die Einführung eines Verfahrens zur Behandlung von Beschwerden akzeptieren. Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hält in einer Medienmitteilung fest: «Dies ermöglicht es insbesondere zu überprüfen, ob sie die Grundsätze des internationalen Verhaltenskodex bei ihren Einsätzen in bewaffneten Konflikten oder fragilen Kontexten korrekt umsetzen.»

Der Verhaltenskodex

Inhaltlich beschreiben die 70 Artikel des im November 2010 verabschiedeten Verhaltenskodex Verhaltensregeln für das Personal von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen. Diese konkretisieren deren Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte in den Bereichen Gewaltanwendung, Inhaftierung, Folterverbot, sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Diskriminierungsverbot. Der Verhaltenskodex enthält ausserdem eine Reihe von Vorschriften, welche die Geschäftspolitik der beteiligten Firmen im Bereich der Anstellung und Ausbildung des Personals, der Arbeitsbedingungen und des Umgangs mit Waffen betreffen.

Die Grenzen des Systems

Die Einsetzung eines unabhängigen Kontrollorgans im Rahmen des Internationalen Verhaltenskodex für Militär- und Sicherheitsfirmen ist ein entscheidender Schritt für die Anstrengungen der Branche, sich selber zu regulieren. Allerdings existiert damit immer noch kein rechtlich bindendes Instrument, welches die Verpflichtungen von privaten Sicherheitsfirmen in Konfliktgebieten festschreibt.

Der Beitritt zur Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen bleibt freiwillig. Einerseits bedeutet dies, dass nicht alle Branchenvertreter an den Kodex gebunden sind. Anderseits sind die Handlungsmöglichkeiten der Vereinigung eher beschränkt. Die Statuten sehen vor, dass sie den Mitgliedern im Falle von Beschwerden keine Entschädigungszahlungen auferlegen kann. Ihre Arbeit besteht demnach darin, die Firmen zu kontrollieren und allfällige Beschwerden entgegen zu nehmen, wenn einer Firma die Nichteinhaltung des Kodex vorgeworfen wird. Zudem kann sie als Mediator zwischen Unternehmen und Beschwerdeführern vermitteln, um eine effektive Wiedergutmachung zu ermöglichen. Schlussendlich hat die Vereinigung aber gegenüber den eigenen Mitgliedern keine andere Sanktionsmöglichkeit als deren Ausschluss.

Die Effizienz der Vereinigung wird deshalb wesentlich davon abhängen, ob die Regierungen bei der Vergabe ihrer Mandaten die Zugehörigkeit zur Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen als entscheidendes Kriterium ansehen. Effizient kann die Selbstregulierung der Branche sein, wenn die Gesetzgebungen der Einzelstaaten die privaten Sicherheitsfirmen verpflichten, die Prinzipien des Kodex in ihre eigenen Firmenstatuten zu integrieren und sie auf dem Feld zu respektieren.

Die Schweiz ist in diesem Sinne mit gutem Beispiel vorangegangen. Das Parlament hat im September 2013 ein Gesetz verabschiedet, das von privaten Sicherheitsfirmen, die im Ausland tätig sind, verlangt, dass sie Mitglied der Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen werden.

UNO-Ebene: Arbeitsgruppe sucht Wege zu einer verbindlichen Regulierung

Parallel zur Schweizer Initiative gibt es im UNO-Menschenrechtsrat Bestrebungen, eine verbindliche Konvention zur Verpflichtung von privaten Sicherheitsfirmen voranzubringen. Hierfür hat der Menschenrechtsrat eine Arbeitsgruppe für das Söldnerwesen (Open Ended Working Group on Mercenaries) eingesetzt. 

Es hat sich gezeigt, dass einzelne Staaten versuchen, die selbstregulierende Initiative der Schweiz gegen die Arbeit der Arbeitsgruppe an einer verbindlichen Regulierung auszuspielen. Die Schweizer Diplomatie hat sich gegen solche Manöver stets gewehrt und versucht, in beiden Kontexten stringent und glaubwürdig zu agieren. Tatsächlich gibt es ein breites informelles Einverständnis unter interessierten Staaten, dass die Anstrengungen auf beiden Ebenen als komplementär aufzufassen sind. Diese Auffassung wurde im Jahre 2010 anderem auch vom Vorsitzenden der zuständigen UNO-Arbeitsgruppe geteilt.

Die Schweizer Initiative hat gegenüber dem politischen Prozess im Menschenrechtsrat den Vorteil, viel schneller praktisch wirksam zu werden. Auf lange Sicht kann sie als Zwischenschritt betrachtet werden, um einer verbindlichen Konvention auf Staatenebene zum Durchbruch zu verhelfen.

Zur Vorgeschichte des Verhaltenskodex

Ausgangslage

Bis zum Ende des Kalten Krieges verfügten die Staaten weitgehend über ein Monopol für die Anwendung von Gewalt. Ein solches Vorrecht gibt es heute nicht mehr. Private Anbieter von Bewachungs- und Sicherungsdienstleistungen übernehmen immer häufiger Aufgaben in sehr sensiblen Bereichen und Gegenden, etwa auch in Konfliktgebieten. Im Gegensatz zu den Staaten, die an Völkerrechts- oder Menschenrechtsverträge gebunden sind, agieren diese privaten Anbieter, ohne dass ein klarer internationaler Rechtsrahmen ihre Rechte und Pflichten festhält. Nur ein solcher kann jedoch gewährleisten, dass es nicht zu Missbräuchen kommt.

Angesichts der immer zahlreicher werdenden Sicherheitsfirmen und der damit einhergehenden Privatisierung im Bereich der Gewaltanwendung hat sich gezeigt, dass diese Branche einen Rahmen braucht, der sie zur Verantwortung anhält. In einem ersten Schritt haben sich Nichtregierungsorganisationen, Staaten und Branchenvertreter deshalb entschieden, der Branche mit dem Verhaltenskodex einen selbstregulierenden Rahmen aufzuerlegen.

Das Montreux-Dokument

So kam es im Jahre 2008 zur Lancierung des «Montreux-Dokuments über die relevanten rechtlichen Verpflichtungen und guten Praktiken für Staaten im Zusammenhang mit Tätigkeiten von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen, die in Konfliktgebieten tätig sind». Das Dokument wurde von der Schweiz und 16 weiteren Staaten unterzeichnet. Es ging zurück auf eine gemeinsame Initiative des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) und der Schweiz.

Es war das erste Dokument auf internationaler Ebene, welches das internationale Recht hervorhob, das für Sicherheits- und Militärfirmen in bewaffneten Konflikten anwendbar ist. Es zählt auf, was die Staaten auf nationaler Ebene tun können, um entsprechende Firmen in die Verantwortung zu ziehen und damit den eigenen internationalen Verpflichtungen zu entsprechen.

Das Montreux-Dokument ist rechtlich nicht bindend. Gemeinsam anerkennen die unterzeichnenden Staaten, dass  das internationale Recht (insbesondere das Völkerrecht und die Menschenrechte) auch für die private Sicherheits- und Militärindustrie anwendbar ist. Auf der Basis des Montreux-Dokuments entstand der 2010 ins Leben gerufene Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen.

Das Montreux-Documents Forum umfasste im Jahr 2016 53 Staaten sowie die EU, die NATO und die OSZE.

Vorarbeiten für den Code of Conduct im Jahre 2009

Ein internationaler Verhaltenskodex für private Militär- und Sicherheitsfirmen war mit dem Montreux-Dokument greifbare Nähe gerückt. Nachdem im Juni 2009 die Sicherheitsindustrie eine entsprechende Absichtserklärung veröffentlicht hatte, wurde ein erster Entwurf für einen Code of Conduct in die internationale Vernehmlassung geschickt.

Der Prozess wurde in dieser Phase  von drei schweizerischen Institutionen vorangetrieben, nämlich von der Politischen Abteilung IV des EDA in Zusammenarbeit mit dem «Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces» (DCAF) und der Genfer Akademie für internationales humanitäres Recht und Menschenrechte. In den Prozess involviert waren Akteure der transnationalen Sicherheitsindustrie ebenso wie amtliche Stellen verschiedener Länder.

Ziel des Prozesses war von Anfang an nicht nur die Festlegung von verbindlichen Verhaltensnormen für private Militär- und Sicherheitsfirmen sondern darüber hinaus die Einrichtung eines internationalen Beschwerdeverfahrens für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige von privaten Sicherheitsfirmen.