02.06.2015
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 2. Juni 2015 die Beschwerde eines albanischen Staatsangehörigen gegen seine Ausweisung aus der Schweiz einstimmig abgelehnt. Der Beschwerdeführer wollte eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) geltend machen. Dem seit 1991 in der Schweiz lebenden Mann wurde keine neue Aufenthaltsbewilligung erteilt, nachdem er wegen Geldwäscherei verurteilt worden war.
(Auf der Grundlage der Zusammenfassung des Urteils durch den Schutzfaktor M)
Der Beschwerdeführer kam vor 24 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau und der damals zweijährigen Tochter in die Schweiz. Ein zweites Kind wurde kurz darauf in der Schweiz geboren. In einem asylrechtlichen Verfahren wurde die Familie aufgrund von gesundheitlichen Problemen der Tochter in der Schweiz vorläufig aufgenommen. Der Beschwerdeführer arbeitete als Präzisionsmechaniker und die Familie bezog keine Sozialhilfe.
Verurteilung wegen Geldwäscherei
Im November 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren und einer zehnjährigen Ausweisung aus der Schweiz verurteilt, wobei fünf dieser zehn Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurden. Der Beschwerdeführer verbüsste seine Haftstrafe in einer Strafanstalt. Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, hob das Bundesamt für Migration die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers gestützt auf diese Verurteilung auf. Im Februar 2004 liessen sich der Beschwerdeführer und seine Frau scheiden. Im August 2004 wurde der Beschwerdeführer aufgrund guter Führung und einer Arbeitsstelle in Halbgefangenschaft entlassen.
Ein Recht auf familiäre Beziehung?
Im Dezember 2004 beantragte der Beschwerdeführer, gestützt auf sein Familienleben mit seinen Kindern, eine Aufenthaltsbewilligung, welche rechtskräftig abgewiesen wurde. Im März 2007 verheiratete sich der Beschwerdeführer wieder mit seiner geschiedenen und inzwischen eingebürgerten Ehefrau und beantragte eine Aufenthaltsbewilligung. Das Gesuch wurde aufgrund seiner früheren Straffälligkeit abgewiesen, was das Bundesgericht mit letztinstanzlichem Entscheid bestätigte.
Der Beschwerdeführer wandte sich daraufhin umgehend an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wobei er sich auf das Recht auf Privat- und Familienleben gemäss Art. 8 EMRK berief. Er stützte seine Beschwerde insbesondere auf seine lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz und darauf, dass seine Familie in der Schweiz lebe. Er vertrat insbesondere die Ansicht, dass die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung nicht verhältnismässig sei.
Die Begründung des EGMR
In seinem Entscheid betont der EGMR einmal mehr, dass Artikel 8 EMRK nicht als solcher ein Recht auf Einreise, Aufenthalt oder Niederlassung in einem bestimmten Land begründet. Zwar taxiert der EGMR die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung als einen Eingriff in das Recht auf Privatleben des Beschwerdeführers, da dieser bereits sehr lange in der Schweiz gelebt hatte. Die Frage, ob auch das Recht auf Familienleben betroffen sei, lässt der Gerichtshof offen, gibt aber zu verstehen, dass man dies zumindest anzweifeln könne, da die Kinder des Beschwerdeführers bereits erwachsen sind und er und seine Frau zwischenzeitlich geschieden waren.
Der EGMR kommt zum Schluss, dass der Eingriff in das von Artikel 8 EMRK garantierte Recht auf Privatleben gerechtfertigt war, und schützt somit den Entscheid des Bundesgerichtes. Wie dieses misst der Gerichtshof der Schwere der Straftaten eine derart wichtige Bedeutung bei, dass er die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung trotz den siebzehn Jahren, in denen der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz gelebt hatte, als verhältnismässig beurteilte.
Wichtiges Kriterium des Entscheides: die Interessenabwägung
Das Urteil K.M. zeigt, dass der Schutz des Privat- und Familienlebens von Artikel 8 EMRK es keineswegs verunmöglicht, straffälligen Ausländern/-innen eine Aufenthaltsbewilligung abzusprechen, auch wenn diese bereits sehr lange in der Schweiz gewohnt haben. Er zeigt aber auch die Wichtigkeit einer sorgfältigen Einzelfallbeurteilung auf: Interessenabwägungen müssen in jedem einzelnen Fall garantiert sein. Dieses Urteil zeigt einmal mehr, dass der EGMR einen Ausweisungsentscheid aufgrund einer Straffälligkeit respektiert, wenn er die zugrunde liegende Güterabwägung im Einzelfall für korrekt erachtet.
- K.M. gegen die Schweiz
Urteil des EGMR in der Beschwerdesache Nr. 6009/10, Urteil vom 2. Juni 2015 (Urteil nur auf Französisch)