22.06.2012
Urteil SRG gegen die Schweiz vom 21. Juni 2012 (Nr. 34124/06)
Meinungs-und Informationsfreiheit (Art. 10 EMRK); Nichtbewilligung der Aufnahme eines Interviews in Strafanstalt
- Urteil
auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (französisch)
Zusammenfassung des Bundeamtes für Justiz:
«Die beschwerdeführende Gesellschaft macht geltend, die Nichtbewilligung eines Interviews mit einer wegen Mordes verurteilten Insassin in der Strafanstalt aufzunehmen, habe ihr Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK verletzt. Das Interview hätte in der Sendung «Rundschau» ausgestrahlt werden sollen. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Schweizer Gerichte die Verweigerung nicht auf genügend erhebliche und sachliche Gründe gestützt haben, sowohl was die Argumente zur Beachtung der Rechte der Mitinsassen angeht, als auch mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung. Auch hätten die Gerichte die von der Beschwerdeführerin vorgestellten technischen Möglichkeiten nicht überprüft (konkrete Modalitäten und Bedingungen der Aufnahme).
Was den Schutz der Insassin angeht, hebt der Gerichtshof hervor, dass diese klar und schriftlich ihr Einverständnis zur Aufnahme gegeben hatte. Zu den von den Behörden vorgeschlagenen Alternativen zur Fernsehaufnahme hält der Gerichtshof fest, dass Art. 10 EMRK auch die Art und Weise der Meinungsäusserung schützt. Das telefonische Interview, dass mit der Insassin geführt und in der Sendung «Schweiz aktuell» ausgestrahlt wurde, habe den Eingriff durch die Nichtbewilligung der Fernsehaufnahme daher nicht wiedergut machen können. Verletzung Art. 10 EMRK (5 gegen 2).»
- Quelle: Quartalsberichte über die Rechtssprechung des EGMR, 2. Quartal 2012
Bundesamt für Justiz, (pdf, 8 S.)