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Verein Tierfabriken gegen die Schweiz

26.11.2009

Urteil Verein gegen Tierfabriken Nr. 2 vom 30. Juni 2009 (Grosse Kammer)
30/06/2009

Verletzung von Art. 10 Meinungsfreiheit; Weigerung der Aufhebung eines Verbots der Ausstrahlung eines Werbespots über ein - im Anschluss an ein EGMR-Urteil - eingereichtes Revisionsgesuch (Beschwerde Nr. 3277)
Urteil

Zusammenfassung des Bundesamt für Justiz:

Im Jahre 1994 lehnte die für Fernsehwerbung zuständige «AG für das Werbefernsehen» (heute Publisuisse SA) die Ausstrahlung eines vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) produzierten Werbespots ab, in welchem unter anderem die Massenhaltung von Schweinen mit Zuständen in Konzentrationslagern verglichen wurde. Mit Urteil vom 28. Juni 2001 (VgT Nr. 1) stellte der Gerichtshof diesbezüglich eine Verletzung von Art. 10 EMRK fest. Daraufhin versuchte der VgT mit Revisionsgesuch die Wiederaufnahme des Verfahrens, um damit die Ausstrahlung des Werbespots von 1998 zu bewirken. Das Bundesgericht lehnte das Revisionsgesuch ab. Neben formalen Punkten wies es darauf hin, dass der Beschwerdeführer wohl nicht mehr das gleiche Interesse an der Ausstrahlung des Spots habe wie 1994. Das Ministerkomitee des Europarates, welches für die Überwachung der Vollstreckung der Urteile zuständig ist, war über die Ablehnung des Revisionsgesuches nicht informiert und hatte im Juli 2003 eine Resolution verabschiedet, mit welcher das Vollstreckungsverfahren beendet wurde.

Erstinstanzlich vor der kleinen Kammer und später vor der grossen Kammer macht der VgT geltend, dass die Aufrechterhaltung des Verbots, den Werbespot auszustrahlen nach dem Urteil des EGMR vom 28. Juni 2001 eine erneute Verletzung von Art. 10 EMRK darstelle. In der Zulässigkeitsprüfung weist die grosse Kammer den Einwand der Schweizer Regierung der Nichtausschöpfung des Instanzenzugs (der Beschwerdeführer hätte eine Ausstrahlung des Spots lediglich über den zivilrechtlichen Weg erwirken können) mit der Begründung ab, dass sich das Bundesgericht bei der Abweisung des Revisionsgesuch auch materiell zum Interesse des Beschwerdeführers an der Ausstrahlung des Spots geäussert hatte. Weiter hält die grosse Kammer in ihrem Urteil fest, dass die Überwachungskompetenz des Ministerkomitees einer Überprüfung desselben Falles bei neuer Faktenlage nicht entgegenstehe. Das entsprechende neue Element, welches die Kompetenz des Gerichtshofs im vorliegenden Fall begründe, sieht der Gerichtshof in der Ablehnung des Revisionsgesuches, bzw. in der Ablehnung der Ausstrahlung mit neuer Begründung - wovon zudem das Ministerkomitee nicht informiert wurde. Was die materielle Prüfung einer Verletzung von Art. 10 EGMR angeht, wiederholt der Gerichtshof im Wesentlichen die Aussagen des VgT-Urteils aus dem Jahre 2001 und schliesst dementsprechend auf eine Verletzung der Meinungsfreiheit (11 Stimmen gegen 6).

Quelle: Bundesamt für Justiz, Quartalsberichte über die Rechtsprechung des EGMR, 2. Quartal 2009 (pdf, 6 S.)