12.07.2022
Beschwerde Nr. 69444/17
Verletzung von Artikel 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren)
In einem Urteil vom 8. Februar 2022 kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Schluss, dass die Schweiz das Recht auf ein faires Verfahren der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Abs.1 EMRK) verletzt hat, indem sie einem Vater verweigerte, sich vor einem innerstaatlichen Gericht gegen einen Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zu wehren.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hatte genehmigt, dass die Tochter des Beschwerdeführers mit ihrer Mutter ins Ausland ziehen kann. Die Mutter besass zu diesem Zeitpunkt zwar das alleinige Obhutsrecht, jedoch teilten sich die Eltern das gemeinsame Sorgerecht. Trotzdem entschied die KESB, dass eine etwaige Beschwerde des Vaters keine aufschiebende Wirkung auf den Umzug hat.
Nachdem die Mutter mit dem Kind ins Ausland umgezogen war, versucht der Vater eine Beschwerde einzureichen. Die Schweizer Gerichte erklärten sich hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung jedoch für unzuständig. Sie begründeten diesen Entscheid mit dem aktuellen Wohnsitz des Kindes in einem anderen Land - mit dem Umzug nach Deutschland sei auch die gerichtliche Zuständigkeit übergegangen. Dafür rügt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz: der Beschwerdeführer hat ein Recht darauf, seinen Fall von einem Gericht beurteilen zu lassen.
- Roth gegen die Schweiz
Urteil des EGMR, 8. Februar 2022