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Semenya (2023)

06.09.2023

Antrag Nr. 10934/21

Verletzung von Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) in Kombination mit Art. 8 EMRK (Recht auf Privatleben), sowie Verletzung von Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) in Bezug auf Art. 14 kombiniert mit Art. 8.

Der südafrikanischen Mittelstreckenläuferin und mehrfachen Olympiasiegerin Caster Semenya wurde ab 2019 verwehrt, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Grund dafür war eine neue Regelung des Dachverbands der nationalen Sportverbände für Leichtathletik, die eine Testosteron-Obergrenze für Frauen festlegte, die an Wettkämpfen über 400m bis eine Meile teilnehmen. Diese sollte unter anderem intergeschlechtliche Personen wie Caster Semenya dazu zwingen, sechs Monate vor den Wettkämpfen ihren Testosteronspiegel mit Medikamenten zu senken. Da sich Semenya weigerte, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, konnte sie nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Sie legte dagegen Beschwerde ein, die allerdings sowohl vom internationalen Sportgerichtshof CAS als auch vom Bundesgericht – da der CAS der Schweizer Rechtsprechung unterliegt – abgewiesen wurde. Die Diskriminierung sei notwendig und verhältnismässig, um die Integrität der Frauenleichtathletik zu schützen, argumentierte der CAS. Nach der Bestätigung dieses Urteils durch das Bundesgericht klagte Semenya vor dem EGMR.

Der EGMR ist der Ansicht, dass der Klägerin in der Schweiz keine ausreichenden institutionellen und Verfahrensgarantien gewährt worden seien, um ihr eine wirksame Prüfung ihrer Beschwerden zu ermöglichen. Dies, obwohl die Beschwerden glaubwürdige Anschuldigungen über eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres erhöhten, natürlichen Testosteronspiegels beinhalteten. Ausserdem habe die Schweiz in diesem Fall, in dem es um eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts ging, den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten. Falls eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und sexueller Merkmale stattfindet, so seien «sehr gewichtige» Gründe als Rechtfertigung erforderlich. Der Ermessensspielraum sei ausserdem umso enger gefasst, da für die Klägerin die Ausübung ihres Berufes auf dem Spiel stand. Weiter seien die aufgrund der Wichtigkeit des Falles für die Klägerin entsprechenden institutionellen und verfahrenstechnischen Prüfungen nicht durchgeführt worden und auch die innerstaatlichen Rechtsbehelfe konnten für die Klägerin als nicht wirksam angesehen werden.