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Esiyok wird nicht ausgeliefert

27.10.2008

Mehmet Esiyok ist am 22. Oktober 2008 nach 34 Monaten Auslieferungshaft entlassen worden. Das Bundesamt für Migration (BFM) wird das ehemalige ranghohe Mitglied der kurdischen Arbeiterpartei PKK als politischen Flüchtling vorläufig aufnehmen. Esiyok war im Dezember 2005 in die Schweiz eingereist und kurz darauf auf Ersuchen der türkischen Behörden verhaftet worden. Die Türkei wirft Esiyok vor, 1994 als Mitglied und Teil des Kaders der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) den Auftrag zur Tötung eines Dorfvorstehers gegeben zu haben.

Das Bundesamt für Justiz hatte 2006 seine Auslieferung bewilligt, die effektive Ausweisung machte es aber vom Ausgang des Asylverfahrens abhängig. Das BFM wies Esiyoks Asylgesuch erstmals 2006 ab. Dieser Entscheid hielt allerdings der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht stand. Es verlangte damals vom BFM, dass es diverse Punkte abklärt, so etwa welcher konkreten Verfolgung das ehemalige PKK-Kadermitglied in der Türkei ausgesetzt ist.

Nach weiteren Abklärungen wies das BFM das Asylgesuch von Esiyok im Mai 2008 wiederum ab. In seinem Entscheid hielt das BFM zwar fest, dass die konkreten strafrechtlichen Vorwürfe, welche die Türkei geltend macht, konstruiert wirkten. Dennoch sah es die Flüchtlingseigenschaft des ehemaligen Angehörigen des PKK-Kaders als nicht gegeben an, weil dieser die Mitverantwortung an schweren Verbrechen trage. Dabei stützte sich das BFM aber auf Angaben der türkischen Behörden, die gemäss Angaben der Wochenzeitung (WoZ) von Experten als fragwürdig eingeschätzt werden. Der Anwalt von Esiyok reichte gegen den Asylbeschluss erneut Beschwerde ein.

Mit Entscheid vom 17. Oktober 2008 hat nun das Bundesverwaltungsgericht aber die Flüchtlingseigenschaft von Mehmet Esiyok festgestellt.

Die Menschenrechtsgruppe augenauf Zürich, welche sich seit langem für die Freilassung von Esiyok eingesetzt hatte, fordert eine selbstkritische Aufarbeitung der Fallgeschichte seitens des Bundesrates, insbesondere auch der Rolle der «diplomatischen Zusicherungen» seitens der Türkei, sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Inhaftierung.

Bundesgericht: Auslieferungen in die Türkei grundsätzlich zulässig

Das Bundesgericht hatte im Januar 2007 den Fall Esiyok beurteilt und dessen Auslieferung aufgrund von diplomatischen Zusicherungen bewilligt. Die effektive Auslieferung hatte es jedoch vom Resultat des noch laufenden Asylverfahrens abhängig gemacht. Mit seinem Entscheid vom Januar 2007 hielt das Gericht nur fest, dass grundsätzlich Auslieferungen von Personen mit politischem Hintergrund in die Türkei möglich seien. Allerdings würden in solchen Fällen Garantien von der Regierung - sogenannte «diplomatische Zusicherungen» - verlangt, dass die Betroffenen ein «menschenrechtskonformes Verfahren» erhalten.

Den Vollzug der Auslieferung machte das Bundesgericht deshalb davon abhängig, dass die schweizerische Botschaft in Ankara den ausgelieferten Türken jederzeit besuchen, sich über den Verfahrensstand erkundigen und an sämtlichen Gerichtsverhandlungen teilnehmen kann. Die türkische Botschaft in Bern sicherte dies zu. Gemäss Recherchen des Tages-Anzeigers ist die Frage, ob die von der Türkei gelieferten Garantien genügen, zurzeit Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona.  

Bundesrat zum Fall Esiyok 

Rund einen Monat nach dem Bundesgerichtsentscheid nahm der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation von Remo Gysin (SP, BS) Stellung zu der Praxis der diplomatischen Zusicherungen. Er schrieb am 28. Februar 2007 in seiner Antwort, dass die im Fall Esiyok von der türkischen Regierung erhaltenen Zusicherungen durchaus als Garantie dafür gelten könnten, dass Esiyok keinerlei negative Behandlung zu befürchten habe. Insbesondere das vereinbarte uneingeschränkte Besuchsrecht ohne vorherige Ankündigung durch Schweizer Botschaftsmitarbeitende würde dies garantieren. Ausserdem sei den schweizerischen Behörden «kein Fall bekannt, bei welchem nach einer Auslieferung mit Zusicherungen zu Recht Foltervorwürfe erhoben worden wären». 

Allerdings hatten Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch den Bundesrat in Briefen bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass erfahrungsgemäss solche Absicherungen keine Garantie gegen Folter sind. Bekannt müssten dem Bundesrat ebenfalls die beiden exemplarischen Fälle sein, welche im Jahre 2005 aufgrund einer Individualbeschwerde vom UNO-Ausschuss für Menschenrechte, bzw. vom UNO-Ausschuss gegen Folter behandelt worden waren.