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Bundesverwaltungsgericht: Homosexueller Iraner muss gehen

08.03.2011

Ein homosexueller Iraner muss nach sieben Jahren Partnerschaft mit einem Berner die Schweiz verlassen. Laut Bundesverwaltungsgericht droht dem für Drogenhandel verurteilten Mann wegen seiner sexuellen Orientierung im Iran keine menschenrechtswidrige Behandlung.

Der heute 35-Jährige war 2000 in die Schweiz gekommen und hatte zweimal erfolglos um Asyl ersucht. Seit 2003 lebt er mit einem Schweizer zusammen. Aufgrund dieser Beziehung erteilten ihm die Berner Behörden eine Aufenthaltsbewilligung. 2008 liessen die beiden Männer ihre Partnerschaft registrieren.

Zwei Jahre bedingt

Bereits ein Jahr zuvor war der Iraner vom Berner Obergericht wegen dem Handel mit 71 Gramm Heroin zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Vor einem Jahr verfügte das Bundesamt für Migration dann seine Wegweisung. Zudem erliess es ein unbefristetes Einreiseverbot.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Mannes nun abgewiesen. Er hatte argumentiert, dass er als Homosexueller im Iran an Leib und Leben gefährdet sei. Aufgrund von Medienberichten und Mitteilungen von Hilfswerken sei klar, dass gegenüber Schwulen im Iran Todesurteile ausgesprochen und vollstreckt würden.

Im Alltag geduldet

Die Richter in Bern räumen ein, dass Homosexualität im Iran grundsätzlich illegal ist und die Scharia dafür formell die Todesstrafe vorsieht. Gleichwohl sei Homsexualität in der iranischen Gesellschaft nicht ungewöhnlich. Eine systematische Diskriminierung sei nicht feststellbar.
Vielmehr werde Homosexualität von den Behörden im Alltag geduldet, zumindest wenn sie nicht in möglicherweise Anstoss erregender Art öffentlich zur Schau gestellt werde. Aktuell sei denn auch kein Schicksal aus dem Iran bekannt, wo jemand allein aufgrund seiner sexuellen Orientierung verurteilt worden wäre.
Im übrigen habe der Betroffene schon dreimal seine Familie im Iran besucht, zweimal sogar mit seinem Schweizer Freund. Die Einreise und der Aufenthalt hätten sich dabei problemlos gestaltet. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass ihm bei einer Rückkehr in den Iran eine menschenrechtswidrige Strafe oder Behandlung drohe.

(Quelle sda)

Zur Analyse im Jusletter vom 30. Mai 2011

Eingehender haben sich Seraina Nufer (Rechtsdienst Schweiz. Flüchtlingshilfe) und Maximilian Lipp in einem Artikel für den Jusletter mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts befasst. In ihrer Analyse halten die beiden Juristen fest, dass das Gericht mit seiner Argumentation ausdrücklich seiner bisherigen Rechtsprechung folge. Die Autoren hinterfragen die Rechtssprechungsentwicklung in den vergangenen Jahren und stellen fest, dass «eine überzeugende Begründung für die gefolgerte Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs (...) im Ergebnis (...) nicht erbracht» werde. Nach Ansicht der Autoren wirft der Entscheid mehrere Fragen auf. Der Artikel geht näher auf die Situation Homosexueller in Iran ein. Er analysiert, ob aufgrund der gegebenen Situation ein «real risk» einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung besteht. Ausserdem gehen die Autoren der Frage nach, inwiefern einem Homosexuellen zugemutet werden darf, seine sexuelle Orientierung im Verborgenen zu leben und ob dies mit Art. 8 EMRK vereinbar ist. Zu guter Letzt behandelt der Artikel die Frage, ob der Verweis des Bundesverwaltungsgerichts auf die formellen Beweisregeln der Scharia haltbar sind.

Die Autoren schliessen mit folgendem Ausblick: «Es wäre wünschenswert, dass die Schweizer Behörden ihre überholte Praxis bezüglich Homosexualität, insbesondere die Forderung, diese versteckt zu leben, überdenken. Aus ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aufgrund der EMRK und der GFK (Genfer Flüchtlingskonventionen) heraus sollten sie sich der überzeugenden Argumentation des UK Supreme Courts im Urteil vom 7. Juli 2010 anschliessen und die Unzulässigkeit der Wegweisung feststellen, wenn eine homosexuelle Person bei Rückkehr in den Heimatstaat aus Furcht vor Verfolgung ihre sexuelle Orientierung im Verborgenen leben müsste.»

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