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Konzernverantwortungsinitiative

Argumentarium

05.08.2021

Der gesetzliche Schutz von Mensch und Umwelt hat mit der wirtschaftlichen Globalisierung nicht Schritt gehalten. Auch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sind in Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung weltweit verwickelt. Die Konzernverantwortungsinitiative fordert deshalb, dass Unternehmen Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechts- und Umweltverletzungen verbindlich in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen und für Verletzungen dieser Rechte haftbar gemacht werden können.

Im Folgenden stellt humanrights.ch die wichtigsten Argumente für die Konzernverantwortungsinitiative vor, die aus menschenrechtlicher Perspektive eine Selbstverständlichkeit fordert: Unternehmen, die Menschenrechte verletzten, indem sie beispielsweise auf Kinderarbeit setzen oder Flüsse verschmutzen und damit die Lebensgrundlage tausender Menschen zerstören, sollen für diese Verletzungen geradestehen.

JA zur Konzernverantwortungsinitiative, weil Freiwilligkeit nicht reicht

Heute bestehen diverse Instrumente auf freiwilliger Basis, nach denen sich transnationale Unternehmen bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit orientieren können, um sowohl Menschenrechte als auch Umweltstandards genügend zu berücksichtigen (beispielsweise die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte oder die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen). Bisher fehlt jedoch ein rechtlich verbindliches Instrumentarium in diesem Bereich.

Trotz unzähligen nachweisbaren schweren Menschenrechtsverletzungen herrscht in der Schweizer Politik nach wie vor die Überzeugung vor, freiwillige Standards seien ausreichend, um Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards zu verhindern. So betont der Bundesrat in seiner Botschaft zwar, dass er von allen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz verlangt, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, auf eine rechtlich verbindliche Regelung verzichtet er jedoch und appelliert stattdessen an die Eigenverantwortung der Unternehmen. Mit dieser Haltung verwehren sowohl Parlament wie Bundesrat den Opfern von Menschenrechtsverletzungen das in den Ruggie-Leitlinien vorgesehene Prinzip der Abhilfe.

Die heutige Situation beweist eindeutig, dass die bisher verfolgte Strategie der unternehmerischen Eigenverantwortung nicht funktioniert. Deshalb ist es nun angezeigt, die Unternehmen im Rahmen der Volksinitiative rechtlich bindend den Menschenrechten zu verpflichten!

JA zur Konzernverantwortungsinitiative, weil sie Opfern von Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Unternehmen den Zugang zum Recht ermöglicht

Die Ruggie-Leitlinien legen fest, dass Staaten Opfern ihr menschenrechtlicher Anspruch auf einen gerichtlichen Zugang gewähren müssen. Bisher ist dieser Zugang für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Unternehmen nicht gegeben. Die Konzernverantwortungsinitiative will dies ändern und diese Lücke endlich schliessen.

Die Hürden für eine Schadenersatzzahlung sind aber auch in der Initiative hoch: So muss ein Opfer vor Gericht sowohl (1) den erlittenen Schaden, (2) dessen Widerrechtlichkeit, (3) den Kausalzusammenhang zwischen der Widerrechtlichkeit und dem Schaden nachweisen und (4) beweisen, dass das Schweizer Unternehmen Kontrolle über das entsprechende Unternehmen ausübt. Selbst wenn dieser Beweis gelingt, hat das Unternehmen immer die Möglichkeit, sich von einer Haftung zu befreien, indem es nachweist, dass die entsprechenden Sorgfaltspflichten zur Vermeidung des entstandenen Schadens eingehalten wurden.

Neben dieser inhaltlichen Hürde bestehen auf nationaler Ebene zusätzliche institutionelle Hürden. So ist das Schweizerische Zivilrecht nicht klagefreundlich ausgestaltet. Die Anforderungen an die Nachweise sind grundsätzlich hoch, ebenso die Prozesskosten für die unterliegende Partei. Auch zusätzliche Anreize für Anwälte, durch Erfolgshonorare oder Strafzahlungen, wie etwa in den USA üblich, gibt es hier nicht. Letztlich sind auch Sammelklagen in der Schweiz nicht möglich. Somit bestehen keine finanziellen Anreize, die in der Schweiz zu einer Prozessflut führen könnten.

JA zur Konzernverantwortungsinitiative, weil es sich um eine Lösung mit Augenmass und ohne Bürokratie handelt

Die Volksinitiative sieht vor, Mutterkonzerne und die von ihnen kontrollierten Tochterfirmen zu verpflichten. KMU sind dabei – mit Ausnahme jener Unternehmen, die in Hochrisikosektoren, wie beispielsweise im Abbau und Handel von Diamanten oder Kupfer, tätig sind – von der Initiative ausgenommen.

Die Volksinitiative trägt insbesondere auch dazu bei, dass Unternehmen, die sich bereits heute an die geforderten Menschenrechts- und Umweltstandards halten, zukünftig nicht mehr benachteiligt sind im Gegensatz zu Unternehmen, welche die monetären Gewinne höher gewichten, als die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards.

Der vom Parlament im Rahmen der Aktiengesetzrevision vorgeschlagene indirekte Gegenvorschlag schwächt zentrale Aspekte der Initiative stark ab: Er nimmt sowohl KMU, unabhängig ihres Risikopotentials, von den Verpflichtungen und den Haftungsregeln aus und beschränkt den Kreis der Verpflichteten auf grosse Unternehmen. Ebenso würden, im Gegensatz zur Initiative, nur jene Menschenrechte und Umweltstandards Beachtung finden, die in den durch die Schweiz ratifizierten Verträgen verankert sind.

JA zur Konzernverantwortungsinitiative, weil die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit punkto Menschenrechte zu verlieren droht

Die negativen Schlagzeilen bezüglich der Geschäftstätigkeiten einiger Schweizer Unternehmen beinhalten auch Reputationsrisiken für die Schweiz in ihrer Aussenpolitik im Allgemeinen und für ihre Glaubwürdigkeit als globale Verfechterin der Menschenrechte im Besonderen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich die Schweiz für einen starken Menschenrechtsschutz auch in jenen Bereichen einsetzt, in denen menschenrechtliche Überlegungen und wirtschaftliche Interessen in Konkurrenz stehen. Es wäre ein glaubwürdiges Signal nach aussen, wenn die Schweiz die Wichtigkeit bezüglich Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen nicht nur anpreisen, sondern endlich auch rechtlich verbindlich umsetzen würde.

Mit einer rechtlichen Verankerung der Haftung von Unternehmen im Kontext von Menschenrechts- und Umweltschutz würde die Schweiz dem aktuellen globalen Trend folgen. Insbesondere im Rohstoffbereich (Stichwort: Konfliktmineralien) bestehen zahlreiche legislative Projekte, die Standards festlegen, welche die entsprechenden Unternehmen verpflichten, die Menschenrechte auch bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland zu achten.

JA zur Konzernverantwortungsinitiative, weil unser Wohlstand nicht auf Verantwortungslosigkeit und Menschenrechtsverletzungen aufbauen sollte

Als kleine offene Volkswirtschaft ist die Schweiz auf transnational tätige Unternehmen angewiesen, die durch den Export von Gütern und Dienstleistungen und die Tätigkeiten im Bereich Forschung & Entwicklung einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand des Landes leisten.

Die wirtschaftliche Tätigkeit von Schweizer Unternehmen beruht dabei auf grundlegenden Werten, wie beispielsweise Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt sowie Anstand. Verfolgt man jedoch die Berichterstattung zu den Tätigkeiten einiger Unternehmen mit Sitz in der Schweiz muss man davon ausgehen, dass diese Werte nicht konsequent gelebt werden.

Die Konzernverantwortungsinitiative trägt diesen zentralen Grundwerten Rechnung und verpflichtet die Unternehmen, sich an die Menschenrechte sowie die Umweltstandards zu halten und somit in einer Weise zu wirtschaften, die den ethischen Prinzipien in der Schweiz entspricht.