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Transparenz-Initiative zur Parteienfinanzierung

06.03.2018

Für Wahl- und Abstimmungskämpfe geben politische Parteien immer mehr Geld aus und beeinflussen damit die freie Meinungsbildung. Doch über die Identität der Spenderinnen und Spender schweigen sich die Parteien mehrheitlich aus, ebenso über die Höhe ihrer Budgets. Diese Intransparenz ist in Europa fast einzigartig. Die allermeisten europäischen Staaten verfügen über Gesetze, welche die Offenlegung von Geldgebern politischer Parteien und Kampagnen mindestens teilweise regeln.

Dennoch, die Thematik lässt nicht kalt. In der Schweiz wurde am 11. Oktober 2017 die Initiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» eingereicht. Und am 4. März 2018 haben die Stimmbürger/innen der Kantone Schwyz und Fribourg kantonale Volksinitiativen zur Parteienfinanzierung angenommen.

Mehrere internationale Organisationen haben sich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach zur undurchsichtigen Parteienfinanzierung in der Schweiz geäussert. Besonders aktiv in der Sache ist der Europarat, bzw. dessen Antikorruptionsorgan, die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO). Bereits 2011 wies die GRECO die Schweiz erstmals auf die Problematik der fehlenden Transparenz hin und in ihrem Zwischenbericht vom August 2017 klopfte sie dem Bund bereits zum vierten Mal auf die Finger.

Die schweizerischen Bemühungen sind ungenügend

2011 veröffentlichte die GRECO ihre Analyse zur Schweiz und formulierte sechs Empfehlungen zur Verbesserung der Transparenz. In der Folge überprüfte die GRECO die Einhaltung dieser Empfehlungen durch die Schweiz und kam in einem Bericht, den sie im Oktober 2013 veröffentlichte zum Schluss, dass die schweizerischen Bemühungen ungenügend seien. Gleiches Spiel 2015 und 2017.

Obwohl sie die aktuellen Initiativen für vermehrte Transparenz in der Parteienfinanzierung, sowohl national als auch kantonal, interessiert verfolgt, hält die GRECO immer noch daran fest, dass die von den Schweizer Behörden ergriffenen Massnahmen nicht ausreichen, um als begonnene Umsetzung der Empfehlungen gelten zu können. Bisher gebe es auf Bundesebene nämlich «kein Projekt zur Behebung des im Evaluationsbericht festgestellten Fehlens eines rechtlichen Rahmens und einer geeigneten Kontrolle der Parteienfinanzierung und der Wahlkampagnen».

Der Druck von Aussen steigt...

In Anbetracht der Tatsache, dass 2011 nur gerade eine der insgesamt sechs Empfehlungen der GRECO umgesetzt wurde, entschied das Antikorruptionsorgan des Europarates, Artikel 32 der Geschäftsordnung der GRECO anzuwenden. Artikel 32 betrifft Mitgliedsstaaten, welche die Empfehlungen des Evaluationsberichts nicht respektieren. Die GRECO eröffnete ein Nichtkonformitätsverfahren gegen die Schweiz. An den Umständen, die zu dieser Entscheidung führten, hat sich bis heute nichts geändert. Auch in ihrem vierten Zwischenbericht über die Konformität der Schweiz, veröffentlicht im August 2017, muss die GRECO eine Weigerung der Schweizer Regierung konstatieren, in dieser Sache ein Gesetz zu erarbeiten.

Bereits 2003 hatte der Europarat eine generelle Empfehlung zur Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkampagnen erlassen. Diese schliesst die Transparenz der Finanzierung, der Spenden und der Parteiausgaben mit ein. Konkret sieht diese Empfehlung vor, dass Spenden, welche eine bestimmte Obergrenze überschreiten (Art. 3), sowie die Höhe der Spendenkonten der Parteien (Art. 13), öffentlich gemacht werden. Die Schweiz ist der letzte Mitgliedstaat des Europarates, welcher noch kein Gesetz dazu erlassen hat.

Die GRECO ist im Übrigen nicht die einzige internationale Organisation, welche die fehlende Regelung in der Schweiz als problematisch erachtet. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat der Schweiz mehrmals empfohlen, politische Parteien und Gruppierungen zu verpflichten, die Höhe ihrer Ausgaben sowie die Herkunft ihrer Spenden öffentlich zu machen. Sie sprach das Thema jeweils in ihren Berichten über die Eidgenössischen Wahlen an - erstmals 2008 und erneut 2012.

... und auch innenpolitisch läuft was

Die GRECO begrüsste unter diesen Umständen insbesondere die Transparenzinitiative. Die Initiative, welche im Oktober 2017 durch die SP, Grüne, BDP, EVP, Transparency international und die Piratenpartei eingereicht wurde, besitze dieselbe Stossrichtung wie die Empfehlungen des Europarates und könnte dem «Sonderfall Schweiz» ein Ende setzen.

Die Initiative fordert, so ist es der dazugehörigen Webseite zu entnehmen, dass die Parteien ihre Finanzierung offenlegen und anonyme Grossspenden verboten werden. Sie verlangt ebenfalls, dass die Parteien ihre Rechnung sowie die Herkunft aller Spenden über 10'000 Franken gegenüber der Bundeskanzlei offenlegen. Personen oder Komitees, welche mehr als 100'000 Franken in eine Kampagne investieren, sind ebenfalls verpflichtet, ihre Grossspenden zu deklarieren. Die jeweiligen Zahlen müssen vor Abstimmungen oder Wahlen veröffentlich werden. «Es muss mit offenen Karten gespielt werden», hielt Nationalrätin Nadine Masshardt (SP/BE) anlässlich der Einreichung vor versammelter Presse fest. Die Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht, zu wissen, woher das Geld für Parteien, Abstimmungskampagnen und Komitees kommt. «Die Demokratie lebt von Offenheit und Transparenz», so der Tenor.

  • Transparenzinitiative
    Webseite des Initiativkomitees
  • Transparenz-Initiative eingereicht
    Tagblatt, 10. Oktober 2017 (online nicht mehr verfügbar)

Der Bundesrat will nicht reglementieren

Ein harter Abstimmungskampf zeichnet sich ab. Im Juni 2012 hatte der Bundesrat entschieden, dass die Schweiz die Forderungen der GRECO in Sachen Parteifinanzierung nicht angehen will. Justizministerin Simonetta Sommaruga und Aussenminister Didier Burkhalter haben den GRECO-Vertretern/-innen in Gesprächen mehrfach die Besonderheiten des Schweizer Systems dargelegt, welche eine transparentere Parteienfinanzierung verunmöglichen würden. Wenig überraschend zeigte sich die GRECO nicht überzeugt. Sie erwartet noch immer, dass die Schweiz «ein System zur Transparenz der Parteienfinanzierung schafft, wie die andern Mitgliedstaaten.»

Als der Bund für 2015 einen Zwischenbericht über die unternommenen Anstrengungen erstellen musste, nahm sich der Bundesrat der Sache für einmal an. Bundesrätin Simonetta Sommaruga legte Ende August 2014 den Präsidenten der Bundesrats-Parteien einige Vorschläge zur transparenten Parteienfinanzierung vor. Ersterer sah die zwingende Publikation der Rechnungen der Parteien vor, zum Beispiel auf einer neu zu schaffenden Online-Plattform, während der zweite Vorschlag lediglich von einer freiwilligen Veröffentlichung im Parteienregister sprach.

Beide Modelle wurden dem Bundesrat unterbreitet, der entschied, sie auch den Parteipräsidenten zu präsentieren. Anlässlich der Von-Wattenwyl-Gespräche wurden sie von allen Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, abgelehnt.

Parlament gegen mehr Transparenz

Der Bundesrat und die Parteien sind nicht die einzigen, welche sich gegen mehr Transparenz stemmen. In den vergangenen Jahren gab es im Parlament mehrere Vorstösse von linken Politikern/-innen, die das Ziel, mehr Transparenz zu schaffen, verfolgten. Alle wurden abgewiesen. Eine Mehrheit in den Räten vertrat wie der Bundesrat die Ansicht, dass mehr Transparenz nicht mit der direkten Demokratie und andern Eigenheiten der Schweiz zu vereinbaren sei.

Anlässlich der Sommersession 2014 befasste sich der Ständerat mit einer Parlamentarischen Initiative von Thomas Minder (V, SH), welche börsenkotierten Aktiengesellschaften und Gesellschaften, die von der öffentlichen Hand beherrscht sind, vorgeschrieben hätte, dass Zuwendungen an politische Akteure offen gelegt werden müssen. Nach einer kurzen Diskussion beschloss der Ständerat, der Initiative keine Folge zugeben. Damit war die Vorlage, die zu etwas mehr Transparenz geführt hätte, vom Tisch. Die zuständige Kommission des Ständerats hatte im Mai 2013 der parlamentarischen Initiative von Thomas Minder (V, SH) noch Folge gegeben.

Im Juni 2017 lehnte der Nationalrat zwei Motionen für mehr Transparenz ab, welche bereits 2015 eingereicht worden waren.

Fortschrittlichere Kantone

In den lateinischen Kantonen stösst die Forderung nach mehr Transparenz auf Verständnis. Der Tessin (1998), Genf (1999) und Neuenburg (2013) haben die Parteifinanzierung reglementiert, wenn auch mit relativ weichen Vorgaben. Das Genfer Gesetz sieht vor, dass die Parteien gegenüber der Kanzlei jedes Jahr ihre Konten offenlegen und zwar mit einer Liste der Geldgeber, ohne jedoch den genauen Betrag bekannt geben zu müssen. Anonyme Spenden und Spenden unter einem Pseudonym sind verboten. Gruppen, die sich an einer Abstimmung beteiligen, müssen ihre Konten ebenfalls offen legen und eine Liste der Spender vorlegen. Diese Dokumente können von den Genfer Stimmberechtigten eingesehen werden.
Im Kanton Tessin müssen alle politischen Gruppierungen der Kanzlei die Höhe der Beiträge sowie die Identität ihrer Spender/innen jährlich mitteilen, allerdings nur für Spenden die höher sind als 10‘000 Franken. Die Kandidierenden bei kantonalen Wahlen sowie die Unterstützungskomitees von kantonalen Initiativen und Referenden müssen alle Ausgaben, die über 5'000 Franken liegen, deklarieren. Alle entsprechenden Informationen werden im offiziellen Amtsblatt veröffentlicht.
Die Transparenzregelung im Kanton Neuenburg ist zu weiten Teilen inspiriert von den in den Kantonen Genf und Tessin geltenden Regeln.

Ablehnende Haltungen…

Im Kanton Waadt bemühte sich die Kantonsregierung eine ähnliche Regelung einzuführen. Der Gesetzesentwurf wurde jedoch im September 2012 durch die Ratsrechte begraben.

Der Widerstand der politischen Parteien bleibt insbesondere in der Deutschschweiz gross. Hier erfährt der Ruf nach mehr Transparenz in der Parteifinanzierung allgemein noch weniger Unterstützung: Im Juni 2013 ist im Zürcher Kantonsparlament eine in diesem Sinne eingereichte parlamentarische Initiative abgewiesen worden. Im Kanton Basel-Land wurde ebenfalls im Juni 2013 eine Volksinitiative, welche mehr Transparenz forderte, von der Stimmbevölkerung abgelehnt. Dasselbe Schicksal erfuhr sodann eine Initiative im Kanton Aargau, die im September 2014 zur Abstimmung kam.

…und überraschende Erfolge

Denkbar knapp war der Ausgang für die kantonale Transparenzinitiative im Kanton Schwyz, über welche am 4. März 2018 abgestimmt wurde. Dank exakt 50.28 Prozent der Stimmen herrscht bald auch im Kanton Schwyz eine weitgehende Offenlegungspflicht bei der Finanzierung von Parteien und Abstimmungskomitees. Am selben Wochenende entschied zudem auch die Freiburger Stimmbevölkerung zugunsten der Transparenz, dies jedoch wesentlich deutlicher. Fast 70 Prozent (68.5%) sagten ja dazu, dass Parteien künftig ihr Budget inklusive Angaben zu Spenden von Firmen vor Abstimmungen veröffentlichen müssen. Allgemein soll gelten: Parteispenden über 5'000 Franken müssen mit Namen ausgewiesen werden.   

Beeinträchtigung der freien Meinungsbildung, der politischen Rechte und der Chancengleichheit

Eine Studie der Universität Zürich im Auftrag des Eidg. Justizdepartements (EJPD) aus dem Jahre 2011 zeigt, dass die politischen Parteien vor Wahlen und Abstimmungen heute deutlich mehr ausgeben als früher. Zudem belegt die Studie, dass die Ausgaben der grossen Parteien für ihre Wahl- und Abstimmungskampagnen auf nationaler Ebene stark variieren. Nicht immer gehören diejenigen Parteien oder Gruppen zu den Gewinnern, die am meisten ausgaben.

Dennoch vermag die fehlende Transparenz des Schweizer Systems die politischen Rechte zu beeinträchtigen, insbesondere die freie Meinungsbildung der Wahl- und Stimmberechtigten, wie sie die Bundesverfassung (Art. 34 BV) garantiert. Mehr Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien würde es den Wählenden erlauben, die Identität der Geldgeber, welche möglicherweise auf die Entscheide einer Partei Einfluss nehmen, zu kennen. Nur mit diesem Wissen können die Bürger/innen als «gut informiert» gelten.

Die politischen Parteien haben den Auftrag zur Willens- und Meinungsbildung des Volkes beizutragen (Art. 137 BV). Da die Suche nach Spendengeldern für die politischen Parteien an Wichtigkeit zunimmt, besteht mitunter das Risiko, dass die politische Willensbildung von gewissen Interessengruppen (Banken, Versicherungen sowie anderen bedeutenden wirtschaftlichen Akteuren) beeinflusst und abhängig wird. Fachorganisationen wie Transparency International sehen jedenfalls in der Intransparenz des Schweizer Systems einen «Nährboden, der Korruption begünstigen kann».
Einen weiteren wichtigen Punkt erörtert Korruptionsexperte Tiziano Balmelli in der französischsprachigen Ausgabe der Zeitschrift «Plädoyer» vom August 2011: Für Balmelli ist klar, dass die explosionsartige Zunahme der Kosten von Wahlkampagnen die Chancengleichheit zwischen Parteien und Kandidaten/-innen aufbrechen lässt. Er vertritt die Ansicht, dass Marketingtechniken dazu tendieren, den echten öffentlichen Diskurs und die Konfrontation der Ideen, zwei wichtige Elemente im Bereich der Meinungsbildung der Wählenden, zu verdrängen. Er schlägt deshalb eine Plafonierung der Wahlkampfgelder vor, um die politischen Rechte der Bürger und Bürgerinnen zu schützen.

Neue Internetseite dokumentiert Interessensverbindungen der Parlamentarier/innen

Die Verbindungen von Politikern/-innen zu einzelnen Lobbying-Gruppen sind jedoch unterdessen kein Geheimnis mehr. Im Juni 2014 haben Journalisten/-innen diesbezüglich nachgeforscht und die Beziehungen zwischen Parlamentariern/-innen und Interessengruppen offen gelegt. Die Website Lobbywatch.ch zeigt auf, welche Verbindungen einzelne National- und Ständeräte/-innen zu Unternehmen, Verbänden und Organisationen haben. Das Ziel der Website ist klar: Eine transparentere Politik.

  • Lobbywatch.ch
    Private Website zur Offenlegung der Beziehungen von National- und Ständeräten/-innen

    Ältere Parlamentarische Vorlagen