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Der Schweizer Presserat: Zwischen Meinungsäusserungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz

22.07.2011

Immer wieder erscheinen in der Presse Artikel und Leserbriefe, welche von Einzelpersonen oder Personengruppen als persönlichkeitsverletzend oder diskriminierend empfunden werden. In solchen Fällen kann man sich an den Presserat wenden, eine Institution der freiwilligen Medienselbstkontrolle von Verlagen, Medienhäusern und Journalistenverbänden. Dem Presserat fällt die schwierige Aufgabe zu, in Stellungnahmen und Empfehlungen den schmalen Grat zwischen Meinungsäusserungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu finden.

Welche Funktion hat der Presserat?

Der Schweizer Presserat steht als Beschwerdeinstanz bei medienethischen Anliegen zur Verfügung. Er nimmt auf Beschwerde hin oder auch von sich aus Stellung zu berufsethischen Fragen im Journalismus und soll die Presse- und  Meinungsäusserungsfreiheit verteidigen. Das 21-köpfige Gremium kann Feststellungen treffen und Empfehlungen erlassen, hat aber keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Die Stellungnahmen werden fortlaufend auf der Webseite des Presserates und in dessen Jahresheft veröffentlicht.

Richtlinien des Presserats

In seinen Beurteilungen stützt sich der Presserat auf die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». In den dazugehörigen Richtlinien sind konkrete journalistische Verhaltensrichtlinien ebenso wie allgemeine Normen festgehalten. Die Richtlinie 8.1 etwa schreibt vor, die Journalist/innen hätten sich an der «Achtung der Menschenwürde» zu orientieren und diese «ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen». Die Richtlinie 8.2 fordert dazu auf, bei Berichten über Straftaten Angaben über ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, Krankheiten, körperliche oder geistige Behinderung nur dann zu nennen, sofern sie für das Verständnis notwendig sind. Von der Nennung der Nationalität sei grundsätzlich abzusehen, wenn dies bei Delikten von Schweizer Bürgern ebenfalls unterlassen werde.

Beispiel: Missbrauch eines Fotos

In der Stellungnahme Nr. 7/2011 vom März 2011 (online nicht mehr verfügbar) hiess der Schweizer Presserat die Beschwerde einer Muslimin gegen die «Weltwoche» gut. Dabei ging es um ein Foto, auf welchem unter anderem sie und ihre Schwester zu sehen sind, als sie an einer friedlichen Demonstration gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen teilnehmen. Die Beschwerdeführerin beanstandete, dass dieses Foto zur Illustration eines stark meinungsbetonten Artikels verwendet wurde, der den Islam als potenziell gewalttätig und verfassungsfeindlich denunziert. Der Presserat kam zum Schluss, dass die negative Botschaft des Artikels unweigerlich auch auf die abgebildeten Personen zurück fiel. Zusammenfassend hielt der Presserat folgendes fest: «Niemand muss als Sündenbock mit seinem Gesicht für Vorwürfe haften, die weder etwas mit seiner Person, noch mit der Situation zu tun haben, in der das Bild entstanden ist.» Deshalb befand der Presserat, dass die «Weltwoche» mit der Bildpublikation auch die Privatsphäre der Beschwerdeführerin verletzt hatte.

Beispiel: Umgang mit rassistischen Leserbriefen

In einer wegweisenden Stellungnahme aus dem Jahre 1999 (Nr.22/99, online nicht mehr verfügbar) gab der Schweizer Presserat Empfehlungen für den Umgang mit rassistischen Leserbriefen ab. Dabei wies er darauf hin, dass die Verfasserinnen und Verfasser von Leserbriefen Anspruch auf die grösstmögliche Meinungsäusserungsfreiheit haben sollen, die ethischen Regeln der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» allerdings auch für die redaktionelle Bearbeitung von Leserbriefen gelten würden. Rassistische, diskriminierende und fremdenfeindliche Leserbriefe seien, auch wenn deren Tendenz bloss latent ist, zurückzuweisen.

Dokumentation