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Zahlreiche Empfehlungen des UNO-Ausschusses gegen rassistische Diskriminierung an die Schweiz

07.03.2014

Der UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung hat zum vierten Mal die Bemühungen der Schweiz zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit überprüft und mit einer Schweizer Delegation diskutiert. Er hat zahlreiche Empfehlungen an die eidgenössischen und kantonalen Behörden formuliert und fordert die Schweiz auf, ihre Bemühungen zu verstärken. Die Öffentlichkeit müsse vermehrt über die Auswirkungen rassistischer Haltungen aufgeklärt und für die Einhaltung der Menschenrechte und die Förderung von Respekt und Toleranz unter den verschiedenen nationalen und ethnischen Gruppen müsse sensibilisiert werden.

    Die Schweiz hat sich zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verpflichtet

    Der UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung (CERD) hat in seiner 84. Sitzung vom Februar 2014 zum vierten Mal die Bemühungen der Schweiz zur Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung überprüft. Die Schweiz hat sich mit der Ratifizierung des UNO-Abkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung im Jahre 1994 verpflichtet, Rassismus und rassistische Diskriminierung nicht zu tolerieren und gegenüber der internationalen Gemeinschaft über die im Kampf gegen diese Phänomene getroffenen Schritte regelmässig Rechenschaft abzulegen. Am 14. und 17. Februar 2014 stand nun eine 15-köpfige Schweizer Delegation bestehend aus Vertreter/innen des Bundes und der Kantone dem UNO-Ausschusses (CERD) erneut Red und Antwort zu den von ihr in den Jahren 2008 bis heute ergriffenen Massnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und rassistischer Diskriminierung.

    Zahlreiche Empfehlungen an die Adresse der Schweiz

    Bereits während der Verhandlungen wurde klar, dass sich die Ausschussmitglieder vor allem Sorgen über die Auswirkungen des aktuellen Volksentscheides zur Masseneinwanderungsinitiative sowie auch der Annahme der Ausschaffungsinitiative 2010 oder der Minarettverbotsinitiative 2009 auf die Geltung des Verbots von rassistischer Diskriminierung machen. Die Berichterstatterin für die Schweiz sprach in diesem Zusammenhang gar von einem Trend zur «democratization of discrimination». Der Ausschuss empfiehlt der Schweiz in seinen Schlussempfehlungen deshalb dringend, einen effektiven und unabhängigen Mechanismus einzuführen, mit dem die Kompatibilität von Volksinitiativen mit den auf internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen geprüft werden könne. Der Staat müsse sodann das Bewusstsein der Öffentlichkeit für entsprechende Konflikte und deren Konsequenzen schärfen.

    Problem «Hate Speech»

    Beunruhigt zeigte sich der Ausschuss über die in der Politik und in den Medien immer wieder aufgegriffenen rassistischen Stereotypisierungen und Stigmatisierungen von Personen aus Afrika, Südosteuropa, Muslimen, Fahrenden/Jenischen, Roma, Asylsuchende und Migranten und Migrantinnen. Sorgen bereitet ihm sodann der fremdenfeindliche Diskurs im Zusammenhang mit den erwähnten Volksinitiativen.

    Die Anti-Rassimusnorm von Art. 261bis Strafgesetzbuch werde denn auch sehr restriktiv ausgelegt, befand der Ausschuss. Zum Beispiel fallen in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden rassistische Bemerkungen oder Handlungen, die sich nicht gegen eine konkrete Nationalität oder Ethnie richten, nicht unter die Strafbestimmung. Der Ausschuss fordert die Schweiz auf, die Rechtsdurchsetzungsbehörden für die internationalen Normen zum Schutz vor rassistischer Diskriminierung zu sensibilisieren und entsprechend zu schulen. Er wünscht sich als Antwort auf rassistische Äusserungen und Handlungen eine klare öffentliche Verurteilung von Seiten hochrangiger Behördenmitglieder. Schliesslich weist er an anderer Stelle darauf hin, dass der Öffentlichkeit das Leid, das die Betroffenen durch Rassismus und rassistische Diskriminierung zu erdulden haben, bewusst gemacht werden müsse.

    Verschiedene «Altlasten»

    Die Mehrheit der an die Schweiz gerichteten Empfehlungen sind nicht neu.  Wie bereits in den früheren «Concluding Observations» wurde der Schweiz zur effektiven Umsetzung der mit der Ratifikation des Übereinkommens eingegangenen Verpflichtungen unter anderem erneut empfohlen

    • eine rechtlich verbindliche Definition von rassistischer Diskriminierung einzuführen;
    • im Zivil- und Verwaltungsrecht Rechtsmittel zur Bekämpfung sowohl von direkter als auch indirekter rassistischer Diskriminierung zu schaffen;
    • ein effektives Datensammlungssystem einzurichten, welches ermöglicht, die Wirksamkeit  der ergriffenen Massnahmen zu überprüfen;
    • eine nationale Menschenrechtsinstitution gemäss UNO-Resolution 48/134 zu schaffen sowie das Mandat der Eidg. Kommission gegen Rassismus zu stärken;
    • Diskriminierung im Einbürgerungsverfahren zu beseitigen und einheitliche Standards betreffend die Integration zu schaffen;
    • effektive Massnahmen zur Durchsetzung des Verbots von «racial profiling» zu ergreifen und  in allen Kantonen unabhängige Beschwerdemechanismen gegen Polizeigewalt einzuführen;
    • die Bemühungen zur Sicherung der Rechte nationaler Minderheiten wie der Fahrenden, Jenischen, Sinti und Roma zu verstärken;
    • einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von rassistischer Diskriminierung zu schaffen.

      Grundlagen der Überprüfung

      Dem UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung stand zur Beurteilung der Bemühungen der Schweiz ein umfangreicher Staatenbericht zur Verfügung, der alle erfolgten Schritte und die Entwicklungen aus Sicht des Bundes darlegt. Aufgrund dieses Berichts hat der CERD im Dezember 2013 eine Liste von Fragen veröffentlicht, die er bei der mündlichen Anhörung beantwortet haben wollte.

      Im Vorfeld haben die Ausschussmitglieder darüber hinaus mehrere Berichte von Nichtregierungsorganisationen und andern interessierten Kreisen erhalten (sogenannte Alternativ-Berichte). Humanrights.ch hat in Zusammenarbeit mit NCBI und der Schweiz. Flüchtlingshilfe und namens der Kerngruppe NGO-Plattform Menschenrechte, welche zahlreiche NGO der Schweiz verbindet, einen solchen Bericht verfasst. Dieser Bericht beleuchtet die Entwicklung mit einem kritischen Zugang zur Thematik und hält fest, dass sich bezüglich vieler vom CERD in früheren Verfahren angemahnten Themen nur punktuell etwas verändert hat. Die NGO-Plattform ist der Ansicht, dass der Bund die Empfehlungen des CERD aus dem Jahr 2008 grösstenteils erneut nicht umgesetzt hat.

      Anhörung einer NGO-Delegation

      Am 10. Februar 2014 hat eine Anhörung derjenigen NGOs, die einen Alternativ-Bericht eingegeben hatten, vor dem CERD-Ausschuss stattgefunden. Anwesend waren vier Vertreter/innen der NGO-Plattform sowie zwei Vertreterinnen von Genfer NGOs, die sich insbesondere mit der Situation von Migrantinnen in der Schweiz befassen. Die Vertreter/innen der NGO-Plattform legten in drei Voten dar, wie das gegenwärtige Klima in der Schweiz bezüglich Rassismus einzuschätzen ist und gingen auf weitere konkretere Problemfelder ein. Zu den erörterten Themen gehörten die fehlende Antidiskriminierungsgesetzgebung, die Polizeiarbeit sowie die Situation von bestimmten verletzlichen Gruppen in der Schweiz. Der Fokus lag dabei auf den Alltagsproblemen von Flüchtlingen, vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden und etwa auch von Angehörigen der einheimischen Jenischen, Sinti und Roma.

      Nach den Darlegungen der NGO-Vertreter/innen folgten Fragen der Ausschussmitglieder. Diese signalisierten ein bemerkenswertes Interesse an der Einschätzung und der Auswirkung der am 9. Februar 2014 erfolgten Annahme der Masseneinwandersungsinitiative der SVP. Ihre Fragen fokussierten ferner auf Themen wie Racial Profiling, weibliche Angehörige von Minderheiten und zu Einschränkungen für Asylsuchende. Ausserdem wollte ein Ausschussmitglied wissen, ob die Volksinitiativen nicht von beschränkter Wirkung seien angesichts von bestehenden internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Schweiz.

      Bericht der Schweiz an den UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung

      (Ergänzender Artikel vom 03.12.2012)

      Der Bundesrat hat den siebten, achten und neunten Bericht der Schweiz über die Umsetzung des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (CERD) am 30. November 2012 genehmigt. Der Bericht zeigt die Anstrengungen des Bundes zur Bekämpfung von Rassismus und rassistischer Diskriminierung im Zeitraum 2008-2011 auf. Er wird nun an den UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung übermittelt.

      Weshalb drei Berichte in einem?

      Der siebte und achte Bericht war von der Schweiz auf den 14. November 2010 geschuldet. Aufgrund der zweijährigen Verspätung umfasst der vorliegende Bericht nun auch noch den neunten Bericht. Die Zusammenlegung mehrerer Berichte ist bei der Berichterstattung zur Anti-Rassismuskonvention indessen gebräuchlich. Diese sieht nämlich eine vergleichsweise sehr kurze Frist von zwei Jahren für die periodische Berichterstattung vor (siehe Art. 9 CERD), während die anderen UNO-Menschenrechtsverträge in der Regel einen Fünfjahreszyklus festgelegt haben. Die Zweijahresfrist hat sich denn auch als nicht praktikabel erwiesen, zumal die Konvention von 175 Staaten ratifiziert worden ist.

      «Wichtige Empfehlungen realisiert»

      Der nun vorliegende Bericht dokumentiert die Bemühungen der Schweiz für den Zeitraum von August 2008 bis Dezember 2011. Der Bundesrat betont, dass die Schweiz der Umsetzung des Übereinkommens grosse Bedeutung zumisst. Seit der Präsentation des letzten Berichts seien wichtige Empfehlungen des Ausschusses realisiert worden. Verwiesen wird insbesondere auf «die konsequente Umsetzung des Diskriminierungsschutzes im Rahmen der Integrationsmassnahmen auf Ebene von Bund, Kantonen und Gemeinden». Insbesondere seien das Beratungsangebot für Diskriminierungsopfer ausgebaut und die Prävention von struktureller Diskriminierung verstärkt worden.

      Der Bericht wurde von der Direktion für Völkerrecht DV des Eidg. Departementes für auswärtige Angelegenheiten gemeinsam mit der Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB erstellt. Er gliedert sich in drei Teile: Den grössten Raum nimmt der erste Teil ein, der mit «Allgemeine Informationen» überschrieben ist. Im zweiten Teil folgt eine artikelweise Überprüfung der Umsetzung von Artikel 2 bis 7 CERD. Im dritten und kürzesten Teil schliesslich folgt die besonders interessierende Stellungnahme zu den Schlussbemerkungen des Ausschusses vom 14. August 2008.

      Puzzle zur Gesetzgebung gegen Diskriminierung

      Der gewählte Aufbau hat notgedrungen viele Wiederholungen zur Folge. So finden sich zum Beispiel an drei verschiedenen Orten Ausführungen zur schweizerischen Antidiskriminierungsgesetzgebung (siehe Ziff. 93 f.; 126 und 263 ff.). Wenn man die drei Passagen zusammen nimmt, ergibt sich die Botschaft, dass der Bundesrat seine Auffassung bestätigt, wonach die bestehenden gesetzlichen Grundlagen derzeit genügend Schutz vor Diskriminierung bieten würden, er sich aber durchaus bewusst sei, dass nur wenige Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung angestrengt werden. Möglicherweise, so der Bundesrat, erscheine der Rechtsweg manchen Betroffenen wenig attraktiv, weil die Kosten und Risiken im Vergleich zum relativen Nutzen eines Erfolgs recht hoch sind (Ziff. 93).

      In Ziff. 126 findet sich ein Überblick über die verschiedenen, möglicherweise gegen Diskriminierung hilfreichen Bestimmungen im Schweizerischen Recht (z.B. der Hinweis auf das Gleichstellungsgesetz, das Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet und nicht eigentlich hilfreich ist gegen rassistische Diskriminierung) und in Ziff. 264 erfährt man, dass es zutreffe, dass eine allgemeine Gesetzgebung zur Bekämpfung von Diskriminierungen auf Bundesebene fehlt. Dies sei aber weniger Ausdruck eines materiellen Mangels, sondern vielmehr ein Zeichen der besonderen Ausprägung der schweizerischen Rechtsordnung. In Ziff. 266 wird angefügt: «Für eine auch auf nationaler Ebene von der EKR und zahlreichen NGO geforderte umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung fehlt zur Zeit der politische Wille.»

      Erwähnt wird schliesslich, dass der Bund eine Untersuchung durchzuführen plant, «um die Mechanismen, die bei Diskriminierungsproblemen den Zugang zur Justiz erleichtern beziehungsweise erschweren, besser einschätzen zu können». Dem Vernehmen nach ist die Ausarbeitung eines entsprechenden Mandats bereits im Gange.

      Tendenz zu ausufernden Berichten

      Für den Ausschuss CERD dürfte der Bericht nicht optimal sein: Er ist mit 119 Seiten Text schlicht zu lang. Nicht nur der Ausschuss gegen Rassismus sondern auch etwa der Ausschuss gegen die Diskriminierung der Frau (CEDAW) kämpfen gegen ausufernde, unüberblickbare Staatenberichte und versuchen, die Staaten auf die Vermittlung der wesentlichen Informationen einzuschwören. CERD verlangt von den Staaten - durchaus erfolgreich, wie etwa das Beispiel Österreichs zeigt -, dass die periodischen Berichte nicht länger als 40 Seiten sein sollen. Offenbar wurde die Vorgabe so interpretiert, dass bei der Abgabe von drei Berichten in einem sich die Seitenzahl auch verdreifachen kann.

      Dokumentation