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Rassismus - Dossier

Racial Profiling: Definitionen und Rechtsgrundlagen

24.01.2024

Racial Profiling, auch als rassistisches Profiling bezeichnet, ist eine Praxis, bei der die Polizei Personen aufgrund von äusseren Merkmalen wie Hautfarbe oder vermuteter Religionszugehörigkeit einer bestimmten Personengruppe zuordnet und pauschal als verdächtig behandelt. Diese Praxis ist in vielen Ländern, darunter auch in der Schweiz, weit verbreitet und wird von Menschenrechtsorganisationen als menschenrechtswidrig kritisiert. Die Praxis des Racial Profilings kann zu psychischen Schäden bei den Betroffenen führen. So können sie sich gedemütigt, verunsichert und bedroht fühlen. In einigen Fällen kann Racial Profiling sogar zur Gefahr für die Betroffenen werden.

Begriff und Problematik

Der Ausdruck «Racial Profiling» stammt aus den USA, in denen vor allem Afroamerikaner*innen und Personen lateinamerikanischer Abstammung von überdurchschnittlich vielen polizeilichen Personenkontrollen betroffen sind. Im europäischen Kontext sind neben Schwarzen auch Personen aus der Balkanregion, Rom*nja sowie aus arabischen Ländern und Muslim*innen von ungerechtfertigten Personen- und Fahrzeugkontrollen betroffen.

Weil in Europa das Adjektiv «rassisch» nicht auf die sozial gemachten Unterschiede verweist, sondern als Element von rassistischen Ideologien aufgefasst wird, verwenden wir im vorliegenden Text ausschliesslich den Ausdruck «rassistisches Profiling». Dabei beziehen wir uns auf den Begriff des Rassismus in der weiten Bedeutung, welche auch alle Formen der kulturalisierenden Unterordnung umfasst.

Arbeitsdefinition

Der Begriff «Rassistisches Profiling» bezeichnet alle Formen von diskriminierenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegenüber Personengruppen, welche von Polizisten*innen als «fremd» wahrgenommen werden. Die folgenden Ausführungen erläutern diese Definition.

Was bedeutet «Profiling»?

  • «Profiling» meint ein zielgerichtetes Kategorisieren von Menschen.
  • Kategorisierung ist das Zuordnen von Menschen zu Gruppenkategorien, wie zum Beispiel Geschlecht, Alter, soziale Schicht, ethnische Herkunft, Subkultur, soziale Rolle, sexuelle Orientierung etc.

Solche Kategorisierungen finden spontan bei jeder zwischenmenschlichen Wahrnehmung statt. In manchen Zusammenhängen werden soziale Kategorisierungen als Methode verwendet, um bestimmte Ziele zu erreichen. So wird im Fussball anhand bestimmter Suchkategorien (Verteidigungsposition, nicht älter als 21, nicht teurer als SFR 100‘000 etc.) auf die Spielendensuche gehen. Oder die Marketingfachperson versucht, das Zielpublikum ihres Produkts einzugrenzen, indem sie gewisse Eigenschaften des Produkts hervorhebt und diesen Eigenschaften bestimmte soziale Kategorien zuordnet, welche dann die Zielgruppe definieren. Beides ist «Profiling» im Sinne des zielgerichteten Kategorisierens von Menschen.

Auch für die Polizei ist Profiling eine wichtige Arbeitsmethode, vor allem bei den Ermittlungen zu einem Delikt. Da wird aufgrund von Zeug*innenaussagen, Tatortspuren und Hypothesen ein bestimmtes Täter*innenprofil erstellt, welches unter anderem auch soziale Kategorisierungen enthält. Wenn danach Menschen auf den Radar der Polizei geraten, die dem Täter*innenprofil entsprechen, so sind sie verdächtig und werden überprüft. Solange diese Profile auf objektiven Fakten beruhen, die statistisch nachweisbar ausgeprägte Hinweise für kriminelle Aktivitäten sind, ist an diesem kriminalistischen Profiling nichts auszusetzen.

Dasselbe gilt für folgendes Beispiel: Wenn beispielsweise eine Gefängnisverwaltung die Erfahrung gemacht hat, dass es immer wieder zu grösseren Schwierigkeiten gekommen ist, wenn Angehörige einer Personengruppe X und einer Personengruppe Y  in derselben Zelle untergebracht wurden, so kann das vorgängige Profiling ein vernünftiges Mittel für den Entscheid sein, welcher Zelle ein*e neue*r Insasse*in zugeteilt wird.

Rassistisches Profiling

Rassistisches Profiling wird dann zum Problem, wenn die Methode auf diskriminierende Weise angewandt wird. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang von Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, und zwar dann, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind:

  • a) Das Verhalten der kontrollierten Person gibt keinen Anlass für die Personenkontrolle.
  • b) Die kontrollierte Person wird aufgrund ihres Erscheinungsbilds von den Sicherheitsbeamt*innen als «fremd» wahrgenommen.

In einem solchen Fall ist die gruppenbezogene Zuschreibung offensichtlich das hauptsächliche Motiv für die Überprüfung der Person. Dies ist als sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, d.h. als verbotene Diskriminierung, zu bewerten. Rassistisches Profiling ist also eine Spielart der rassistischen Diskriminierung.

Wenn die gruppenbezogene Zuschreibung jedoch ein sachlich begründetes Element zum Beispiel im Steckbrief einer zur Fahndung ausgeschriebenen Person ist, handelt es sich zwar auch um rassistisches Profiling, aber ohne diskriminierenden Charakter, da es eine konkrete Verdachtsgrundlage gibt.

Wir verwenden den Ausdruck «rassistisches Profiling» im Bewusstsein, dass der diskriminierende Charakter in vielen Situationen umstritten ist. Ausserdem beschränken wir den Gebrauch des Ausdrucks des «rassistischen Profilings» auf Fälle von Personen- und Fahrzeugkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden, obwohl diese Methode vereinzelt auch bei anderen polizeilichen Tätigkeiten sowie Tätigkeiten von privaten Sicherheitsdiensten ins Spiel kommen kann.

Ursachen und Wirkung

Das Ausmass von rassistischem Profiling ist umstritten. Zum einen gibt es länder-, städte- und quartierspezifische Unterschiede. Zum andern fehlen in den meisten Staaten einigermassen zuverlässige Daten über das Vorkommen von rassistischem Profiling. Die subjektiven Erfahrungen von Angehörigen bestimmter Personengruppen sind zwar ein wichtiges Indiz, lassen aber keine Schlüsse zu auf das quantitative Vorkommen von rassistischem Profiling.

Ebenfalls kontrovers beurteilt wird die Frage, ob rassistisches Profiling als institutionelles Problem der Polizei oder eher als spezifisches Problem von bestimmten einzelnen Polizist*innen zu betrachten sei. Auch diese Frage lässt sich nicht losgelöst von einem territorialen Kontext beantworten. Zudem muss der Vorwurf, es handle sich um eine Form des institutionellen Rassismus, empirisch belegt werden, um stichhaltig zu sein. Dies bedeutet, dass man den konkreten Nachweis erbringen muss, dass und wie das rassistische Profiling institutionell verankert ist (z.B. in Form von Einsatzdoktrinen, Dienstbefehlen etc.).

Betroffene und Expert*innen streben eine Verschärfung dieses Kriteriums für institutionellen Rassismus an und fordern, dass die Institution Polizei darüber hinaus den Nachweis erbringen muss, dass sie alle nötigen Vorkehrungen getroffen hat, um rassistisches Profiling zu verhindern (vgl. unseren Artikel: «Betroffene und Expert*innen gegen rassistisches Profiling»). Demnach hätte die Polizei in Sachen rassistisches Profiling nicht nur eine Unterlassungs- sondern auch eine Präventionspflicht. Eine solche Ausweitung muss allerdings von der Politik gestützt sein, damit sie praktische Gültigkeit erlangt.

Sozialpsychologische Ursachen

Auf der individuellen Ebene der einzelnen Polizist*innen ist das rassistische Profiling oft in unbewusster Weise motiviert, und zwar in Form von unreflektierten Einstellungen und Vorurteilen. Das heisst: Obwohl keine bewusste rassistische Absicht bestehen muss, wird das Handeln mitunter von solchen unbewussten Vorurteilen geleitet.

Rassistische Stereotypen gehen oftmals auf koloniale Einstellungen (wie der vorgestellten «Überlegenheit der europäischen Kultur») oder innereuropäisch gewachsene Ressentiments (etwa gegenüber Menschen aus der Balkanregion) zurück.
Solche rassistischen Stereotypen können innerhalb eines Polizeikorps auf der Ebene der informellen Kommunikation laufend bestätigt, verstärkt und verfestigt werden. Ist dies der Fall, so werden sie zu einem selbstverständlichen Bestandteil des «Korpsgeistes».

Sachlich begründet und wirksam?

Wo rassistisches Profiling auf der institutionellen Ebene bewusst gerechtfertigt wird, hört man aus Polizeikreisen öfters das Argument, rassistisches Profiling käme nur dort zum Zug, wo entsprechende Erfahrungswerte vorliegen. Diese sachliche Begründung werde dann auch durch die Wirksamkeit der Methode bestätigt. Bei diesem Argument handelt es sich jedoch in vielen Fällen nur um einen institutionell verankerten Glauben.

Zum einen belegen internationale Studien, dass Profile, die sich hauptsächlich auf äussere Merkmale stützen, nicht immer wirksam sind. So zeigen etwa Studien zu Drogenkurier*innen, dass die Wirksamkeit bzw. «Trefferquote» polizeilicher Massnahmen verbessert werden kann, wenn aus dem generellen Täter*innenprofil die äusserlichen Merkmale ausgeklammert werden.

Ausserdem stellt sich die Frage, ob die vorgeblichen «Erfahrungswerte» hinsichtlich verschiedener Personengruppen primär aufgrund unterschiedlicher Verhaltensweisen oder erst aufgrund der ungleich häufig ausgeführten Kontrollen entstehen. Je öfter eine Gruppe kontrolliert wird, desto öfter werden Straftaten entdeckt. Dieser «Erfolg» kann wiederum als Rechtfertigung für das eigene Handeln und entsprechende Kontrollen dienen. Für diejenigen Straftäter*innen, welche nicht Träger*innen jener äusseren Merkmale sind, auf welche die Polizeibeamt*innen fokussieren, stellt rassistisches Profiling auch immer eine Chance dar, unentdeckt zu bleiben.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Auch relativ harmlos scheinende Personenkontrollen können zu traumatischen Erfahrungen werden, wenn sie wiederholt stattfinden. Rassistisches Profiling stellt ganze Bevölkerungsgruppen unter einen Generalverdacht. Dies ruft bei den betroffenen Personen chronische Gefühle der Erniedrigung, Nicht-Zugehörigkeit, Verbitterung oder Misstrauen hervor, wie zahlreiche Studien und Berichte zur Perspektive der Betroffenen belegen.

Rechtsgrundlagen

Verschiedene internationale Organe, Gerichte und Organisationen haben festgehalten, dass rassistisches Profiling gegen das Diskriminierungsverbot verstösst und damit völkerrechtswidrig ist. Denn dieses verbietet qualifizierte Ungleichbehandlungen und es schützt Personen davor, dass sie aufgrund einer sensiblen Gruppenzugehörigkeit in vergleichbaren Situationen schlechter behandelt werden als die übrige Bevölkerung. Personenkontrollen, die auf Kriterien wie der Hautfarbe oder einer vermeintlich ethnischen Zugehörigkeit eines Menschen basieren, stellen solche verbotenen Ungleichbehandlungen dar.

In der Schweizer Rechtsordnung wird das Verbot der rassistischen Diskriminierung auf verschiedenen Ebenen festgehalten. Zentral ist dabei das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot in Artikel 8 der Bundesverfassung. Darüber hinaus gibt es kein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz. Der Schutz vor Diskriminierung ist auf sektoraler Basis gelegt. Mehr zu den Schweizerischen Rechtsgrundlagen findet ihr hier im Rassismus-Dossier sowie hier im Polizei-Dossier.

Racial Profiling kann eine Vielzahl von Menschenrechten verletzen. Dazu gehören insbesondere:

  • Das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 7 BV, Artikel 14 EMRK, Artikel 2 Pakt II)
  • Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 BV, Artikel 3 EMRK, Artikel 7 Pakt II)
  • Das Recht auf Privatsphäre (Artikel 13 BV, Artikel 8 EMRK, Artikel 17 Pakt II)
  • Das Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 16 BV, Artikel 10 EMRK, Artikel 19 Pakt II)
  • Das Recht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 22 BV, Artikel 11 EMRK, Artikel 21 Pakt II)

Massnahmen zur Vermeidung von Racial Profiling

Um Racial Profiling zu verhindern, sind menschenrechtliche Standards bei Polizeikontrollen erforderlich. Dazu gehören insbesondere:

  • Klare gesetzliche Vorgaben: Die Polizei muss gesetzlich verpflichtet sein, bei Polizeikontrollen keine Diskriminierung vorzunehmen.
  • Ausbildung der Polizei: Die Polizei muss in menschenrechtlichen Standards und in der Bekämpfung von Racial Profiling geschult werden.
  • Überwachung der Polizei: Die Polizei muss von unabhängigen Stellen überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie die menschenrechtlichen Standards einhält.

Zusätzlich können folgende Methoden zur Vermeidung von Racial Profiling angewendet werden:

  • Randomisierte Personenkontrollen: Personenkontrollen sollten nicht aufgrund von äusseren Merkmalen, sondern zufällig durchgeführt werden.
  • Statistiken: Die Polizei sollte Statistiken über Personenkontrollen führen, um mögliche Diskriminierungsmuster zu erkennen.
  • Beschwerdemöglichkeiten: Betroffene von Racial Profiling sollten die Möglichkeit haben, sich bei unabhängigen Stellen zu beschweren.

Die Umsetzung dieser Empfehlungen würde dazu beitragen, Racial Profiling zu verhindern und die Rechte von Menschen aller Herkunft zu schützen.

Dokumentation