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Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz warnt vor Antiterrorgesetzen

15.06.2020

Am 16. Juni und während der Herbstsession entscheidet der Nationalrat über Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz warnt zusammen mit internationalen Experten vor der Verabschiedung dieser Vorlagen. Terrorbekämpfung, die fundamentale Menschenrechte verletzt, würde Verurteilungen auf internationaler Ebene nach sich ziehen und dem Ansehen der Schweiz schaden.

Medienmitteilung vom 15. Juni 2020

Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz, ein Zusammenschluss von über 80 Nichtregierungsorganisationen, stellt sich entschieden gegen zwei Gesetzesvorlagen, welche am kommenden Dienstag und in der Herbstsession im Nationalrat verhandelt werden. Die Organisationen fordern, dass das Parlament auf die warnenden Stimmen von Expertinnen und Experten der wichtigsten globalen und europäischen Menschenrechtsgremien hört. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz ruft die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf, auf die Antiterrorvorlagen nicht einzutreten beziehungsweise sie an den Bundesrat zurückzuweisen, damit sie in Einklang mit den Menschenrechten gebracht werden können.

Die schweizerischen Menschenrechtsorganisationen, die in der NGO-Plattform vereint sind, haben seit Monaten vor der gefährlichen Ausrichtung und den unabsehbaren Konsequenzen der Antiterror-Gesetzgebung gewarnt. Sie sehen sich durch internationale Expertinnen und Experten für Menschenrechte bestätigt. «Terrorbekämpfung, welche die menschenrechtlichen Verpflichtungen missachtet, wie sie auch in der Verfassung verankert sind, gefährdet die Sicherheit, die sie eigentlich gewährleisten will. Und sie setzt die Glaubwürdigkeit der Schweiz im internationalen Menschenrechtsschutz mit Genf als UNO-Menschenrechtsstadt aufs Spiel», so Alicia Giraudel, Juristin bei der Schweizer Sektion von Amnesty International.

Ungewöhnlich deutliche Kritik am geplanten Gesetz für Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) wurde von fünf UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte in einer gemeinsamen Stellungnahme (PDF) formuliert: «Die erforderliche Klarheit fehlt, um sicherzustellen, dass die im Rahmen dieses Gesetzes getroffenen Massnahmen notwendig und verhältnismässig sind.» Die weitreichenden Befugnisse, die Fedpol übertragen werden sollen, seien «äusserst besorgniserregend». Die Expertinnen und Experten stellen in ihrem Schreiben an den Bundesrat fest, dass die im Gesetzentwurf enthaltene Definition von «terroristischen Aktivitäten» nicht mit den Definitionen «des Sicherheitsrates und dem Mandat des UNO-Sonderberichterstatters für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundrechte im Kampf gegen Terrorismus übereinstimmt».

Die Menschenrechtsbeauftrage des Europarates erachtet die vage Definition von «Gefährdern» als besonders problematisch: «Der Wortlaut des Gesetzentwurfs, der vor allem auf mutmassliche und zukünftige Handlungen abzielt, bietet keine ausreichenden rechtlichen Garantien hinsichtlich der Anwendung der Massnahmen. Das Fehlen einer klaren und präzisen Definition öffnet den Weg für eine breite Auslegung, die das Risiko von übermässigen und willkürlichen Eingriffen in die Menschenrechte birgt.» Die Menschenrechtsbeauftragte hält fest, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Hausarrest laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als Freiheitsentzug angesehen wird. Diese schwerwiegende Massnahme sei kaum mit der EMRK in Einklang zu bringen.

Schweizer Uno-Experten für Kinderrechte äussern sich ebenso unmissverständlich:

«Der Polizei zu erlauben, Zwangsmassnahmen gegen 12-jährige Kinder zu ergreifen, ist eine Verletzung der Verpflichtungen der Schweiz gegenüber ihren Kindern», halten der frühere Schweizer Präsident und das jetzige Schweizer Mitglied des UNO-Ausschusses für die Rechte des Kindes fest. Die Schweiz sei «an die Konvention über die Rechte des Kindes von 1989 gebunden, in der die Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf die Jugendgerichtsbarkeit sehr klar festgelegt sind.» Sie ziehen das Fazit: «Die Politik muss noch einmal über die Bücher!»

Hintergrund

Mehrere Organisationen der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz – darunter humanrights.ch, Amnesty International und grundrechte.ch – hatten sich bereits in der Vernehmlassung kritisch zu den Vorlagen geäussert. Die Einwände wurden vom Bundesrat in den nun vorliegenden Entwürfen kaum berücksichtigt.

Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz ist ein Zusammenschluss von mehr als 80 schweizerischen Nichtregierungsorganisationen. Die Organisationen setzen sich für die Einhaltung der Menschenrechte in der Schweiz und/oder im Ausland ein. Mehr Informationen.

Stellungnahmen

Auskunft

Matthias Hui, Koordinator der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz,  E-Mail
Beat Gerber, Mediensprecher, Amnesty International, Schweizer Sektion, +41 (0)79 379 80 37, E-Mail