humanrights.ch Logo Icon

Menschenrechtsverteidiger/-innen: Gegensätzliche Signale aus der Schweiz

25.11.2009

Personen, die sich für Menschenrechte einsetzen, leben gerade in Bürgerkriegssituationen gefährlich. Ihnen droht von privater wie staatlicher Seite Gefahr an Leib und Leben, weil häufig beide Akteure Menschenrechtsverbrechen begehen. Die Schweiz bemüht sich mit einem innovativen Projekt, bedrohte Menschenrechtsverteidiger/-innen besser vor Verfolgung zu schützen. Auf der anderen Seite zeigt ein konkreter Fall, dass die schweizerischen Asylbehörden die Bedrohungslage von Menschenrechtlern/-innen nicht immer richtig einschätzen.

Patenschaftsprojekt «Menschenrechtsverteidiger verteidigen»

Dimitri, Rolf Bloch, Rosmarie Zapfl und Mario Botta - diese und zehn weitere Prominente haben eine Patenschaft für eine/n Menschenrechtsaktivisten/in übernommen. Das Projekt hat die Organisation Mondiale contre la torture (OMCT) in Zusammenarbeit mit dem Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) 2007 lanciert. OMCT steht mit einer Reihe von Menschenrechtlern/-innen in Kontakt. Ist eine dieser Personen bedroht, fragt die Organisation einen Paten für eine konkrete Aktivität an. Dies bietet den Menschenrechtsaktivisten/-innen einen gewissen Schutz und erhöht die Legitimität ihrer Arbeit. Gleichzeitig wird ein breiteres Publikum auf die oftmals schwierige Situation von Menschenrechtsverteidigern/-innen aufmerksam. Dies wiederum setzt Regierungen, welche ihre Bürger/-innen nicht genügend schützen, unter Druck.

Was eine solche Patenschaft bewirken kann, zeigt das Beispiel Azer Samedov: Dem Menschenrechtsaktivisten aus Aserbaidschan drohte im Februar 2008 die Auslieferung an seinen Heimatstaat durch Georgien. Dies konnte u. a. durch einen Brief des Schweizer Paten Rolf Bloch an die georgische Staatsanwaltschaft verhindert werden. Aufgrund einer Intervention vom UNHCR reiste Samedov später mit seiner Familie als anerkannter Flüchtling nach Holland aus. Doch auch hier drohte ihm vorübergehend die Auslieferung, denn wegen eines aserbaidschanischen Haftbefehls nahmen ihn die niederländischen Behörden sofort fest. Erst die verschiedenen internationalen Reaktionen (unter ihnen ein erneuter Brief von Rolf Bloch) konnten bewirken, dass Azer Samedov schliesslich frei gelassen wurde und nun in Holland Schutz geniesst.

Mangelnde Sensibilität oder zu hohe Arbeitslast bei den Asylbehörden?

Weniger Unterstützung durch die Schweiz erfuhr ein Menschenrechtsaktivist aus Sri Lanka, der 2005 in der Schweiz ein Asylgesuch stellte. Der freie Journalist Romano Paganini schildert das Schicksal von Ravi Sekera (Name geändert) in einem Artikel für die Wochenzeitung (WoZ). Sekera legte den Behörden zahlreiche Beweise für seine Arbeit als Menschenrechtler vor, darunter etwa Bestätigungsschreiben von Amnesty International. Dennoch entschieden das Bundesamt für Migration (BFM) und die Asylrekurskommission (ARK), dass der Menschenrechtsaktivist die Bedingungen für eine Aufnahme nicht erfülle.

Bemerkenswert sind dabei zwei Sachen: Der Entscheid fiel auffallend schnell und die Begründung der Behörden lässt auf wenig Sachkenntnis schliessen. Sekera erhielt 24 Stunden nach der behördlichen Befragung bereits den ablehnenden Entscheid; die ARK brauchte für die Beurteilung der dreissigseitigen Beschwerdeschrift und den beigelegten 17 Beweisstücken gerade mal drei Wochen. Anwältin Carola Reetz und Journalist Paganini schliessen daraus, dass die Asylbehörden mit der Flut von Anträgen völlig überfordert seien und Gesuche am liebsten mit einer Standardantwort abwiesen.  Zudem lässt die Begründung der Behörden aufhorchen: Ravi Sekera deckte während Jahren im Bürgerkrieg in Sri Lanka Morde auf, hinter denen teilweise die LTTE und teilweise die srilankische Regierung steckten. Nach Drohbriefen durch die LTTE floh er vorerst aus der Krisenregion nach Colombo. Als ihn dort die Polizei verhörte, weil er keinen Pass auf sich trug, fürchtete er erneut um sein Leben und floh über Italien in die Schweiz. Im Schreiben an den Menschenrechtler hält das BFM trotzdem wiederholt fest, es wäre für Sekera zumutbar gewesen, vor Übergriffen durch die LTTE bei den srilankischen Behörden um Schutz nachzusuchen. Dies obwohl mehrere Kollegen des Aktivisten unterdessen umgekommen waren und seine Familienangehörigen in Colombo mehrmals bedroht worden waren. Zudem hatte die Schweizerische Flüchtlingshilfe 2007 in einem Bericht festgehalten, dass der srilankische Staat nicht fähig sei, Menschen, die von der LTTE bedroht würden, vor Übergriffen zu schützen.

Im Fall von Ravi Sekera nützten die engagierten Einwände von Organisationen und Personen nichts. Die Schweiz gewährte dem Flüchtiling und seiner Familie keinen Schutz. Den erhielten sie erst durch eine weitere Flucht mit falschen Papieren über Paris nach Kanada, wo das Asylgesuch von Ravi Sekera problemlos bewilligt wurde. Das BFM wollte zum Fall bisher keine Stellung nehmen. Dabei wäre aus Sicht der Menschenrechte durchaus von Interesse, ob die Asylbehörden die Situation von Menschenrechtlern regelmässig ähnlich falsch einschätzen. Die Begründung des BFM im Fall Sekera legt einen solchen Schluss durchaus nahe.

In Ausschaffungsfällen ist Menschenrechtsverträglichkeit wichtig

Der Blick auf einen ganz anders gerichteten Fall zeigt, wie störend solch unterschiedliche Beurteilung von menschenrechtlichen Kriterien durch die Bundesstellen sein kann. Das Bundesamt für Justiz (BJ) wies vor kurzem das Auslieferungsgesuch eines mutmasslichen Génocidaires ab, der in Ruanda wegen Völkermords an den Tutsi vor Gericht gestellt werden sollte. Dies mit der Begründung, dass aufgrund der dortigen problematischen Menschenrechtslage kaum aussagewillige Entlastungs­zeugen zu finden seien, womit ein faires Verfahren nicht möglich sei.