humanrights.ch Logo Icon

Die Schlussakte von Helsinki

Am 1. August 1975 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten in Helsinki die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE (seit 1995 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE).

Die Unterzeichnung gilt als historischer Durchbruch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges: Erstmals haben die massgeblichen Staaten des Westens (inklusive der USA) und des Ostblocks (inkl. der Sowjetunion) ein umfassendes Abkommen geschlossen, das den Willen zur Zusammenarbeit in unterschiedlichen Themen- und Handlungsfeldern dokumentiert.

Zehn Prinzipien

Im Prinzipienkatalog («Dekalog») der Schlussakte definierten die Teilnehmerstaaten zehn Grundregeln ihrer zukünftigen Beziehung. Im Prinzip VII wurde zur Bedeutung der Menschenrechte unter anderem folgendes festgehalten:

«Die Teilnehmerstaaten anerkennen die universelle Bedeutung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Achtung ein wesentlicher Faktor für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Wohlergehen ist, die ihrerseits erforderlich sind, um die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen ihnen sowie allen Staaten zu gewährleisten.»

Durch die Anerkennung der universellen Bedeutung der Menschenrechte wurden die Menschenrechte zu einem legitimen Gegenstand der internationalen Beziehungen erklärt und dem Bereich der innerstaatlichen Angelegenheiten entzogen. Da die Schlussakte im Prinzip VI aber auch das Verbot der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten postulierte, war der Normkonflikt vorprogrammiert. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten verwahrten sich dementsprechend nach der Verabschiedung der Schlussakte von Helsinki gegen westliche Kritik.

Drei «Körbe»

Die Arbeitsfelder der KSZE wurden in der Helsinki-Akte in drei «Körbe»gegliedert, die bis heute unter der Bezeichnung «drei Dimensionen» als Grundstruktur der OSZE Bestand haben:

  • Erster Korb: Vertrauensbildende Maßnahmen und Aspekte der Sicherheit und Abrüstung
  • Zweiter Korb: Zusammenarbeit in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sowie der Umwelt
  • Dritter Korb: Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen

Die Themen des dritten Korbs

Neben den zehn Prinzipien enthält der so genannte «Korb III» der Schlussakte von Helsinki bestimmte menschenrechtliche bzw. humanitäre Anliegen. Die Bestimmungen des dritten Korbes sind relativ vage formuliert und bestehen im Wesentlichen aus Absichtserklärungen etwas zu tun oder wenigstens wohlwollend zu prüfen. Inhaltlich befasst sich dieser Korb mit den folgenden vier zwischenstaatlichen und zwischengesellschaftlichen Bereichen:

  • Menschliche Kontakte 
  • Informationsfreiheit / Medienfreiheit 
  • Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur
  • Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung

Die Themen des dritten Korbes, insbesondere die Bereiche menschliche Kontakte und Informationsfreiheit, gehörten zu den Umstrittensten des ganzen KSZE-Prozesses. Sowohl bei der Ausarbeitung der Bestimmungen als auch bei den Überprüfungskonferenzen bildete der dritte Korb den Hauptschauplatz der ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Hier prallten die unterschiedlichen Gesellschaftskonzeptionen am deutlichsten aufeinander, was die Spannungen zwischen den Blöcken erhöhte und die Robustheit des KSZE-Prozesses mehr als einmal auf die Probe stellte.

Zur Bedeutung der Helsinki-Schlussakte

Die Schlussakte von Helsinki stellte zwar keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag dar. Sie war aber als politische Übereinkunft die Grundlage für gegenseitige Kontrollen und Forderungen zur Einhaltung der in ihr enthaltenen Verpflichtungen. Die Helsinki-Schlussakte hat das Konzept der zwischenstaatlichen Sicherheit inhaltlich sehr breit ausgelegt. Dies begünstigte die Gründung von zivilgesellschaftlichen Helsinki-Komitees in zahlreichen Ländern ebenso, wie es die Argumentationsbasis der westlichen Staaten stärkte, als sie im Rahmen der KSZE-Folgekonferenzen die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in den Staaten des Ostblocks einforderten. Zudem stützten sich auch die Bürgerrechtsgruppierungen in den Ostblockstaaten auf die Schlussakte, um ihren menschenrechtlichen Forderungen Nachdruck zu verschaffen.

Dokumentation