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Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

19.10.2022

Vom 17. Juli 1998 (Inkrafttreten: 1. Juli 2002)

Vertragstext und Ratifizierungen

Vertragstext: Deutsch / Französisch / Italienisch / Englisch

Vom 15. Juni bis 17. Juli 1998 fand die diplomatische Bevollmächtigungskonferenz in Rom statt, bei der das Römer Statut verabschiedet wurde. Nach Eingang der 60. Ratifizierungsurkunde ist es am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Grossmächte wie die USA, Russland, China und Indien haben das Römer Statut bisher nicht ratifiziert.

Das Römer Statut begründet die völkerrechtliche Strafbarkeit von Individuen (nicht von Staaten) aufgrund der Begehung der internationalen Kernverbrechen (vgl. Auflistung unten). Die individuelle Strafbarkeit von Tätern/-innen dieser Kernverbrechen hat insbesondere die Durchsetzung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten und in sog. «gescheiterten Staaten» gestärkt. Das Römer Statut definiert die internationalen Kernverbrechen und enthält allgemeine Grundsätze des Strafrechts sowie Normen über die Errichtung, Organisation und Funktion des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC).

124 Vertragsstaaten (Stand: 26. September 2024; aktueller Stand)

Allgemeiner Teil des Völkerstrafrechts

In Art. 22 bis 33 Römer Statut werden allgemeine Grundsätze des Strafrechts normiert. Solche Grundsätze sind beispielsweise «kein Verbrechen ohne Gesetz» (nullum crimen sine lege), «keine Strafe ohne Gesetz» (nulla poena sine lege), das Rückwirkungsverbot und der Tat- oder Rechtsirrtum. Weiter werden Beteiligungsformen, Vorgesetztenverantwortlichkeit, Vorsatzerfordernisse, und Handeln auf Befehl behandelt.

Besonderer Teil: Die völkerrechtlichen Kernverbrechen

Durch das Römer Statut werden besonders schwere Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts unter Strafe gesetzt. Das Römer Statut definiert folgende völkerrechtlichen Kernverbrechen:

  • Völkermord (Art. 6 Römer Statut) ist eine Handlung, wie beispielsweise die Tötung von Mitgliedern einer Gruppe, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten;
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7 Römer Statut) sind im Wesentlichen ausgedehnte systematische Menschenrechtsverletzungen wie etwa das Verschwindenlassen von Personen, Vergewaltigungen, Vertreibungen oder Folter;
  • Kriegsverbrechen (Art. 8 Römer Statut) sind Verletzungen des humanitären Völkerrechts und umfassen etwa den Gebrauch biologischer Waffen, Folter, Vergewaltigungen oder die vorsätzliche Bombardierung der Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt.

Ergänzungen des Römer Statuts von 2010

An der der Revisionskonferenz in Kampala (Uganda) im Jahre 2010 konnten sich die Vertreter und Vertreterinnen der Staaten nach jahrelangen Diskussionen darauf einigen, das Verbrechen der Aggression (bzw. das Führen eines Angriffskrieges) neu als viertes Kernverbrechen in das Statut aufzunehmen (neuer Art. 8bis Römer Statut). Die Änderung trat am 26 Juni 2016 in Kraft, als der Staat Palästina als 30. Staat die Statutsänderung ratifizierte (unterdessen haben 45 Staaten die Neufassung ratifiziert, Stand: 26. September 2024; aktueller Stand). Am 15. Dezember 2017 haben die Vertragsstaaten die Gerichtsbarkeit des Strafgerichtshofes für Agressionsverbrechen aktiviert. Dennoch gelten weiterhin zusätzliche Voraussetzungen für dessen Geltung beschlossen. So gilt die Statutsänderung nur für diejenigen Staaten, die sie ratifizieren (Konsensprinzip). Weiter haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, die Gerichtsbarkeit im Falle einer Unterbreitung einer Situation durch einen anderen Vertragsstaat oder durch die Anklägerin oder den Ankläger selbst auszuschliessen, wenn sie eine entsprechende Opt-out-Erklärung abgeben.

Darüber hinaus wurde der Tatbestand des Kriegsverbrechens in Art. 8 Römer Statut ausgedehnt (neue Absätze (xiii), (xiv) und (xv) von Art. 8 lit. e). Strafbar soll neu die Verwendung von Gift und vergifteten Waffen, von Gas und ähnlichen Stoffen und Vorrichtungen sowie von sogenannten «Dumdumgeschossen» auch in innerstaatlichen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen sein. Diese Änderung haben bis jetzt 45 Staaten ratifiziert, darunter auch die Schweiz (Stand: 26. September 2024; aktueller Stand). Sie ist am 26. September 2012 in Kraft getreten.

Ergänzungen des Römer Statuts von 2017

Im Dezember 2017 verabschiede die Versammlung der Vertragsstaaten drei weitere Ergänzungen des Römer Statuts. Neu kann auch die Verwendung biologischer Waffen, blindmachender Laserwaffen und von Waffen, die durch Splitter verletzen, welche auch mit Hilfe von Röntgengeräten nicht entdeckt werden können, als Kriegsverbrechen geahndet werden. Diese Änderung hat bis jetzt 15 Staaten ratifiziert (Stand: 26. September 2024; aktueller Stand).

Ergänzung des Römer Statuts von 2019

Am 6. Dezember 2019 verabschiedete die Versammlung der Vertragsstaaten eine Egänzung von Artikel 8 des Römer Statuts. Damit gilt das Aushungern von Zivilpersonen auch in innerstaatlichen Konflikten als Kriegsverbrechen und nicht wie bis anhin nur in zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen. Die Änderung trat am 14. Oktober 2021 in Kraft. Sie wurde von 13 Staaten ratifiziert und von vier Staaten akzeptiert (Stand 26. September 2024; aktueller Stand).

Der Internationale Strafgerichtshof: Zulässigkeit eines Verfahrens

Das Römer Statut hat den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) mit Sitz in Den Haag geschaffen. Der ICC ist zuständig für die strafrechtliche Verfolgung von Individuen wegen der Begehung der internationalen Kernverbrechen. Ein Strafverfahren am ICC ist zulässig, wenn der ICC Gerichtsbarkeit hat, der Mechanismus ausgelöst wurde und dem Grundsatz der Komplementarität Rechnung getragen wurde.

Gerichtsbarkeit

Die Gerichtsbarkeit ist in Art. 11 und 12 Römer Statut geregelt. Sachlich hat der ICC Gerichtsbarkeit für die vier völkerrechtlichen Kernverbrechen (Art. 5 Römer Statut). Zeitlich ist der ICC grundsätzlich zuständig für Verbrechen, die nach dem 1. Juli 2002 begangen wurden. Formell ist vorausgesetzt, dass die Tat in einem Mitgliedstaat oder von einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats begangen wurde oder dass sich ein Nicht-Mitgliedstaat ad hoc der Zuständigkeit des ICC unterwirft.

Auslösemechanismen

In Art. 13 Römer Statut werden drei Auslösemechanismen vorgesehen. Ein Vertragsstaat kann dem ICC eine Situation unterbreiten (Art. 13 lit. a und 14 Römer Statut), der UN-Sicherheitsrat kann eine Situation an den ICC überweisen (Art. 13 lit. b Römer Statut) oder die Anklagebehörde kann von Amtes wegen (proprio motu) tätig werden (Art. 13 lit. c und 15 Römer Statut).

Grundsatz der Komplementarität

Der Grundsatz der Komplementarität wird in Art. 17 Römer Statut normiert. Da die Zuständigkeit des ICC komplementär zu den nationalen Gerichten ist, bleiben in erster Linie die nationalen Gerichte für die Durchführung von Ermittlungen und Strafverfolgung aufgrund der internationalen Kernverbrechen zuständig. Grundsätzlich ist der ICC lediglich zuständig, falls ein Vertragsstaat nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Ermittlungen und die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen.

Ratifizierung durch die Schweiz

SR 0.312.1 (AS 2002 3743)
Ratifikation: 12. Oktober 2001
In Kraft für die Schweiz seit: 1. Juli 2002
Botschaft vom 15. November 2000: BBl 2001 391 / FF 2001 359 (franz.) / FF 2001 311 (ital.)

Um das Römer Statut möglichst schnell ratifizieren zu können, hat die Schweiz die erforderlichen Anpassungen des Landesrechts in zwei Etappen vorgenommen. In einer ersten Etappe wurden die für die Ratifikation dringend geforderten Arbeiten und in einer zweiten Etappe die anderen Gesetzesänderungen umgesetzt.

Erste Etappe: Schaffung des ZISG

Da der Internationale Strafgerichtshof (ICC) auf eine rasche und umfassende Kooperation der Vertragsstaaten für die Durchführung seiner Verfahren angewiesen ist, musste die Schweiz ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof (ZISG) schaffen. Des Weiteren wurde das Strafrechts im Bereich der Delikte gegen die Rechtspflege angepasst (Art. 309 StGB). Das ZISG und die Gesetzesänderungen sind am 1. Juli 2002 in Kraft getreten.

Zweite Etappe: Schaffung und Anpassung von Straftatbeständen

In einer zweiten Etappe wurde ein neuer Straftatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (Art. 264a StGB) sowie eine detaillierte Definition der Kriegsverbrechen (Art. 264b bis Art. 264j StGB) geschaffen. Zudem wurden neue gemeinsame Bestimmungen für den Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeführt (Strafbarkeit des Vorgesetzen, Handeln auf Befehl, Auslandtaten, Ausschluss der relativen Immunität; Art. 264k bis Art. 264n StGB). Schliesslich wurde die Zuständigkeit für die Durchführung von Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord neu festgelegt: Diese Verbrechen unterstehen nun grundsätzlich der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 23 Abs. 1 lit. g StPO). Diverse Änderungen im Militärstrafgesetz (MStG) wurden ebenfalls vorgenommen. Diese Gesetzesänderungen sind am 1. Januar 2011 in Kraft getreten.

  • Botschaft vom 23. April 2008: BBl 2008 3863
  • Bundesgesetz über die Änderung von Bundesgesetzen zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs: AS 2010 4963

Ratifikation der Änderungen des Römer Statuts

Mit Datum vom 10. September 2015 hat die Schweiz die Änderungen des Römer Statuts vom Juni 2010 betreffend das Verbrechen der Aggression (neuer Art. 8bis Römer Statut) und die Ausweitung Tatbestand des Kriegsverbrechens auf das Verbot der Verwendung von Gift und vergifteten Waffen, von Gas und ähnlichen Stoffen und Vorrichtungen sowie von sogenannten «Dumdumgeschossen» auch in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt (Ergänzung von Art. 8 (e) Römer Statut mit Absatz (xiii), (xiv) und (xv)) ratifiziert. Die Änderung treten ein Jahr nach der Ratifizierung vom 10. September 2015 für die Schweiz in Kraft.

Die Änderung trat am 26. Juni 2016 in Kraft, als der Staat Palästina als 30. Staat die Statutsänderung ratifizierte (unterdessen haben 45 Staaten die Neufassung ratifiziert, Stand: 26. September 2024; aktueller Stand). Damit der Strafgerichtshof ein Verbrechen der Aggression verfolgen kann, müssen die Vertragsstaaten zudem nach dem 1. Januar 2017 einen zusätzlichen Beschluss fassen.

Die Schweiz hat am 18. März 2022 die Änderung des Römerstatuts vom 6. Dezember 2019 angenommen. Der Internationale Strafgerichtshof soll demnach das Aushungern der Zivilbevölkerung nicht mehr nur in internationalen (Art. 8 (2b) Abs. (xxv)), sondern auch bei innerstaatlichen Konflikten ahnden. Mit der Ratifizierung wird keine Gesetzesänderung nötig, da in der Schweiz das Aushungern von Zivilpersonen bereits jetzt als Kriegsverbrechen gilt.