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Internationaler Strafgerichtshof (ICC)

Schaffung des ICC

Mit der Verabschiedung des sogenannten Römer Statuts im Jahr 1998 wurde erstmals in der Geschichte ein ständiger internationaler Strafgerichtshof ins Leben gerufen (Art. 1 Römer Statut). Das Römer Statut trat am 1. Juli 2002 in Kraft und der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag konnte seine Arbeit im Jahr 2003 aufnehmen. Gegenwärtig anerkennen 124 Staaten die Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofes (Stand: 21. Oktober 2016; aktueller Stand), darunter auch die Schweiz.

Politisch-historischer Kontext

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schufen die Siegermächte die Internationalen Militärtribunale von Nürnberg und Tokio. Da diese ad hoc Tribunale einige Defizite (nachträgliche Definition der Verbrechen; fehlende präventive Wirkung; Schaffung durch die siegreichen Alliierten) aufwiesen, schien die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs unmittelbar bevorzustehen. Jedoch wurde dieses Vorhaben mit dem Einsetzten des Kalten Krieges unrealisierbar.

Nach den Gräueltaten und Völkermorden in Ex-Jugoslawien und Ruanda in den 1990er Jahren wuchs in der internationalen Gemeinschaft wieder die Erkenntnis, dass die schwersten Verbrechen nicht unbestraft bleiben dürfen und dass für eine wirksame strafrechtliche Verfolgung neben Massnahmen auf einzelstaatlicher Ebene eine verstärkte internationale Zusammenarbeit unausweichlich ist. Die Zivilgesellschaft empfand die bis dahin weit verbreitete Praxis der Straflosigkeit gerade in Bezug auf die schwersten Verbrechen zunehmend als inakzeptabel und der Ruf nach Abhilfe wurde lauter. Mit dem Ende des Kalten Krieges entkrampfte sich zudem das Verhältnis unter den Grossmächten. Die Zeit war also günstig für die Umsetzung der lange gehegten Absicht der Schaffung eines permanenten internationalen Strafgerichtshofs. Der Internationale Strafgerichtshof hat im Jahre 2003 seine Arbeit aufgenommen. Nicht zuletzt erhoffte man sich vom Ende der Straflosigkeit auch einen präventiven Effekt.

Aufgabe

Die Aufgabe des ICC ist die Verhütung und Bestrafung der schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Dies sind Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression (Art. 5 Römer Statut). Wer eines der genannten Verbrechen begeht, ist dafür individuell verantwortlich und strafbar (Art. 25 Römer Statut). Das Statut gilt gleichermassen für alle Personen, insbesondere auch für Staats- und Regierungschefs, Mitglieder einer Regierung und des Parlaments (Art. 27 Römer Statut).

Zulässigkeit eines Verfahrens vor dem ICC

Ein Strafverfahren am ICC ist zulässig, wenn der ICC Gerichtsbarkeit hat, der Mechanismus ausgelöst wurde und dem Grundsatz der Komplementarität Rechnung getragen wurde.

Bisherige Leistungen (Stand: September 2016)

Situationen und Fälle vor dem ICC

Bisher sind 23 Fälle in 10 Situationen an den ICC gekommen (Stand September 2016; Liste aller Fälle vor dem ICC). Dem ICC wurden in vier Fällen eine Situation von einem Vertragsstaat unterbreitet (vgl. Art. 13 lit. a und 14 Römer Statut), nämlich von der Demokratischen Republik Kongo, Uganda, Mali und zweimal von der Zentralafrikanischen Republik. Die Situation in Darfur (Sudan) und Lybien hat der UN-Sicherheitsrat an den ICC überwiesen (vgl. Art. 13 lit. b Römer Statut). Schliesslich wurde die Anklagebehörde in drei Fällen von Amtes wegen (proprio motu) tätig (vgl. Art. 13 lit. c und 15 Römer Statut) und zwar in der Situation in Kenia, der Elfenbeinküste und in Georgien. Vorermittlungen des ICC laufen in acht Staaten: In Afghanistan, Burundi, Guinea, Kolumbien, Irak, Nigeria, Palästina und der Ukraine. In vier Staaten (Venezuela, Südkorea, Komoren und Honduras) wurden die Vorermittlungen abgeschlossen, ohne dass es zu einer offiziellen Untersuchung kam.

Demokratische Republik Kongo

Das erste förmliche Ermittlungsverfahren des ICC wurde im Juni 2004 auf Verweis der kongolesischen Regierung eingeleitet. Es betrifft Völkerstraftaten in der Ituri-Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in der seit etwa 1999 ein Konflikt zwischen diversen bewaffneten Gruppierungen und der kongolesischen Armee herrscht.
Der ehemalige Rebellenchef der Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo" (FPLC) Thomas Lubanga Dyilo sowie Germain Katanga, der Anführer der Rebellengruppe "Kräfte des patriotischen Widerstands in Ituri" (FRPI), wurden im Jahr 2012 verurteilt. Dem mutmasslichen Oberbefehlshaber der Rebellengruppe "Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas" (FDLR) Sylvestre Mudacumura werden neun Kriegsverbrechen zur Last gelegt, darunter Vergewaltigung, Folter und Mord. Er ist derzeit jedoch noch auf freiem Fuss. Bosco Ntaganda, einer der führenden Milizführer der Tutsi, ist seit 2013 in Untersuchungshaft, nachdem er sich selbst gestellt hatte. Ihm werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der Prozess hat im September 2015 begonnen - Ntaganda plädiert auf nicht schuldig.

Uganda

Den seit Jahren andauernden bewaffneten Konflikt in Nord-Uganda und die Verbrechen der Lord’s Resistance Army (LRA) hat Präsident Yoweri Museveni im Jahr 2004 an den ICC überwiesen.

Das Gericht erliess nach Ermittlungen Haftbefehle gegen die fünf LRA-Anführer Joseph Kony, Vincent Otti, Okot Odhiambo, Dominic Ongwen und Raska Lukwiya. Die Verfahren gegen Lukwiya und Odhiamo mussten eingestellt werden, weil diese verstorben sind. Joseph Kony und Vincent Otti konnten bisher nicht verhaftet werden. Dominic Ongwen hat sich selber gestellt und wurde an den ICC ausgeliefert. Die 70 Anklagepunkte gegen Ongwen fallen in die Kategorie der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Prozessbeginn ist für den 6. Dezember 2016 angesetzt.

Zentralafrikanische Republik

Die Zentralafrikanische Republik hat die Aufklärung von Verbrechen, die bei den bewaffneten Konflikten auf ihrem Territorium zwischen 2002 und 2003 begangen wurden, an den ICC verwiesen.

Der in diesem Zusammenhang geführte Prozess gegen den ehemaligen Vize-Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Jean-Pierre Bemba Gombo, begann im Jahr 2010. Bemba muss sich für Gewalttaten seiner Rebellenarmee in der Zentralafrikanischen Republik verantworten. Die Soldaten wurden vom damaligen Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Ange-Félix Patassé, gerufen, um gegen einen Putschversuch vorzugehen. Bemba wurde am 21. Juni 2016 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden. Wegen Vergehen gegen die Rechtspflege im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jean-Pierre Bemba (falsche oder gefälschte Beweise und Zeugenbeeinflussung) wurde Ende 2013 ein neues Verfahren gegen weitere Personen (Jean-Pierre Bemba Gombo, Aimé Kilolo Musamba, Jean-Jacques Mangenda Kabongo, Fidèle Babala Wandu und Narcisse Arido) eröffnet. Mit einem Urteil wird in nächster Zeit gerechnet.

Mali

Im Januar 2013 kündigte Chefanklägerin Fatou Bensouda eine Untersuchung der Kriegsverbrechen in Mali an, die während der Kämpfe zwischen islamistischen Aufständischen im Norden des Landes und der malischen Armee stattfanden.

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im August 2016 ein Verfahren gegen Ahmad al-Faqi al-Mahdi, ein Sittenwächter der Islamistengruppe Ansar Dine, eröffnet. Ihm wird die Zerstörung von neun Mausoleen und eines Teils der Sidi-Yahia-Moschee in der Wüstenstadt Timbuktu vorgeworfen. Sein Prozess ist der erste, in dem die Zerstörung von Kulturstätten als Kriegsverbrechen verfolgt wird. Da sich Al Mahdi für schuldig bekannt hat, kann mit einem Ende des Prozesses bereits in kurzer Zeit gerechnet werden (voraussichtlich im September 2016).

Darfur (Sudan)

Im Zusammenhang mit der Situation im Darfur hat der ICC gegen sechs Verdächtige Haftbefehle erlassen, die sich wegen Verbrechen in der Konfliktregion Darfur vor dem Gericht verantworten sollten.

Omar al-Bashir ist der amtierende sudanesische Präsident und wird wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht. Weil al-Bashir nicht bereit war, mit dem ICC zusammen zu arbeiten, hatte das Gericht im Dezember 2014 die Ermittlungen gegen ihn vorerst eingestellt. Viele Staaten ignorieren den Haftbefehl und lassen al-Bashir unbehelligt einreisen. Die mangelnde politische Unterstützung durch die Weltgemeinschaft liess der Chefanklägerin Bensouda daher keine andere Wahl, als die Ermittlungen einzufrieren. Auch die Verfahren gegen die Minister Ahmad Muhammad Harun und Abdel Raheem Muhammad Hussein sowie gegen den mutmasslichen Führer der Janjaweed-Milizen Ali Muhammad Ali Abd-Al-Rahman konnten noch nicht eröffnet werden, weil die Angeklagten nicht nach Den Haag ausgeliefert wurden. Von den zwei angeklagten Rebellenführern gilt einer, Saleh Jerbo, als verstorben. Wann der Prozess gegen den zweiten, Abdallah Banda, beginnt, ist offen. Der ICC entschied, dass er sich erst dann weiter mit dem Fall befassen werde, wenn Abdallah Banda verhaftet werde oder erneut freiwillig erscheine.

Libyen

Was die Situation in Libyen betrifft, hat der ICC im Jahr 2011 einen Haftbefehl gegen Muammar Gaddafi, dessen Sohn Saif al Islam und gegen dessen Schwager und mutmasslichen Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi erlassen. Ihnen wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge der von ihnen veranlassten Angriffe gegen die Aufständischen im Jahr 2011 vorgeworfen. Da Muammar Gaddafi am 20. Oktober 2011 gestorben ist, wurde das Verfahren gegen ihn beendet. Saif al Islam Gaddafi und Abdullah al-Senussi wurden durch ein Gericht in Tripolis zum Tode verurteilt. Der Internationale Strafgerichtshof hat sich bisher vergeblich um eine Auslieferung von al Islam Gaddafi bemüht. Im Fall von Senussi hat der ICC im Oktober 2013 entschieden, dass diesem in Libyen der Prozess gemacht werden dürfe.

Kenia

Nach Ermittlungen zu der Situation in Kenia hat der ICC im Jahr 2012 Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen vier Personen erhoben. Den Verdächtigen wird die Hauptverantwortung für die Ausschreitungen nach den Wahlen von 2007 angelastet, da sie zu Gewalttätigkeiten angestachelt, diese organisiert und finanziert haben sollen.

Das Verfahren gegen Kenias Vizepräsidenten William Ruto und seinen Mitangeklagten Josua Arap Sang musste im April 2016 vorerst eingestellt werden. Laut dem ICC war ein fairer Prozess nicht möglich, weil zentrale Zeugen bedroht oder bestochen wurden. Die Verfahren gegen Francis Muthaura und gegen den heutigen Präsidenten von Kenia, Uhuru Kenyatta, sind bereits im Jahr 2014 wegen Mangel an Beweisen geplatzt. Das Problem der Anklage war vor allem, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Zeugen gegen Kenyatta zurückzogen. Es wird vermutet, dass sie durch Bestechung oder Drohungen dazu gebracht wurden. In diesem Zusammenhang wurde im Oktober 2013 gegen den Journalisten Walter Osapiri Barasa ein Haftbefehl erlassen. Barasa soll in Zusammenarbeit mit Regierungsbeamten kenianische Zeugen im Prozess gegen Kenyatta und Ruto beeinflusst haben. Auch der Gelegenheitsarbeiter Philip Kipkoech Bett und der Anwalt Paul Gicheru sollen eine zentrale Rolle bei der Bestechung von Zeugen gespielt haben. Der ICC gab im September 2015 bekannt, dass die beiden per Haftbefehl gesucht werden.

Elfenbeinküste

Im Zusammenhang mit der Situation in der Elfenbeinküste läuft ein Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo, seine Frau Simone Gbagbo und den ehemaligen Jugendminister Charles Blé Goudé.

Mit Laurent Gbagbo steht zum ersten Mal ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gericht. Er soll Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Nach den Wahlen im Jahr 2010 ist in der Elfenbeinküste Chaos ausgebrochen. Die Anklage wirft ihm vor, für die Ermordung von mindestens 166 Menschen, Vergewaltigung, Misshandlung und Verfolgung von hunderten politischen Gegnern verantwortlich zu sein.

Gegen Simone Gbagbo und Charles Blé Goudé steht die gleiche Anklage. Simone Gbagbo steht in ihrem Heimatland unter Arrest, Den Haag fordert ihre Auslieferung. Goudé wurde im März 2014 an den ICC überstellt. Sein Fall wird mit der Anklage gegen Laurent Gbagbo verhandelt.

Georgien

Der Internationale Strafgerichtshof hat im Januar 2016 entschieden, Ermittlungen zum Südossetien-Krieg zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 aufzunehmen. Es bestehe genügend Grund zu der Annahme, dass während des Konflikts Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden seien. Es ist das erste Ermittlungsverfahren des Gerichtshofs zu einem Konflikt ausserhalb Afrikas.

Die ersten Urteile des ICC

Im Jahre 2012 erging das erste Urteil des ICC: Thomas Lubanga Dyilo wurde zu 14 Jahren Freiheitsstrafe wegen Rekrutierung von Kindersoldaten verurteilt. Die drei Richter hatten einstimmig festgestellt, dass Lubanga zwischen 2002 und 2003 Kinder unter 15 Jahren zwangsrekrutiert und in einem Konflikt eingesetzt hat. Im Jahre 2014 wurde Germain Katanga zu 12 Jahren Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Katanga lieferte am 24. Februar 2003 in der Demokratischen Republik Kongo Waffen für ein Massaker im Dorf Bogoro (Distrikt Ituri), infolge dessen 200 Menschen getötet und zahlreiche Frauen vergewaltigt wurden.

Im Jahre 2016 wurde der ehemalige Vizepräsident des Kongo, Jean-Pierre Bemba, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen. Das Strafmass beträgt 18 Jahre Haft. Ein Aspekt des Urteils ist von besonderer Bedeutung: Der ICC verurteilte erstmals Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Vergewaltigungen als eine Waffe des Krieges und nicht nur als eine seiner Begleiterscheinungen zu ächten drängte sich schon seit längerer Zeit auf. Das Urteil gegen Bemba stellt ein wichtiges Signal an die Verursacher von sexueller Gewalt in Konflikten dar, dass ihre Taten nicht mehr länger toleriert werden.

Kritische Würdigung

Schon die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs an sich wird als grosser Erfolg gewertet. Noch in den 1980er und frühen 1990er Jahren hätte kaum jemand geglaubt, dass sich die internationale Staatengemeinschaft so rasch zur Schaffung eines solchen Gerichts durchringen kann.

Der ICC stärkt den internationalen Menschenrechtsschutz und trägt zur wirksameren Durchsetzung des humanitären Völkerrechts bei, indem die gröbsten Verletzungen der Menschenrechte als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die gröbsten Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht auf internationaler Ebene strafrechtlich verfolgt werden können.

Allerdings gilt es zu bedenken, dass einige der mächtigsten Staaten wie die USA, Russland und China das Römer Statut nicht ratifiziert haben und damit die Kompetenz des Gerichts nicht anerkennen. Die USA betreiben auf nationaler und internationaler Ebene gar eine aktive Obstruktionspolitik gegen den ICC. Staaten, die eine kriegerische Aussenpolitik betreiben oder ihre Militärs im Ausland einsetzen, befürchten, dass ihre Soldaten, Offiziere und politisch Verantwortlichen vor den Internationalen Strafgerichtshof gezogen werden könnten.

Die fehlende Universalität der Gerichtsbarkeit muss als grosse Schwäche des Strafgerichtshofs gewertet werden. Verbrechen, die auf dem Gebiet eines Staates verübt werden, der nicht Vertragspartei ist, fallen nicht in die Zuständigkeit des ICC, es sei denn, der Sicherheitsrat entscheidet gegenteilig oder das Verbrechen ist von einem Angehörigen eines Staates verübt worden, der Vertragspartei ist. Staaten, die nicht Vertragspartei sind, können demnach mit der Unterstützung durch ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates (Vetomächte) ein internationales Strafverfahren in Bezug auf ein Verbrechen, das auf ihrem Gebiet verübt wurde, verhindern.

Als gutes Zeichen im Kampf gegen die Straflosigkeit kann die Tatsache gewertet werden, dass niemand wegen seiner amtlichen Funktion der strafrechtlichen Verantwortlichkeit enthoben ist, wie der Haftbefehl gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten al-Bashir zeigt. Dies ist umso bedeutender, als dass die Verantwortung für die meisten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermorde und Kriegsverbrechen bei hohen Amts- und Militärpersonen liegt. Allerdings zeigt gerade der Fall al-Bashir, wie heikel die Abwägung zwischen Gerechtigkeit und Konfliktlösung ist. Zentralen Figuren wurde in der Vergangenheit oft Straffreiheit gewährt, weil die Lösung eines Konflikts ohne deren Zustimmung nicht realistisch schien. Dieses Dilemma wird sich auch in Zukunft nicht auflösen.

Der Fall al-Bashir droht zudem die Glaubwürdigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterlaufen, da die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union entschieden haben, nicht mit dem ICC zu kooperieren. Wegen fehlender Zusammenarbeit musste auch die Anklage gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta fallengelassen werden. Die Frustration und fehlende Bereitschaft zur Kooperation vieler afrikanischer Staaten gründet vor allem im Umstand, dass der ICC bisher nur Fälle in Afrika untersucht und hochrangige afrikanische Staatsrepräsentanten verfolgt hatte.

Die Selektivität der Strafverfolgung und die Doppelmoral der westlichen Staaten, deren Verbrechen vom Gerichtshof bisher nicht beleuchtet wurde, werden von vielen Seiten bemängelt. Aus politischer Sicht ist die Kritik afrikanischer Staaten nachvollziehbar. Die Strafverfolgung mag in allen afrikanischen Fällen ihre Berechtigung haben, aber es steht ausser Zweifel, dass dies auch auf andere Situationen ausserhalb Afrikas zutreffen würde. Solange der ICC aber keine Verfahren zu Vorgängen in anderen Weltregionen aufnimmt, wird sich unter afrikanischen Regierungen die Wahrnehmung verfestigen, sie seien ein Opfer internationaler Machtpolitik.

Georgien wurde nun am 27. Januar 2016 als erster nicht-afrikanischer Staat Gegenstand einer offiziellen Ermittlung des Internationalen Strafgerichtshofs. Zudem hat die Chefanklägerin Bensouda Vorermittlungen zur Rolle britischer Soldaten im Irak sowie zu Foltervorwürfen gegen das amerikanische Militär in Afghanistan eingeleitet. Es wird sich zeigen, ob die Ausweitung der ICC-Arbeit auf andere Regionen dazu beitragen wird, die afrikanischen Kritiker zu besänftigen.

Der ICC mag damit zwar einige Schwachstellen haben. Angesichts des Fehlens von wirksamen nationalen Gerichten in etlichen Ländern bleibt der Gerichtshof jedoch in vielen Fällen nach wie vor der einzige Weg, Verantwortliche auch in hohen Regierungsämtern für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen. Er ist daher von der internationalen Bühne nicht mehr wegzudenken.

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