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Konzernverantwortungsinitiative

Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen - Legislative Entwicklungen international

07.09.2018

In der Schweiz gibt es zurzeit keine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen. Die Konzernverantwortungsinitiative KOVI möchte dies ändern und ein solches Instrument in der Schweiz einführen. Die KOVI definiert die Sorgfaltsprüfungspflicht folgendermassen:

Die Unternehmen sind verpflichtet «die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen auf die international anerkannten Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln, geeignete Massnahmen zur Verhütung von Verletzungen international anerkannter Menschenrechte und internationaler Umweltstandards zu ergreifen, bestehende Verletzungen zu beenden und Rechenschaft über ergriffene Massnahmen abzulegen.»

Gegner/innen der Initiative führen immer wieder ins Feld, dass die Schweiz hier keinen Alleingang wagen dürfe, um wirtschaftlich nicht benachteiligt zu werden. Ein Blick über die Grenzen reicht jedoch, um dieses Argument zu entkräften, ja gar ins Gegenteil zu drehen:

Der UNO-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I) hat am 23. Juni 2017 den General Comment Nr. 24 publiziert, worin er die gesetzliche Festlegung einer Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen für die Mitgliedstaaten des UNO - Pakt I - inklusive der Schweiz - empfiehlt. Der General Comment Nr. 24 ist das Abbild einer wachsenden internationalen Akzeptanz für eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht. Zwar sind die General Comments sind für die Mitgliedstaaten rechtlich nicht bindend, doch sie geniessen zumindest eine hohe Autorität. Die Schweiz hatte sich in der Vernehmlassung ablehnend zum Entwurf des General Comments geäussert.

In verschiedenen Ländern ist eine Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen hingegen bereits rechtlich bindend, in anderen laufen entsprechende Bestrebungen. Es folgt ein Überblick:

Entwicklungen im EU Recht

In der EU sind zurzeit drei Verordnungen respektive Richtlinien in Kraft, welche teilweise eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht beinhalten.

Neuerdings gibt es die EU Verordnung 2017/821 zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen sowie von Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten. Das Ziel dieser Sorgfaltspflicht ist es, die tatsächlichen und potenziellen Risiken im Zusammenhang mit diesen Konfliktmineralien zu ermitteln und schädliche Auswirkungen zu verhindern oder zu mildern. Die Verordnung ist für alle EU - Mitgliedstaaten bindend. Es fallen aber auch sämtliche Importeure darunter, d.h. auch Schweizer Firmen welche entsprechende Konfliktmineralien in die EU einführen. Diese Verordnung tritt per 1. Januar 2021 in Kraft.

Des Weiteren gibt es die EU Richtlinie 2014/95 («Richtlinie 2014/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen»). Demnach müssen gewisse grosse Unternehmen einen Bericht veröffentlichen, welcher Angaben zu den Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit beinhaltet und sich mindestens auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung bezieht. Falls die betroffenen Unternehmen ihrer Berichterstattungspflicht nicht nachkommen, können sie (je nach Mitgliedstaat) gebüsst werden.

Die EU-Holzhandelsverordnung („Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen“) schreibt eine mehrstufige Sorgfaltsprüfungspflicht für Holzimporteure vor, um Schäden an den Wäldern und der Umwelt zu vermindern. Die Menschenrechte bleiben dabei unerwähnt.

In der Schweiz hat die EU-Holzhandelsverordnung zu zwei Motionen im Bundesparlament geführt. Ständerat Peter Föhn und Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni verlangen vom Bundesrat, eine Regelung auszuarbeiten, welche derjenigen der EU entspricht. Die Motionäre befürchten nämlich, dass Schweizer Holzexporte von Abnehmern/-innen in der EU übergangen würden, da diese für Schweizer Holz eine Sorgfaltsprüfungspflicht durchführen müssen. Es sei für Abnehmer/innen in der EU einfacher, Holz aus anderen EU Ländern einzuführen, wo keine Sorgfaltsprüfungspflicht durchgeführt werden muss. Anzumerken ist, dass die Motionäre nicht mit dem Schutz von Wäldern und der Umwelt argumentieren, sondern ausschließlich mit den befürchteten kürzeren Spiessen für die Schweizer Wirtschaft.

Das französische Gesetz: Loi relative au devoir de vigilance

Frankreich hat 2017 ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflichten erlassen («Loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d’ordre»). Unser Nachbarland hat damit gezeigt, was im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht für Unternehmen möglich ist. Lesen Sie hier unsere ausführliche Analyse zur Einführung dieses Gesetzes.

Diskussionen in Holland: Gesetzliche Sorgfaltspflicht im Bereich der Kinderarbeit

Im Februar 2017 hat die zweite Kammer des holländischen Parlaments ein Gesetz betreffend der Sorgfaltspflicht im Bereich der Kinderarbeit („Wet Zorgplicht Kinderarbeid“) verabschiedet. Das Gesetz verlangt von Unternehmen festzustellen, ob Kinderarbeit in ihrer Lieferkette existiert, und einen Plan auszuarbeiten, um diese zu bekämpfen. Im Gesetz sind auch Sanktionen vorgesehen. Zurzeit wird das Gesetz noch im Parlament debattiert, es wird voraussichtlich 2020 in Kraft treten.

Grossbritannien: The UK modern slavery act

Seit 2015 gibt es in Grossbritannien ein Gesetz, welches sich explizit mit moderner Sklaverei und Menschenhandel beschäftigt. Der Artikel 54 dieses Gesetzes schreibt den grossen Unternehmen vor, jährlich einen Bericht abzuliefern über die Schritte, welche sie unternehmen, um moderne Sklaverei und Menschenhandel in der Lieferkette zu unterbinden. Speziell am Gesetz ist, dass die betroffenen Unternehmen zwar einen Bericht über unternommene Schritte publizieren müssen, dass es jedoch nicht vorgeschrieben ist, welche konkreten Schritte dies sein sollen. Unternehmen dürfen auch einen Bericht veröffentlichen und angeben, dass sie keine Schritte unternommen haben.

USA: Der Dodd-Frank Act

In den Vereinigten Staaten schreibt der sogenannte Dodd-Frank Act («Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, 2010») im Abschnitt 1502 eine Sorgfaltsprüfungspflicht und eine Berichtspflicht in Bezug auf Konfliktmineralien aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) vor. Der Abschnitt 1502 zielt darauf ab zu verhindern, dass die Armee und Rebellengruppen in der DRC widerrechtlich Gewinn aus dem Mineralienhandel benützen um ihre Kampfhandlungen zu finanzieren. Die Unternehmen müssen - anhand einer Sorgfaltsprüfung -  feststellen, ob ihre Produkte Konfliktmineralien enthalten und dies den amerikanischen Behörden mitteilen.

Gemischte Bilanz: Ermutigende legislative Entwicklungen - unklare Umsetzung

Der Überblick hat gezeigt, dass weltweit Bestrebungen im Gange sind, menschenrechtsrelevante Sorgfaltsprüfungspflichten einzuführen. Teilweise sind diese schon Realität. Man muss jedoch auch festhalten, dass eine solche Sorgfaltsprüfungspflicht bei weitem noch nicht universal ist. Während einige Ländern in ihren Bemühungen schon sehr weit fortgeschritten sind, steht eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht in anderen Ländern nicht einmal zur Diskussion.

Zurzeit scheinen die existierenden Regelungen noch stark eingeschränkt und wenig umfassend zu sein. Fast immer beschränken sie sich auf einen Industriezweig (zB EU - Holzhandelsverordnung), auf ein einziges menschenrechtliches Thema (z.B. Holland: Kinderarbeit oder Grossbritannien: moderne Sklaverei) oder aber auf eine bestimmte Region (z.B. USA: Dodd-Frank Act, Abschnitt 1502: Demokratische Republik Kongo). Eine weitere Einschränkung ist, dass oft nur eine Pflicht zur Berichterstattung, nicht aber zur verbindlichen Umsetzung von Massnahmen besteht.

Das Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in Frankreich ist das umfassendste. Es ist auf alle Unternehmen ab einer gewissen Grösse anwendbar und beschränkt sich weder auf einen Industriezweig noch auf eine Region. Es bleibt abzuwarten, wie das Gesetz umgesetzt wird und inwieweit es eine Signalwirkung für Regelungen in anderen Ländern entfalten kann. 

Und die Schweiz?

Die KOVI und die von ihr angestrebte menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungspflicht lässt sich also gut in die aktuellen internationalen legislativen Entwicklungen einbetten. Die Schweiz wäre bei der Umsetzung der Initiative nicht allein auf weiter Flur. Der Schweiz bietet sich mit der KOVI vielmehr die Chance, sich an die Spitze eines internationalen Trends zu einer umfassenderen menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungspflicht zu setzen. Damit kann die Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des internationalen Rechts in diesem Bereich leisten - ein Beitrag, der schliesslich den Opfern von Menschenrechtsverletzungen zu Gute kommt und der positiven Reputation der Schweizer Wirtschaft Auftrieb verleiht.

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