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Konzernverantwortungsinitiative

Studie: Wie halten es die Schweizer Konzerne mit den Menschenrechten?

07.04.2016

Eine Studie von Brot für alle und Fastenopfer vom 4. April 2016 bringt bedenkliche Tatsachen ans Licht: Für eine deutliche Mehrheit der 200 grössten Konzerne mit Sitz in der Schweiz ist die Auswirkung ihrer internationalen Tätigkeiten auf die Menschenrechte kein Thema. Selbst bei den 14 Unternehmen, deren Firmenpolitik explizit gewisse Menschenrechtsziele beinhaltet, lassen Transparenz und Umsetzung weitgehend zu wünschen übrig.

Menschenrechte oft kein Thema

Wie viele Schweizer Grossunternehmen verfügen über eine eigene Politik im Umgang mit Menschenrechtsrisiken, welche ihre Tochterfirmen und Zuliefererbetriebe im Ausland mit umfasst? Auf diese Frage antwortet der erste quantitative Teil der Studie, welcher die je 100 umsatzstärksten börsenkotierten und nicht börsenkotierten Schweizer Konzerne abdeckt. Die Resultate:

  • 61.5% der Konzerne verfügen über keine Menschenrechtspolitik. Bei ihnen finden sich weder Hinweise auf eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung noch auf einen Verhaltenskodex, welcher Menschenrechtsstandards für Tochtergesellschaften und Zuliefererbetriebe vorgibt.
  • 27.5% der Konzerne verfügen über einen Verhaltenskodex, der sich auf die Geschäftsbeziehung mit wichtigen Lieferanten erstreckt.
  • 11% der Konzerne berufen sich in ihrer Arbeit auf die «UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte».

Qualitative Untersuchung

In der letzteren Gruppe, welche über eine eigentliche Menschenrechtspolitik verfügt, sind die meisten Unternehmen börsenkotiert und die meisten standen in der jüngeren Zeit wegen mutmasslichen Verstrickungen in Menschenrechtsverletzungen unter einem erhöhten öffentlichen Druck. Auch handelt es sich ausnahmslos um Konzerne, die zu den 100 grössten Unternehmen der Schweiz zählen.

14 der 22 Grossunternehmen aus dieser Gruppe haben ihren Hauptsitz in der Schweiz. Diese wurden im zweiten qualitativen Teil der Studie untersucht. Es handelt sich dabei um ABB, Adecco, Crédit Suisse, Firmenich, Glencore, Holcim, Kuoni, Roche, Trafigura, Nestlé, Société générale de surveillance, Syngenta, UBS und Zurich Financial Services. Untersucht wurde, inwieweit diese Firmen einen detaillierten Kriterienkatalog zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien erfüllen.

Die Untersuchung hat ergeben, dass bei diesen Firmen, die damit begonnen haben, die UNO-Leitprinzipien in Form von Pilotprojekten umzusetzen, das Bild noch durchzogen ist. Zwar gibt es innovative Ansätze zur Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht, zum Beispiel in Form von Befragungen exponierter Bevölkerungsgruppen. Doch die öffentliche Berichterstattung über identifizierte Risiken und den Erfolg von Gegenmassnahmen bleibt in den meisten Fällen vage und unpräzise, und der Stellenwert dieses Zweigs der Firmenpolitik ist insgesamt zweitrangig. Als positive Ausnahme zu diesem Gesamtbild steht der Kuoni-Konzern, der punkto Transparenz eine vorbildliche Praxis entwickelt hat.

Gesetzliche Vorgaben nötig

Die Studie kommt zum Schluss, dass die Schweizer Konzerne den menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Aktivitäten in der Regel noch viel zu wenig Beachtung schenken, gerade auch, was die Sorgfaltspflicht gegenüber den Tochterfirmen und Lieferketten angeht. Die freiwilligen Initiativen stossen diesbezüglich an eine klare Grenze.

Die Folgerung ist, dass es gesetzliche Vorgaben für alle Grossunternehmen braucht: Zum einen, um die Mehrheit der passiven Konzerne zur Einführung einer angemessenen Menschenrechtspolitik zu bewegen, zum andern, um für alle Konzerne mit Sitz in der Schweiz punkto menschenrechtlicher Verantwortlichkeit gleiche Standards und gleich lange Spiesse herzustellen. Genau dies bezweckt die Konzernverantwortungsinitiative.

Einblicke in die Praxis von Sorgfaltsprüfungen

Eine kürzlich vom Deutschen Netzwerk für den Global Compact und dem Deutschen Institut für Menschenrechte herausgegebene Studie verschafft Einblicke in die Praxis der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungen von fünf international tätigen Unternehmen in Deutschland.

Die Studie zeigt, dass sich die Methodik dieser Risikoabschätzungen immer noch in einem experimentellen Stadium befindet und sehr unterschiedliche Ausgestaltungen erfährt. Um so wichtiger ist die Darstellung konkreter Vorgehensweisen und Probleme. In diesem Sinne bietet die deutsche Studie eine gute Ergänzung und Konkretisierung zu den Befunden aus der Schweiz.