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Menschenrechtsstrategie des EDA 2016 - 2019

21.03.2016

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verfügt zum ersten Mal über eine Menschenrechtsstrategie. Bundesrat Didier Burkhalter stellte sie am Rande des Menschenrechtsrats in Genf am 29. Februar 2016 vor. Die Strategie definiert die Grundsätze und Ziele des Schweizer Menschenrechtsengagements für die kommenden vier Jahre.

Menschenrechte als ein Hauptziel der schweizerischen Aussenpolitik

Die ebenfalls im Februar 2016 verabschiedete Aussenpolitische Strategie 2016-2019 des Bundesrates bildet den Rahmen für die Menschenrechtsstrategie. Das Budget der Menschenrechts-Aussenpolitik der Schweiz wird insbesondere im Rahmenkredit «Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit» in der Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz des Bundesrates vom März 2016 abgesteckt.

Die Innen- und und die Aussenpolitik werden in der Menschenrechtsstrategie konzeptionell eng verschränkt. Dabei stützt sich das Dokument auf die Verfassung ab: Mit der Bundesverfassung von 1999 werden die Menschenrechte in einem eigenen Grundrechtskatalog konsolidiert. Zudem konkretisiert die Verfassung den zunehmenden Einbezug der Menschenrechte in die Aussenpolitik, indem sie die Achtung der Menschenrechte als eines ihrer Hauptziele festschreibt (BV Art. 54 Abs. 2).

Die Menschenrechte stehen gemäss der Strategie «im Zentrum der Werte der Schweiz und ihres politischen Modells, das sich auf demokratische Prinzipien, Nichtdiskriminierung, Geschlechtergleichheit, friedliches Zusammenleben und die gegenseitige Achtung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Religionen, Sprachen, Ethnien und Kulturen stützt. Durch die Menschenrechte wird der Staat für sein Handeln gegenüber der Bevölkerung rechenschaftspflichtig gemacht und sein Interesse allgemein dem der Bevölkerung untergeordnet.» (S. 6) Verankert sind die Menschenrechte ausser in der  Bundesverfassung auch in den internationalen Verpflichtungen der Schweiz, namentlich den Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Menschenrechtsübereinkommen der UNO.

Glaubwürdigkeit der Schweizer Politik hängt von ihrer Kohärenz ab

Die Strategie betont die Frage der Kohärenz: «Das Profil der Schweiz wird durch die Glaubwürdigkeit ihres Engagements bestimmt, die ihrerseits von der Kohärenz ihrer Politik abhängt. Die Schweiz achtet darauf, Menschenrechtsfragen bei der Planung und Umsetzung ihrer gesamten Aussenpolitik zu berücksichtigen.» (S. 9) Die Strategie betont die «Kohärenz von Innen- und Aussenpolitik», wobei angesichts der direkten Demokratie oder im Zusammenhang mit an der Schweiz geübter Kritik auch «Probleme auftreten» könnten.

Was es allerdings strategisch bedeutet, «die vorhandenen Koordinierungsmechanismen kohärent zu nutzen und die Konsultationsprozesse intern im EDA sowie zwischen dem EDA und den anderen Departementen (…) zu optimieren», sowie die Interessen im Bereich der Menschenrechte «besser» zu berücksichtigen, «namentlich, wenn verschiedene Anliegen unseres Landes im Konflikt zueinander stehen» (S. 31), darüber schweigt sich die Strategie aus. Zu Transparenz und Überprüfbarkeit in diesem Bereich werden keine Aussagen gemacht.

Die Strategie formuliert zu drei übergeordneten Zielen insgesamt neun Handlungsbereiche. Diese werden in der Folge unter Hervorhebung einzelner Prioritäten aufgelistet. Ausserdem wird zu jedem Handlungsbereich ein fehlendes Glied aufgezeigt.

Ziel I: Die Universalität, Interdependenz und Unteilbarkeit der Menschenrechte verteidigen und fördern

Handlungsbereich 1: Die Schweiz fördert die effektive Verwirklichung der Menschenrechte jedes Einzelnen

Besonderes Gewicht erhalten die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frauen. Wenn die Schweiz in einem Land tätig wird, unterstützt sie die Opfer von Menschenrechtsverletzungen direkt durch Massnahmen und Projekte; repräsentative Einzelfälle bringt sie vertraulich oder in öffentlichen Interventionen zur Sprache. Beim Menschenrechtsengagement der Schweiz in einem andern Land habe «die effektive und konkrete Verwirklichung der Menschenrechte in allen Situationen» (S.12) Priorität.

Die Strategie äussert sich nicht zur Frage, ob die «schweizerische Tätigkeit» in einem Land auch die wirtschaftlichen Aktivitäten oder nur diejenigen des EDA umfasst.

Handlungsbereich 2: Die Schweiz engagiert sich gegen kulturellen Relativismus und die Instrumentalisierung der Menschenrechte

Die Schweiz setzt sich angesichts der Spannung zwischen den geltenden Menschenrechten und staatlichen Souveränitätsansprüchen für den universellen, interdependenten und unteilbaren Charakter der Menschenrechte und insbesondere für die Rechte von spezifischen Gruppen und Minderheiten ein. Sie bekämpft Bestrebungen, Menschenrechte unter Berufung auf «traditionelle Werte» infrage zu stellen.

Die Strategie versäumt es, die Relativierung der Menschenrechte im Ausland mit entsprechenden innenpolitischen Tendenzen in einen Bezug zu setzen.

Ziel II: Einen kohärenten internationalen Bezugsrahmen gewährleisten und die Menschenrechtsinstitutionen und -mechanismen stärken

Handlungsbereich 3: Die Schweiz engagiert sich für einen angemessener internationalen Rechtsrahmen

Die Schweiz will Lücken im Völkerrecht schliessen und insbesondere die Durchsetzung der vorhandenen Normen fördern. Gleichzeitig will sie aber auch den ungebremsten Ausbau völkerrechtlicher Regime kritisch hinterfragen und sich für nicht bindende Instrumente als zusätzliche Referenzrahmen einsetzen. Bei der Korruptionsbekämpfung setzt die Schweiz auf einen Perspektivenwechsel zugunsten eines menschenrechtlichen Ansatzes, bei der Terrorismusbekämpfung achtet sie auf die strenge Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen.

Die Strategie skizziert keine Kriterien zur Klärung, wo bindendes und wo nicht-bindendes Recht zielführend ist.

Handlungsbereich 4: Die Schweiz engagiert sich für die Stärkung der Menschenrechtsinstitutionen auf globaler, regionaler und nationaler Ebene

Die Schweiz stärkt insbesondere den UNO-Menschenrechtsrat und das Mainstreaming der Menschenrechte im gesamten UNO-System bis hin zum Sicherheitsrat; sie setzt sich für Genf als globales Kompetenzzentrum der Menschenrechte ein, ebenso für Mechanismen und Instrumente im Rahmen des Europarats und der OSZE.

Die Strategie enthält keine Angaben dazu, wie sich das Ziel der Stärkung nationaler Menschenrechtsinstitutionen oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den entsprechenden innenpolitischen Weichenstellungen in der Schweiz verhält.

Handlungsbereich 5: Die Schweiz unterstützt die Überwachung und Umsetzung der Menschenrechte auf globaler Ebene

Die Schweiz unterstützt die Stärkung von Überwachungsmechanismen des Menschenrechtsrates, der UNO-Vertragsorgane und weiterer Institutionen auf globaler und regionaler Ebene. Die Schweiz engagiert sich gegen Straflosigkeit und für die Stärkung der Organe der internationalen Strafgerichtsbarkeit.

Die Strategie erwähnt mögliche Zielkonflikte mit Friedens- und Vermittlungsbemühungen nicht und macht keine Bezüge zur schweizerischen Strafverfolgung gemäss der internationalen Strafgerichtsbarkeit.

Ziel III: Das Engagement der massgeblichen Menschenrechtsakteure stärken und sie besser einbinden

Handlungsbereich 6: Die Schweiz vertieft ihre Zusammenarbeit mit anderen Staaten

Die Schweiz arbeitet insbesondere mit den aufstrebenden Mächten zusammen und führt Menschenrechtsdialoge mit einer ausgewählten Anzahl von Ländern. Hier erwähnt die Strategie «neue Machtpole», die ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates, Staaten mit regionalem Einfluss, mit Schlüsselrollen in der internationalen Debatte und aufstrebende Volkswirtschaften; dazu kommen gleichgesinnte Länder, Länder, in denen sie Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe betreibt sowie schliesslich Länder, die eine schlechte Menschenrechtslage aufweisen und dies bestreiten, und all dies ausgewogen in verschiedenen Regionen der Welt.

Kriterien für Prioritäten erwähnt die Strategie bei der enormen Anzahl von möglichen Zielländern keine.

Handlungsbereich 7: Die Schweiz engagiert sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft

Die Schweiz unterstützt die zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort und in internationalen Foren. Dabei ist sie zum Schutz von gefährdeten Menschenrechtsverteidigern/-innen besonders aktiv.

Die Strategie äussert sich nicht zur Kooperation mit und zur Rolle der schweizerischen Menschenrechtsorganisationen.

Handlungsbereich 8: Die Schweiz fördert die Achtung der Menschenrechte durch den Privatsektor

Die Schweiz betrachtet die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als international anerkannten Rahmen und unterstützt deren Umsetzung, namentlich in Multi-Stakeholder-Initiativen und öffentlich-privaten Partnerschaften.

Die Strategie äussert sich nicht zu verbindlichen Regulierungen in diesem Bereich; sie führt nicht aus, aufgrund welcher strategischer Kriterien sie sich «bemüht (…), zur Erarbeitung praktischer und realitätsnaher Lösungen beizutragen».

Handlungsbereich 9: Die Schweiz engagiert sich für eine angemessene Berücksichtigung der Verantwortung nicht-staatlicher Akteure in bewaffneten Konflikten

Die Schweiz trägt zur Konkretisierung der Verantwortung nicht-staatlicher Akteure bei Menschenrechtsverletzungen und Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht bei; dies kann sowohl Vermittlungsbemühungen als auch Untersuchungsmechanismen betreffen.

Die Strategie führt nicht aus, wer die «angemessene» Berücksichtigung dieser Aspekte definiert.

Im abschliessenden Kapitel zur operationellen Umsetzung fällt vor allem die Absichtserklärung auf, dass künftig menschenrechtliche Belange stärker in die Überarbeitung bestehender themen-, länder- oder regionsspezifischer Strategien einfliessen sollen, wie sie auch bei Zielkonflikten in der schweizerischen Aussenpolitik stärker berücksichtigt werden sollen.

Am 8. Dezember 2016 hat das EDA zudem einen Film veröffentlicht, in welchem es nochmals betont, dass die Menschenrechte ein fester Bestandteil der Schweizer Politik sind.

Schlussbemerkung

Auf einen inhaltlichen Kommentar zur EDA-Menschenrechtsstrategie verzichten wir vorläufig, weil sich die Arbeitgruppe Aussenpolitik der NGO-Plattform Menschenrechte noch vertieft mit dem Papier beschäftigen wird.

Dokumentation