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Ein zukunftsweisender Bericht zur Behindertenpolitik

22.06.2018

Obwohl es seit 2004 ein Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) gibt, fehlt es in der Schweiz an der nötigen Sensibilität gegenüber den Anliegen von Menschen mit Behinderungen. Denn behindert ist man nicht, behindert wird man durch ein Zusammenspiel von individuellen und gesellschaftlich gesetzten Faktoren.

In der Schweiz ist es bei Weitem nicht allen Menschen mit Behinderungen möglich, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Der Bundesrat sieht diesbezüglich nun Handlungsbedarf. An seiner Sitzung vom 9. Mai 2018 hat er einen Bericht zur Stärkung der Behindertenpolitik verabschiedet. Priorität haben die Gleichstellung in der Arbeitswelt, die Förderung eines selbstbestimmten Lebens sowie die barrierefreie digitale Kommunikation. Die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen soll unter dem Lead des Nationalen Dialogs Sozialpolitik intensiviert werden. 

Politischer Druck dank Behindertenrechtskonvention und Schattenbericht

Vor vier Jahren erhielt die Schweizer Behindertenpolitik durch die Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention neuen Schwung. Betroffene und Menschenrechtskreise pochten vor diesem Hintergrund auf mutige Zielsetzungen.

2016 lieferte die Schweiz ihren ersten Staatenbericht zuhanden des UNO-Ausschusses für die Rechte von Personen mit Behinderungen. Das Fazit diverser Behindertenorganisationen war skeptisch. Der Bericht sei schönfärberisch und unvollständig, so Inclusion Handicap in einer Medienmitteilung vom 29. August 2016.

In einem eigenen Schattenbericht zum Stand der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) pochte Inclusion Handicap dann auch gemeinsam mit seinen 25 Mitgliederorganisationen auf eine konkrete Gesamtstrategie zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention.

Zweiter Anlauf: Bericht zur Behindertenpolitik 2018

2018 können die Behindertenorganisationen nun die Früchte ihres politischen Lobbyings ernten. Der neue Bericht, welcher von Nationalrat Christian Lohr (CVP) gefordert wurde und an dem Bund, Kantone, Sozialpartner und Behindertenorganisationen massgeblich mitgewirkt haben, enthält zentrale Grundsätze, auf denen eine Behindertenpolitik der Schweiz aufzubauen ist: Die autonome und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird als Oberziel festgehalten. Der Fokus soll auf die Kompetenzen der Betroffenen anstatt auf Sozialkosten gerichtet sein, und das «selbstbestimmte Leben» ist eines der prioritären Handlungsfelder. Erstmals werden damit Gleichstellungs- und Sozialpolitik vereint und Behindertenpolitik als Querschnittsthema gedacht.

Pascale Bruderer, Präsidentin von Inclusion Handicap, bezeichnet den Bericht denn auch als «Meilenstein». Der Bundesrat greife nun endlich Themen auf, für die sich Menschen mit Behinderungen schon seit Jahrzehnten engagierten.

Kommentar: Entscheidend ist die Umsetzung

Der aktuelle Bericht des Bundesrates kann durchaus als Startschuss für eine kohärente Behindertenpolitik betrachtet werden. Er schafft die institutionellen Voraussetzungen für Entwicklung und Realisierung einer umfassenden Behindertenpolitik. Entscheidend sind jedoch die nächsten Schritte, die Strategie mit einem konkreten Massnahmenplan und die politische Umsetzung.

Dazu müssen aber zwingend alle dafür notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Denn politische Massnahmen zur Inklusion aller in die Gesellschaft sind kein optionaler Luxus, sondern eine Notwendigkeit.