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Schweizerische Studien zur weiblichen Genitalverstümmelung FGM

10.06.2011

Nachstehend finden sich einige Studien zur genitalen Verstümmelung FGM, welche in der Schweiz verfasst wurden und auf die hiesigen Erfahrungen Bezug nehmen.

Verstümmelung der weiblichen Genitalien (FGM)

Die Studie der Arbeitsgruppe der Kommission für die Integration der Migrantinnen und Migranten und gegen Rassismus (KMR) - einem beratenden Organ der Kantonsregierung in Fribourg - stammt aus dem Jahr 2008. Sie beginnt mit einem Überblick zur weltweiten Lage der weiblichen Genitalverstümmelung und setzt dabei unter anderem bei soziokulturellen Argumenten für Mädchenbeschneidungen an. In weiteren Unterkapiteln zeigt sie unmittelbare sowie langfristige körperliche und psychische Folgen auf. Anschliessend werden die Situation in der Schweiz und speziell im Kanton Fribourg sowie die gegenwärtige Rechtslage aufgegriffen. Als Quintessenz dieser Ausganslage präsentieren die Verfasser/innen der Studie verschiedene Vorschläge, welche die Situation in der Schweiz konkret verbessern könnten.

Zur Frage der Strafbarkeit weiblicher Genitalverstümmelung
gemäss den Typen I und IV

Ergänzend zum Rechtsgutachten von Stefan Trechsel und Regula Schlauri gehen Marcel Niggli und Anne Berkemeier in einem weiteren Gutachten der Strafbarkeit der Beschneidungstypen I und IV nach. Die Verfasser kommen darin zum Schluss, dass diese beiden schwächeren Formen der weiblichen Genitalverstümmelung trotz der Schwere des Eingriffs nur als qualifizierte einfache Körperverletzung gelten. Aufgegriffen werden auch die Aspekte der Mittäterschaft, der Anstiftung sowie der Gehilfenschaft.

Mädchenbeschneidung in der Schweiz

In einer Umfrage  aus dem Jahr 2004 befragte das UNICEF Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern Gynäkologen/innen, Hebammen, Pädiater/innen und Sozialstellen zu medizinischen und sozialen Problemen im Zusammenhang mit der Mädchenbeschneidung in der Schweiz. Ziel der Umfrage war es, Informationen darüber zu erhalten, inwiefern Personen aus dem Schweizer Gesundheits- und Sozialsektor mit der Problematik der weiblichen Genitalverstümmelung konfrontiert werden, wie sie damit umgehen und ob Informationsbedarf zu dem Thema besteht. Die Studie bestätigt, dass viele Medizinalpersonen und auch einige Sozialstellen in ihrer Berufspraxis mit beschnittenen Frauen konfrontiert sind.

Übersicht über die Melderechte und Meldepflichten bei Genitalverstümmelungen an Unmündigen im Licht von Amts- und Berufsgeheimnis

Wenn Einzelpersonen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über konkrete Fälle von bevorstehenden oder bereits erfolgten Mädchenbeschneidungen erlangen, kann dies zu Konflikten zwischen Meldepflicht und Amts- bzw. Berufsgeheimnis führen. Der Beitrag von Michelle Cottier und Regula Schlauri geht auf die entsprechenden rechtlichen Grundlagen in der Schweiz ein, indem die Situationen und Handlungsspielräume verschiedener betroffener Berufsgruppen wie Lehrer/-innen, Sozialarbeiter/-innen, Mitarbeiter/innen von Opferhilfestellen, Medizinalpersonen und Asylbetreuer/-innen dargelegt werden.

Weibliche Genitalverstümmelung, zivilrechtlicher Kindesschutz und interkulturelle Verständigung

Der Aufsatz von Michelle Cottier thematisiert die rechtlichen Möglichkeiten zur Prävention von Mädchenbeschneidungen und nimmt konkret den zivilrechtlichen Kindesschutz (Art. 307 ff. ZGB) unter die Lupe. Dabei geht die Autorin von grundsätzlichen Überlegungen zum Umgang mit kulturellen Differenzen in der Kindesschutzpraxis und deren Folgen für die Verfahrensgestaltung aus. Auf dieser Grundlage erörtert sie Möglichkeiten der Intervention und die Voraussetzungen für das Tätigwerden von Vormundschaftsbehörden.

Weibliche Genitalverstümmelung in der Schweiz

In einem Rechtsgutachten aus dem Jahr 2004 erörtern Stefan Trechsel und Regula Schlauri vom Institut für Rechtswissenschaften in Zürich die strafrechtliche Relevanz der weiblichen Genitalverstümmelung. Dabei kommen sie zum Ergebnis, dass die weibliche Genitalverstümmelung eine grundsätzliche Menschenrechtsverletzung darstellt, nämlich des Verbots unmenschlicher Behandlung gemäss Art. 3 EMRK bzw. 7 IPbpR. Nach Schweizer Recht erfülle die Beschneidung ausserdem den Tatbestand der schweren Körperverletzung.  Abschliessend stellt Michael James Miller, Project Officer der UNICEF, verschiedene gesetzliche Ansätze aus Europa vor, welche der Praxis der Mädchenbeschneidung entgegenwirken sollen.

Female Genital Mutilation and the Swiss Health Care System

Die Dissertation von Clara Thierfelder aus dem Jahr 2003 behandelt das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung aus Sicht der betroffenen Frauen und untersucht deren Erlebnisse mit gynäkologisch-geburtshilflichen Behandlungen in der Schweiz. Dazu wurden Gruppendiskussionen und Interviews mit betroffenen Migrantinnen aus Somalia und Eritrea geführt. In ergänzenden Interviews mit Ärzten und Hebammen wurde der Frage nachgegangen, ob FGM und assoziierte Komplikationen angemessen behandelt werden. Ziel der Studie war es, Empfehlungen für das schweizerische Gesundheitssystem hervorzubringen. Als zentralen Befund bringt die Studie unter anderem hervor, dass die ärztlichen Gespräche in Bezug auf FGM häufig unzureichend seien.

Mädchenbeschneidung und Menschenrechte

Der Beitrag von Christina Hausammann anlässlich einer Tagung über Mädchenbeschneidung im Mai 2001 gibt einen Überblick über die verschiedenen Artikel der Menschenrechtsverträge, gegen welche die weibliche Genitalverstümmelung verstösst. Weiter identifiziert die Autorin drei hauptsächliche Problemkreise, welche die Durchsetzung der entsprechenden Vertragsbestimmungen lange Zeit verhinderten und nennt Stationen auf dem Weg zur Anerkennung der Gewalt an Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung. Abschliessend wird eine Einschätzung zur Umsetzung der menschenrechtlichen Schutzpflichten in der Schweiz abgegeben.

Mädchenbeschneidung - auch in der Schweiz

Der Schlussbericht der vom Schweizerischen Komitee für UNICEF organisierten Tagung über die Mädchenbeschneidung vom 21. Mai 2001 in Bern verschafft einen umfassenden Überblick über die Aktualität der Thematik. Er beginnt mit einer geschichtlichen, kulturellen, religiösen und rechtlichen Verortung der weiblichen Genitalverstümmelung und zeigt unternommene Anstrengungen zur Abschaffung der Mädchenbeschneidung auf. Anschliessend wird die Koordinationsstelle gegen traditionelle Praktiken mit schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen und Kindern (CPTAFE) und ihr Projekt in Guinea vorgestellt. Mit Blick auf die Mädchenbeschneidung in der Schweiz wird eine Untersuchung unter Schweizer Gynäkologen/innen vorgestellt sowie die Asylrelevanz der Genitalverstümmelung diskutiert. Am Ende des Dokuments können die Berichte der verschiedenen Workshops der Tagung eingesehen werden.

Genitale Verstümmelung afrikanischer Migrantinnen in der schweizerischen Gesundheitsversorgung

Die Studie von Doris Nyfeler und Dominique Béguin Stöckli aus dem Jahr 1994 eruiert die medizinischen Behandlungen beschnittener Frauen in der Schweiz und gibt einen umfassenden Überblick über die gesetzliche Regelung, Herkunftsländer der beschnittenen Frauen und Mädchen, Konsultationsgründe, familiäre Hintergründe, Schmerzen und Beschwerden sowie die Situation in Grossbritannien, Frankreich und den Niederlanden. Insgesamt schätzten die Autoren die Anzahl genitalverstümmelter Frauen und Mädchen mit Jahresaufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der Schweiz auf knapp 900.  Die Anzahl beschnittener Asylbewerberinnen im Jahre 1991 schätzten sie auf 600.