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Der CEDAW-Ausschuss fordert von der Schweiz ein planvolleres Vorgehen

22.11.2016

 

Der CEDAW-Ausschuss hat am 18. November 2016 seine Kritik und Anregungen für die Gleichstellungsbemühungen der Schweiz veröffentlicht. Er empfiehlt, die bestehenden Gleichstellungsinstitutionen zu stärken und sie damit in die Lage zu versetzen, die Gleichstellung von Frau und Mann effektiv voranzutreiben. Die Schweiz soll eine nationale Geschlechtergleichstellungsstrategie und Aktionspläne erarbeiten. Ebenfalls fordert er die Schaffung eines unabhängigen Menschenrechtsinstitution, welches den internationalen Vorgaben entspricht.

Alte Probleme und neue Empfehlungen

Der UN-Frauenrechtsausschuss hat im November zum dritten Mal seit 2003 die Bemühungen der Schweiz zur Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau überprüft. Verabschiedet hat er ein 17-seitiges Dokument, das neben Lob einige Kritik und zahlreiche Empfehlungen enthält.

Die aktuellen Empfehlungen greifen verschiedene Probleme auf, die bereits in den ersten beiden Berichtsverfahren Thema waren: Die bestehenden Diskriminierungen der Frau im Erwerbsleben (Stichwort ungleicher Lohn, ungleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, überdurchschnittlicher Anteil von Frauen in Teilzeitjobs, unbezahlte Care-Arbeit etc.), das Problem der häuslichen und sexuellen Gewalt gegen Frauen und die immer noch weitgehende Straflosigkeit der Täter, die Probleme im Zusammenhang mit dem Frauen- und Mädchenhandel oder etwa die ungleiche Beteiligung von Frauen am politischen und öffentlichen Leben.

Erneut ruft er die Schweiz sodann explizit auf, effektive Massnahmen zu ergreifen um die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen von Frauen (Migrantinnen und Flüchtlings- bzw. asylsuchende Frauen sowie Angehörige von ethnischen Minderheiten wie insbesondere muslimische Frauen und Fahrende sowie Sans papiers-Frauen) zu bekämpfen und ausländischen Frauen im Falle von häuslicher Gewalt den Aufenthaltsstatus zu garantieren.

Expliziter als in den letzten Empfehlungen 2009 wird der Schweiz sodann empfohlen, die Bemühungen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM), Kinderheirat und Zwangsheirat (sog. «harmful practices») zu verstärken.

Zum ersten Mal empfiehlt der CEDAW-Ausschuss der Schweiz, Kinder mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen vor unnötigen medizinischen und chirurgischen Eingriffen zu schützen. Die Schweiz soll gesetzlich verankern, dass keine entsprechenden Eingriffe vorgenommen werden dürfen und dass Kinder, die einen solchen Eingriff ohne Zustimmung erlitten haben, eine Wiedergutmachung erhalten.

Im Kapitel «Gesundheit» greift der Ausschuss im Weiteren die Probleme von LGBTI-Personen auf und empfiehlt unter anderem, die Praxis betreffend Zugang zu geschlechtsangleichenden Behandlungen und Operationen von Transmenschen zu überdenken und zu erleichtern.

Empfehlungen zu aussenpolitischen Themen

Erstmals hat sich der CEDAW-Ausschuss  zu Fragen der Aussenpolitik und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann geäussert, wie sie in den NGO-Berichten aufgegriffen wurden. Seine diesbezüglichen Empfehlungen beziehen sich auf die Bemühungen der Schweiz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und zum Einbezug der Geschlechterperspektive in die Konflikt- und Gewaltprävention – z.B. auch bei der Prävention gewalttätigen Extremismus oder beim Waffenhandel (inbes. Kleinwaffen).

Sodann soll die Schweiz die Auswirkungen des Finanzgeheimnisses sowie der Unternehmenssteuern auf die Rechte der Frauen ausserhalb der Schweiz untersuchen und ihre Politik dazu anpassen. Ebenfalls soll sie gewährleisten, dass bei der Aushandlung von Handels- und Investitionsabkommen die Rechte der Frau anerkannt und die Auswirkungen auf die Rechte der Frauen in den jeweiligen Ländern mitbedacht werden.

Strategische Instrumente schaffen

Grundsätzlich empfiehlt der Ausschuss der Schweiz ein planvolleres und systematischeres Vorgehen zur Umsetzung der Frauenrechtskonvention durch die Erarbeitung von nationalen Strategien und Aktionsplänen. Neben einer generellen Strategie zur Bekämpfung struktureller Hindernisse auf dem Weg zur Geschlechtergleichstellung, wie sie auch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung insbesondere in Ziel 5 vorschreibt, empfiehlt er die Verankerung von Gender Mainstreaming Strategien, welche eine effektive Überprüfung allen Verwaltungshandelns, einschliesslich der Verteilung der Mittel, und ihre Auswirkungen auf die Rechte der Frau ermöglichen.

Sodann soll ein Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, eine Neuauflage eines Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Mädchenhandels sowie eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Armut von benachteiligten und verletzlichen Gruppen von Frauen erarbeitet werden. Der Ausschuss fordert die Schweiz ausserdem auf, die Gleichstellungsinstitutionen auf Ebene Bund und Kantone zu stärken und sie mit adäquaten Mitteln und Kompetenzen auszustatten. Gestärkt sehen will der Ausschuss schliesslich das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte und dessen Kompetenzen im Bereich Gleichstellung von Frau und Mann.

Follow up der Empfehlungen

Der CEDAW-Ausschuss fordert die Schweiz auf, in zwei Jahren einen schriftlichen Zwischenbericht abzulegen zur Empfehlung, eine umfassende nationale Gender-Strategie und einen Aktionsplan zu erarbeiten, die es erlauben, die tieferliegenden, strukturellen Faktoren, welcher der Ungleichheit von Mann und Frau zugrunde liegen, zu bekämpfen. Dabei sollen Mehrfachdiskriminierung von Frauen und Mädchen thematisiert werden. Ebenfalls will er darüber informiert werden, ob ein Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt geschaffen wurde.

Weiter will er einen Zwischenbericht darüber erhalten, ob die bestehenden Gleichstellungsbüros und -kommissionen auf kantonaler und auf Bundesebene gemäss seinen Empfehlungen gestärkt und mit den nötigen Mitteln ausgestattet wurden. Und schliesslich möchte er informiert werden über die Umsetzung seiner Empfehlung, eine Studie in Auftrag zu geben, welche die Auswirkungen des gegenwärtigen Rentensystems auf geringverdienende Paare zu untersuchen hat.

Die Abgabe des nächsten, sechsten Berichts der Schweiz schliesslich hat der Ausschuss auf November 2020 festgelegt.

Ergänzende Analyse

Nachtrag: Das Schweiz. Kompetenzzentrum für Menschenrechte SKMR hat eine ergänzende Analyse zu den CEDAW-Empfehlungen vom November 2016 vorgelegt:

Dokumentation