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UNO-Ausschuss durchleuchtet Lage der Frauen in der Schweiz

20.08.2009

 

Schwache Vertretung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, weitverbreitete Geschlechterstereotypen, unfaire Steuern für verheiratete Paare, einseitig starke finanzielle Belastung von Frauen nach einer Scheidung, zu wenig Ressourcen für Frauenhäuser und problematische Integrationsforderungen im neuen Ausländerrecht für Migrantinnen – die Bereiche, in denen die Schweiz sich im Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen verbessern kann, sind zahlreich und vielfältig. Zu diesem Schluss gelangt, wer die soeben veröffentlichten Concluding Observations des UNO-Ausschuss’ gegen die Diskriminierung von Frauen (CEDAW) durchgeht.

Mehrfachdiskriminierung von zugewanderten Frauen

Der CEDAW hat Ende Juli 2009 den dritten periodischen Bericht der Schweiz überprüft. Ersten Berichten von NGOs und Medien war zu entnehmen gewesen, dass die Schweizer Delegation bei der Anhörung durch die UNO-Experten Fragen zu Lohnungleichheit, schwacher Partizipation von Frauen in der Politik und Wirtschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zu Umsetzungsproblemen durch den Föderalismus Stellung nehmen mussten.

Besonders beunruhigt war der CEDAW gemäss Infosud über die Mehrfachdiskriminierung von Migrantinnen. Diese manifestiere sich insbesondere in einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Dienstleistungen im Gesundheitsbereich und darin, dass sie besonders von häuslicher Gewalt, genitaler Verstümmelung und von Frauenhandel bzw. von Prostitution betroffen seien. Der CEDAW fordert nun die Schweiz effektiv auf, in diesem Bereich proaktive Massnahmen einzuleiten.

Die UNO habe von der Schweiz unter anderem Massnahmen zur Bekämpfung von Geschlechterstereotypen an Schulen und in der Ausbildung gefordert. Dies schrieb die NGO-Koordination Post Beijing Schweiz, welche mit einer Vierer-Delegation der 44. Session des CEDAW in New York beiwohnte. Demnach drängte der CEDAW darauf, dass die Schweiz gegen die Untervertretung von Frauen in der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und gegen Gewalt an Frauen vorgeht. Häusliche Gewalt und der mangelnde Opferschutz bei Frauenhandel seien angesprochen worden. Ausserdem hat der Ausschuss Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie etwa die Verfügbarkeit von Krippenplätzen und ein Eltern- bzw. Vaterschaftsurlaub sowie die Lohngleichheit und das Scheidungsrecht als Empfehlung an die Schweiz formuliert.

Angehört vom CEDAW wurde des weiteren eine zweiköpfige Delegation der Eidg. Kommission für Frauenfragen (EKF). Die ausserparlamentarische Kommission hatte schon im Vorfeld eine schriftliche Stellungnahme eingereicht.

Dokumentation

Die Empfehlungen des CEDAW

Seit dem 20. August sind die Empfehlungen des Ausschuss auf der Website des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte abrufbar. Zu allen oben erwähnten Themen und zu einigen weiteren hat der CEDAW sich geäussert und detailliert festgehalten, welche Massnahmen die Schweiz anstreben sollte. Die Empfehlungen sind relativ zurückhaltend formuliert, fordert der Ausschuss doch in den überwiegenden Fällen besseres Monitoring, das Sammeln von Daten, Sensibilisierungskampagnen oder das Vorantreiben bereits angelaufener Gesetzesrevisionen oder ähnlichem (etwa im Scheidungsrecht, Familienrecht, Steuergesetz, bei der Menschenrechtsinstitution).

Strenger ist der CEDAW hingegen in Bezug auf den generellen Umgang mit der Konvention durch Ämter, Parlamente und Gerichte. Die UNO-Experten kritisieren, dass die Schweiz im abgelieferten Bericht kaum Bezug nimmt auf die vor sechs Jahren gemachten Empfehlungen des Gremiums. Sie bemängeln auch, dass insbesondere die Gerichte den rechtlichen Status der Konvention nicht anerkennen. Besondere Kritik erfährt die Rechtsprechung des Bundesgerichts, weil dieses die enge Sichtweise vertrete, dass die UNO-Konvention kein Recht auf effektive Gleichstellung schaffe. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der CEDAW nun die Schweiz ausdrücklich ermuntert, sogenannte temporäre Sondermassnahmen zur Verbesserung der Vertretung der Frau in öffentlichen Ämtern zu erlassen (etwa Quoten und ähnliches).

Was der Bundesrat nun angehen sollte

Nicht akzeptiert hat der CEDAW zugleich den Hinweis des Bundes, die föderalistischen Strukturen verunmöglichten die rasche Umsetzung der Konvention. Dem hielt der Ausschuss entgegen, dass schliesslich der Bundesrat die Verantwortung übernehmen müsse zur vollständigen Umsetzung der Pflichten, welche der Schweiz aus der Unterzeichnung der Konvention erwachsen. Er spricht sich etwa für die Einrichtung von Gleichstellungsbeauftragten/-büros in allen Kantonen aus. In Bezug auf alle Institutionen, welche sich dem Fortschritt der Situation der Frauen widmen, fordert der Ausschuss von der Schweiz darüber hinaus, dass sie diesen mehr Autorität zugesteht, sie sichtbarer macht und ihnen genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Der Ausschuss erwähnt in diesem Zusammenhang mitunter, der Bund müsse nun eine alle gesellschaftlichen Bereiche berücksichtigende, integrierte Strategie für Gender Mainstreaming, inklusive ein konkretes Genderbudget, erstellen.

Weiterführende Informationen