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Dem Staat kommt keine „privatautonome Willkür" zu

03.06.2005

Die Beförderung von nicht abonnierten Zeitungen zähle nicht zu der von der Post obligatorisch zu erbringenden Grundversorgung, sondern zu den Dienstleistungen, welche die Post erbringen könne, nicht aber zwingend erbringen müsse.  Zudem sei die Post im Bereich der Wettbewerbsdienste gleich zu behandeln wie ihre private Konkurrenz. Eine spezielle Grundrechtsbindung der Post (Art. 35 Abs. 2 BV), aus welcher eine Beförderungspflicht abgeleitet werden könnte, sei zu verneinen (Regeste).

Kommentar

Der Entscheid wird in der Literatur kritisiert, da er die Bedeutung von Art. 35 Abs. 2 BV unterschätzt. Staatliche Aufgabenerfüllung, so Walter Kälin, ist alles, was dem Staat durch Verfassung und Gesetz als solche zugewiesen wird und das bleibt sie auch, wenn sie mit Mitteln des Privatrechts, wenn kein staatliches Monopol mehr besteht, erbracht wird. Grundrechtsbindung ist gerade in Bereichen, in denen der Staat die Verwaltungen reformiert ein äusserst wichtiger Grundsatz und auch völkerrechtlich verankert, soweit es um international garantierte Menschenrechte geht: der Staat kann sich seiner Pflichten nicht entledigen, indem er bestimmte Aufgaben “outsourct“; zudem ergeben sich daraus auch Fragen der Verantwortlichkeit des Staates für Private, die berechtigt sind für ihn zu handeln. 
Siehe Walter Kälin, Regina Kiener, Andreas Kley, Pierre Tschannen, Ulrich Zimmerli, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2003 und 2004, ZBjV vom Oktober 2004, 633-696, 644ff.