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Mouvement raëlien suisse vs. Schweiz: Verbot des Plakataushangs einer Sekte

14.07.2012

Urteil Mouvement raëlien suisse gegen die Schweiz vom 13. Juli 2012 (Nr. 16354/06)

Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 10 EMRK); Verbot des Plakataushangs auf öffentlichem Grund

  • Urteil
    auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (französisch)

Zusammenfassung des Bundesamtes für Justiz:

«Der Fall betrifft die Weigerung der Behörden, den Aushang von Plakaten der Sekte «Mouvement raëlien suisse» zu bewilligen, auf denen Ausserirdische sowie eine fliegende Untertasse abgebildet war, sowie der Hinweis auf die Hompage der Sekte. Begründet wurde dies damit, dass die Aktivitäten der beschwerdeführenden Gemeinschaft gegen die guten Sitten verstiessen. Mit Urteil vom 13. Januar 2011 hatte eine Kammer des Gerichtshofs festgestellt, dass vorliegend Art. 10 EMRK nicht verletzt sei. In der Folge hiess der Ausschuss der Grossen Kammer den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verweisung des Falles an die Grosse Kammer gut.

Die Grosse Kammer stellte fest, dass die fraglichen Meinungsäusserungen der Beschwerdeführerin dem Werbe- und damit wirtschaftlichen Bereich zuzuordnen seien, weil ihre Homepage versuche, Leute für ihre Sache zu gewinnen, und nicht poltische Fragen anspreche. Entsprechend grösser sei der Ermessensspielraum der Schweiz zur Einschränkung der Meinungsäusserung, wenn diese moralische oder religiöse Überzeugungen verletzen könnte. Der Gerichtshof unterstrich, dass die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle durch die Schweizer Gerichte ausser Frage stehe. Fünf Gerichte hätten den Fall überprüft, ohne sich auf das fragliche Plakat zu beschränken. Zu Recht hatten sie auch den Inhalt der Homepage einbezogen, auf die das Plakat verweist, und die Verweigerung des Plakataushangs sorgfältig begründet. In Betracht gezogen hätten sie insbesondere die Propagierung der Förderung des Klonens durch die Beschwerdeführerin, deren Eintreten für eine «Geniokratie» (Regierung von Genies über den Rest der Menschheit) sowie die Tatsache, dass deren Schriften sexuelle Übergriffe auf Kinder durch Mitglieder begünstigt hätten. Für den Gerichtshof reduzierte die Beschränkung des Verbots des Aushangs auf öffentlichem Grund den Eingriff in die Rechte des Mouvemet raëlien auf ein Minimum, konnte jenes seine Ideen doch weiterhin verbreiten, insbesondere über seine Homepage oder mittels Flugblättern. Keine Verletzung (9 gegen 8 Stimmen).»