humanrights.ch Logo Icon

Recht auf Nothilfe: Widersprüchliche Urteile 

16.11.2004

Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat die Beschwerde von fünf Asylsuchenden gutgeheissen, denen der Kanton Bern den Zugang zur Nothilfe verweigert hatte. Unter Berufung auf Artikel 12 der Bundesverfassung (Recht auf Hilfe in Notlagen) befand das Gericht mit 3 zu 2 Stimmen, dass die vom Kanton Bern praktizierte Konditionalisierung des Zugangs zur Nothilfe nicht rechtmässig sein. Der Kanton Bern hat bisher die Gewährung von Nothilfe an die Bedingung geknüpft, dass sich die betroffenen Asylsuchenden mit einem Nichteintretensentscheid in Sachen eigener Ausreise kooperativ verhalten.

Der Gerichtsentscheid bestätigt die vorgängige Einschätzung von NGO's und Verfassungsrechtlern. Für die Kantone ist er von (nicht nur finanzieller) Bedeutung. Die Berner Polizeidirektorin Andres zeigt sich laut Medienberichten «entsetzt» und drängt darauf, dass das Grundrecht auf Hilfe in Notlagen nun auf politischem Wege - durch eine entsprechende neue Bestimmung im Ausländerrecht - ausgehebelt wird. Allerdings hat Dora Andres auch Grund zur Freude: Dasselbe Gericht hat die drastische Beschränkung der Bewegungsfreiheit rund ums bernische Nothilfezentrum Jaunpass für verfassungskonform taxiert.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass das Solothurner Verwaltungsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall gerade anders entschieden hatte, indem es die Verweigerung der Nothilfe an vier «unkooperative» Asylsuchende mit einem Nichteintretensentscheid gutgeheissen hatte. Laut einem Bericht in «Der Bund» vom 19. Nov. 2004 liess der solothurnische Verwaltungsgerichtspräsident Franz Burk verlauten, «das Gericht habe die Ansicht vertreten, die Streichung der Nothilfe sei ein vertretbares Druckmittel, um ausreisepflichtige Männer zu kooperativem Verhalten zu bewegen (...). Der Entscheid, die Nothilfe einzustellen, erscheine als logische Fortsetzung der vom Bund mit der Asylrechtsänderung beabsichtigten Zielsetzung.» Unverblümter kann man es wohl kaum sagen, dass in diesem Falle das Gericht als Handlanger der Politik aufgetreten ist. Immerhin begrüsst der Solothurner Verwaltungsgerichtspräsident den Weiterzug eines Falls vor das Bundesgericht, was die Interessengemeinschaft für Asylsuschende SOS Racisme Solothurn laut dem «Bund»-Artikel tatsächlich machen wird.