Das Bundesgericht hat den Antrag auf Besuchsrecht einer nicht-leiblichen Mutter abgelehnt, weil es keine aussergewöhnlichen Umstände zur Rechtfertigung dieses Rechts gab und der Antrag nicht im Interesse des Kindes lag. Dieses Urteil zeigt die Lücken auf, die trotz der Weiterentwicklung der aktuellen Rechtslage in Bezug auf die Adoption von Kindern durch Ehepartner*in oder Partner*innen in Regenbogenfamilien in der Schweizer Gesetzgebung bestehen.
In seinem Urteil vom 26. Juni 2025 (5A_576/2024) verweigerte das Bundesgericht der sozialen Mutter in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft das Besuchsrecht. Die beiden Frauen lebten mehrere Jahre in einer Lebensgemeinschaft. Im Jahr 2015 bekamen sie durch eine Samenspende im Ausland ihr erstes Kind, wobei die Beschwerdeführerin die leibliche Mutter und ihre Partnerin die Adoptivmutter war. Ende 2015 trennte sich das Paar, lebte aber weiterhin unter einem Dach. Später bekamen sie ein zweites Kind, wobei die leibliche Mutter nun die Partnerin der Beschwerdeführerin war. Es kam zu Konflikten, die zum Auszug der Partnerin und ihrer leiblichen Tochter führten. Meinungsverschiedenheiten über das Sorgerecht veranlasste die Beschwerdeführerin dazu, ein Besuchsrecht für ihre nicht leibliche Tochter zu beantragen. Dieser Antrag wurde zunächst vom Friedensgericht und dann vom Bundesgericht abgelehnt.
Abstammung und Besuchsrecht
Das Recht auf Ausübung persönlicher Beziehungen durch das Besuchsrecht hängt insbesondere vom Bestehen einer rechtlichen Abstammungsbeziehung ab. Eine Frau kann eine solche Beziehung auf verschiedene Weise begründen. Gemäss Zivilgesetzbuch wird die Frau, die das Kind zur Welt bringt, als rechtliche Mutter anerkannt (Art. 252 Abs. 1 ZGB). Diese Beziehung kann auch aus der Ehe hervorgehen; seit 2022 sieht Art. 255a ZGB, dass die Ehefrau der Mutter als zweiter Elternteil des Kindes gilt, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einer Frau verheiratet ist und das Kind durch eine Samenspende gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (FMedG) gezeugt wurde. Diese Vermutung der Elternschaft der Ehefrau der Mutter gilt jedoch nicht, wenn das Kind durch eine private oder im Ausland erfolgte Samenspende gezeugt wurde; nur verheiratete Frauenpaare, die auf eine Samenspende aus einer Schweizer Samenbank zurückgreifen, werden von Geburt an als rechtliche Miteltern anerkannt. Seit 2018 kann die Abstammungsbeziehung auch durch die Adoption des Kindes durch den Partner oder die Partnerin des leiblichen Elternteils begründet werden.
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin ein Adoptionsverfahren eingeleitet, das jedoch nicht erfolgreich war; somit wurde keine rechtliche Abstammungsbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kind hergestellt.
Das Besuchsrecht des Wunschelternteils
Besteht keine rechtliche Abstammungsbeziehung, regelt Art. 274a ZGB das Recht Dritter auf persönliche Beziehungen. Dieser Artikel ermöglicht es, unter aussergewöhnlichen Umständen auch anderen Personen als den Eltern ein Besuchsrecht zu gewähren, sofern dies dem Wohl des Kindes dient. Ursprünglich bezog sich diese Bestimmung hauptsächlich auf Verwandte des Kindes wie Grosseltern, Onkel und Tanten, Brüder und Schwestern. Die Auslegung wurde jedoch erweitert: Das Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare verweist auf diese Bestimmung und präzisiert, dass dem/der ehemaligen eingetragenen Partner*in das Recht eingeräumt werden kann, persönliche Beziehungen zum Kind des/der anderen Partners/Partner*in zu pflegen, wenn das Zusammenleben unterbrochen oder die eingetragene Partnerschaft aufgelöst wird (Art. 27 Abs. 2 PartG).
In seinem Urteil vom 16. März 2021 (5A_755/2020) stellt das Bundesgericht fest, dass es möglich ist, das Besuchsrecht auf den nicht-leiblichen Elternteil auszuweiten und bei Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft ein Besuchsrecht für gleichgeschlechtliche Partner*innen festzulegen. In diesem Urteil kamen die Richter*innen zum Schluss, dass dieses Recht gilt, wenn das Kind das Ergebnis eines gemeinsamen Vorhabens gleichgeschlechtlicher Eltern ist. So kann einem nicht-leiblichen Elternteil ein Besuchsrecht gewährt werden, sofern er seinen Wunsch nach einem Kind bekundet, sich aktiv am Elternprojekt beteiligt und den Wunsch geäussert hat, das Kind aufzuziehen und zu erziehen.
Im vorliegenden Fall entschied das Bundesgericht, dass die beiden Frauen nach der Trennung zwar in einer Lebensgemeinschaft lebten, aber kein gemeinsames Familienprojekt hatten und die Beschwerdeführerin somit nicht als Wunschelternteil angesehen werden konnte. Darüber hinaus prüften die Bundesrichter*innen die soziale Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kind. Sie kamen zu dem Schluss, dass die bestehende Beziehung des Kindes zur Beschwerdeführerin nicht für eine enge emotionale Bindung zwischen den beiden sprach. Schließlich entschied das Bundesgericht, dass es angesichts des Konflikts zwischen den ehemaligen Partnerinnen nicht im Interesse des Kindes sei, ein Besuchsrecht für die Beschwerdeführerin vorzusehen.
Ein Schritt nach vorne mit der erleichterten Adoption
Vereinigungen wie die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und Familles Arc-en-ciel kritisieren die Entscheidung des Bundesgerichts, die dem Kind den Kontakt zu einer Bezugsperson vorenthält. Sie weisen darauf hin, dass bei Trennungen heterosexueller Eltern eine konfliktreiche Beziehung zwischen den Erwachsenen kein Grund für den Entzug des Besuchsrechts ist, während dies bei Regenbogenfamilien oft als Begründung für eine Ablehnung angeführt wird. Sie sind generell der Ansicht, dass dieses Urteil einen erheblichen Rückschlag für die Anerkennung der sozialen Elternschaft darstellt und deutlich macht, dass beide Elternteile einer Regenbogenfamilie von Geburt an rechtlich anerkannt werden müssen.
Mit seinem Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuches will der Bundesrat die Adoption des Kindes des/der Ehepartners/Ehepartnerin oder Partners/Partnerin erleichtern, das dank einer privaten Samenspende oder anderen im Ausland zugelassenen Methoden der Fortpflanzungsmedizin gezeugt wurde. Konkret schlägt er vor, auf die Voraussetzung eines einjährigen Zusammenlebens zu verzichten und die Eignungsprüfung zu beschleunigen sowie zu vereinfachen. Damit kann der Wunschelternteil so schnell wie möglich rechtlich als zweiter Elternteil des Kindes anerkannt werden, womit dem Kind und seiner Familie Rechtssicherheit garantiert wird.
Die Co-Geschäftsleiterin der LOS, Alessandra Widmer, begrüsst diesen Fortschritt, erklärt jedoch in einer Pressemitteilung, dass innerfamiliäre Adoptionen in Regenbogenfamilien nicht mehr notwendig sein sollten und dass die volle rechtliche Anerkennung beider Elternteile bereits bei der Geburt erfolgen sollte. Die Frage des Besuchsrechts betrifft nicht nur Eltern von Regenbogenfamilien, sondern auch die Eltern von Patchworkfamilien. Es bleiben generell noch viele rechtlichen Fragen zu klären, um den unterschiedlichen Situationen in den heute existierenden Familienkonstellationen Rechnung zu tragen.

