humanrights.ch Logo Icon

Wann werden Online-Plattformen auch in der Schweiz reguliert?

12.05.2025

Social-Media-Algorithmen prägen unser Leben. Die EU hat längst ein Gesetz in Kraft gesetzt, das Online-Plattformen reguliert; damit will sie Nutzer*innen und Unternehmen schützen. Und wie steht es um die Plattform-Regulierung in der Schweiz? Der Bundesrat hat im April 2025 die geplante Regulierung, an der schon seit 2021 gearbeitet wird, auf unbestimmte Zeit verschoben.

Digitale Plattformen wie Google, Facebook und Instagram (Meta), Amazon, YouTube, X (ehemals Twitter) oder TikTok prägen zunehmend das wirtschaftliche, soziale und politische Leben. Diese Akteure bieten nicht nur Dienste an, sondern schaffen auch eigene digitale Infrastrukturen, über die Kommunikation, Handel und Information laufen. Die Macht dieser Plattformen hat zu einem wachsenden Ruf nach Regulierung geführt.

Die Europäische Union benennt die Herausforderungen wie folgt:

  • Marktkonzentration: Wenige grosse Plattformen kontrollieren grosse Teile des digitalen Markts.
  • Datenmacht: Digitale Plattformen sammeln und analysieren enorme Mengen an personenbezogenen Daten.
  • Desinformation und Hassreden: Inhalte auf sozialen Medien können demokratische Prozesse gefährden.
  • Intransparente Algorithmen: Die Steuerung von Sichtbarkeit und Reichweite durch Algorithmen erfolgt oft ohne Kontrolle.
  • Schutz von Verbraucher*innen und KMU: Jugendschutz / Kleine Anbieter stehen in Abhängigkeit zu den Plattformen.

Mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung der Plattformen hat die EU bereits im November 2022 beschlossen, Online-Plattformen mittels dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) zu regulieren.

Mehr Transparenz und Sicherheit

Der Digital Service Act (DSA) zielt auf mehr Transparenz, Sicherheit und Verantwortung im digitalen Raum und ist ein einheitliches Regelwerk für die gesamte EU. Diese rechtlichen Bestimmungen schützen Nutzer*innen in ihren Grundrechten und bieten Unternehmen im gesamten EU-Binnenmarkt Rechtssicherheit.

Der Digital Markets Acts (DMA) legt eine Reihe klar definierter, objektiver Kriterien fest, um große Online-Plattformen als «Gatekeeper» (wie beispielsweise Online-Suchmaschinen, App-Stores und Messenger-Dienste) zu qualifizieren. Er stellt sicher, dass sie sich im Internet fair verhalten und Raum für Anfechtung lassen. Der DMA ist eines der Kernstücke der europäischen Digitalstrategie.

Wo steht die Schweiz?

In der Schweiz beauftragte der Bundesrat erstmals im Jahre 2021 das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), einen Bericht zur Tätigkeit von Plattformbetreibern im Bereich der öffentlichen Kommunikation und der Meinungs- und Willensbildung zu verfassen.

Im März 2023 reichten die Nationalrät*innen Jon Pult und Min Li Marti (beide SP) zwei Motionen (23.3068 und 23.3069) im Bundesparlament ein; sie forderten die Umsetzung der Ziele der EU-Gesetze zur Regulierung von Online-Plattformen, des Digital Services Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA).

Im April 2023 beauftragte der Bundesrat das Bundesamt für Kommunikation BAKOM bis März 2024 eine Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von Online-Plattformen auszuarbeiten.

«Der Bundesrat knickt ein vor Trump, Musk & Co.»

Die Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfes erfolgte jedoch nicht wie ursprünglich angekündigt im März 2024, sondern wurde auf Dezember 2024 verschoben. Allgemein wurde erwartet, die Vorlage würde Anfang 2025 veröffentlicht. Doch leider stockt der Regulierungsprozess erneut, der Bundesrat kommuniziert im April 2025 ohne weitere Begründung: «Das Geschäft wurde verschoben. Der Bundesrat hat dazu keinen Entscheid getroffen. Er wird das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt behandeln». Diverse Medien stellten in der Folge die Frage, ob der Bundesrat den amerikanischen Präsidenten bei Laune halten wolle. Denn hinter vorgehaltener Hand sei zu hören, dass der schwelende Zollstreit mit den USA der neueste Grund für die Verzögerung sei. Die Verschiebung des Geschäfts kommt bei Befürworter*innen einer Regulierung von Tech-Plattformen nicht gut an. «Der Bundesrat bricht ein Sicherheitsversprechen», äussert der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult gegenüber den Tamedia-Onlineportalen. Dass der Bundesrat nun auf sein Vorhaben verzichte, sei «skandalös». Pult spricht von «vorauseilendem Gehorsam». Die NGO AlogrithmWatch CH titelt gar: «Bundesrat knickt ein vor Trump, Musk & Co.».

Zahlreiche Kritiker*innen sind über diese Verzögerung enttäuscht. Denn es braucht dringend mehr Transparenz und Sicherheit bei den Online-Plattformen. Dabei geht es nicht zuletzt um den Schutz der Demokratie: «Wie Online-Plattformen und ihre Algorithmen funktionieren, ist heute oft willkürlich und abhängig von Geschäftsinteressen», schreibt Estelle Pannatier, Policy Managerin bei AlgorithmWatch CH. Das müsse sich ändern, fordert sie und setzt sich mit einem offenen Brief dafür ein, dass der Bundesrat Verantwortung übernimmt und unsere Demokratie schützt. «Mit seiner Verzögerung nimmt er in Kauf, dass grosse Tech-Konzerne weiterhin grösstenteils unbehelligt einen konstruktiven öffentlichen Diskurs torpedieren, um damit ihren Profit zu maximieren – auf Kosten der Gesellschaft.»

Weiterführende Informationen:

Dieser Text wurde von Barbara Heuberger verfasst. Sie ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Kinderrechte und schreibt regelmässig Texte für humanrights.ch.