humanrights.ch Logo Icon

Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte IACHR

Entstehung und Status

Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IACHR) wurde 1959 von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegründet und hielt ihre erste Session 1960 ab. Ab 1961 begann die Kommission, Länderbesuche abzustatten, um die Menschenrechtslage in einzelnen Ländern zu untersuchen. Auf der zweiten interamerikanischen Sonderkonferenz 1965 wurde das Mandat der IACHR durch eine Änderung des Status erweitert und ein individuelles Beschwerdesystem geschaffen. Im Jahre 1969 wurde schliesslich die Amerikanische Menschenrechtskonvention erlassen, die 1978 in Kraft trat. In ihr sind Aufgaben und Verfahren der Kommission und des Interamerikanischen Gerichtshofs festgehalten.

Die IACHR ist ein autonomes Organ der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und hat seinen Hauptsitz in Washington, D.C. Ihr Mandat ist in der Gründungscharta der OAS und der AMRK niedergeschrieben.

Zusammensetzung

Die IACHR hat sieben Mitglieder, die unabhängig von ihrem Herkunftsland die ganze OAS vertreten (aktuelle Zusammensetzung). Diese werden von den Regierungen der Mitgliedsstaaten gestellt und von der Generalversammlung der OAS gewählt. Dabei handelt es sich um Persönlichkeiten mit «hohem moralischem Charakter», die mit fachlichen Kompetenzen im Bereich der Menschenrechte ausgestattet sind. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre und eine einmalige Wiederwahl ist möglich.

Funktion

Die IACHR trifft sich mehrmals jährlich zu ordentlichen und ausserordentlichen Sessionen. Von 1960 bis 2009 hat die Kommission bereits 134 Sessionen abgehalten.
Die Hauptaufgabe der Kommission besteht darin, die Menschenrechte zu fördern und zu überwachen. Dies geschieht, indem sie folgende Aufgaben wahrnimmt:

  • Behandlung von Individualbeschwerden und Staatenbeschwerden
  • Beobachtung der Menschenrechtssituationen in den Mitgliedsstaaten (wenn es für nötig angesehen wird, wird ein Bericht dazu verfasst)
  • Länderbesuche, um Menschenrechtssituationen in den Mitgliedsstaaten zu analysieren (meist wird ein Bericht verfasst, der veröffentlicht und an die Generalversammlung geschickt wird)
  • Erarbeiten und Veröffentlichen von Studien zu spezifischen menschenrechtsrelevanten Themen, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu stärken
  • Organisation und Ausführung von Konferenzen, Seminaren und Meetings, um Informationen zum interamerikanischen Menschenrechtssystem zu verbreiten
  • Empfehlungen menschenrechtlicher Massnahmen an OAS-Mitgliedsstaaten
  • Aufforderung an Mitgliedsstaaten, «Vorsorgemassnahmen» zu treffen, um Folgen von Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken (die Kommission kann auch den Interamerikanischen Gerichtshof dazu auffordern, in dringenden Fällen einstweilige Massnahmen zu treffen)
  • Vortragen von Fällen beim Interamerikanischen Gericht
  • Ersuchung von Gutachten beim Interamerikanischen Gericht bezüglich Auslegung der Amerikanischen Konvention

Behandlung von Individualbeschwerden

Das Individualbeschwerdeverfahren im amerikanischen Menschenrechtssystem erfolgt in zwei Stufen. Bevor die Beschwerde an den interamerikanischen Gerichtshof gelangt, wird sie von der Kommission auf ihre Gültigkeit hin überprüft.

Zurzeit behandelt die Kommission über 800 Individualbeschwerden. Diese können von Einzelpersonen, Personengruppen oder NGO  eingereicht werden. Dabei muss eine Verletzung der AMRK oder der Amerikanischen Deklaration Gegenstand der Klage sein und beim angeklagten Staat muss es sich um ein Mitglied der OAS handeln. Bei Ländern, die der AMRK nicht beigetreten sind, beruft sich die Kommission auf die Amerikanische Deklaration.

Voraussetzungen

Der/die Kläger/in muss vorab der Kommission vnachweisen können, dass er/sie alle innerstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Situation in Ordnung zu bringen. Falls mit dem innerstaatlichen Rechtsweg keine Lösung erzielt werden konnte, muss der/die Kläger/in zeigen, dass er/sie es versucht hat. Akzeptierte Gründe für ein Nichtgelingen sind für die Kommission, wenn kein ordentliches Verfahren geführt wurde, der Zugang zu den Rechtsmitteln nicht gegeben war oder eine unangemessene Verzögerung des Prozesses vorlag.

Wurden alle innerstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, muss die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten nach dem Urteil bei der Kommission eingereicht werden. Falls der innerstaatliche Rechtsweg nicht beschritten werden konnte, darf die Klage nicht zu lange («within a a reasonable time») nach den zu behandelnden Vorkommnissen der Kommission übertragen werden. Ausserdem sind gewisse formale Vorgaben zu erfüllen.

Werden die Voraussetzungen nicht erfüllt, verfasst die Kommission einen Bericht, welcher den Sachverhalt beschreibt und die Rechtsauffassung der Kommission wiedergibt.

Untersuchungsverfahren

Wenn eine Beschwerde an die Kommission gelangt, beginnt das Untersuchungsverfahren. Der Entscheid, auf die Beschwerde einzugehen, bedeutet allerdings nicht, dass sie schliesslich auch für zulässig erklärt wird. Wird das Verfahren eröffnet, teilt die Kommission der betreffenden Regierung den Sachverhalt mit und ersucht nach relevanten Informationen. Die Kommission kann während dem Verfahren auch eigene Untersuchungen und Vor-Ort Besuche vornehmen. Meistens bietet die Kommission den beteiligten Parteien ihre Hilfe an, um eine friedliche Streitbeilegung zu erzielen.

Die Untersuchung ist beendet, wenn gemäss der Kommission genügend Informationen vorhanden sind. Die IACHR zieht daraufhin in einem nicht-öffentlichen Bericht Schlüsse und verfasst Empfehlungen an den betroffenen Staat. Der Staat hat daraufhin die Möglichkeit, die Situation in einem festgelegten Zeitrahmen zu lösen und die Empfehlungen umzusetzen. Gelingt dies dem Staat nicht, hat die Kommission zwei Möglichkeiten. Einerseits kann sie erneut einen Bericht verfassen, der meistens dem ersten stark ähnelt, oft jedoch nach abgelaufener Frist publiziert wird. Stattdessen kann die Kommission den Fall an den Interamerikanischen Gerichtshof übertragen. Der/die Beschwerdeführer/in kann den Fall nicht selbst dem Gerichtshof vorlegen. Dies kann nur durch die Kommission oder den betroffenen Staat geschehen.

Länderberichte und Vor-Ort Untersuchungen

Neben den Individualbeschwerden gehören die Länderberichte zu einer wichtigen Aufgabe der IACHR. Die Praxis wurde bereits in den fühen 1960er Jahren entwickelt. Der erste Länderbesuch fand 1961 in der Dominikanischen Republik statt. Bis 2020 hatte die Kommission bereits 102 solcher Untersuchungen durchgeführt.

Die Kommission führt mit Einverständnis des betroffenen Staates eine Vor-Ort-Untersuchung (on-site visit) durch, welche aber keine notwendige Bedingung für die Erstellung eines Länderberichts ist. In den Länderberichten legt die IACHR die Situation der Menschenrechtslage in einem OAS-Mitgliedsstaat auf eine umfassende und unabhängige Weise aus ihrer Sicht dar. Den Berichten kommt in der Praxis eine grosse Bedeutung zu.

Vorgehen

In einem ersten Schritt wird ein Berichtsentwurf über die Menschenrechtssituation in einem Land verfasst. Die Vorlage des Entwurfs gelangt dann an die Regierung des untersuchten Staates. Die Antwort und Stellungsnahme der Regierung wird später durch die Kommission analysiert. Darauf wird entschieden, ob der Bericht veröffentlicht werden soll. Die IACHR kann den Bericht zusätzlich der OAS Generalversammlung übergeben. Diese hat die Möglichkeit, eine Resolution zu erlassen, die rechtlich jedoch unverbindlich ist.