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Das Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen tritt in Kraft

12.12.2016

 

Am 2. Dez. 2016 hat die Schweiz das Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen ratifiziert. Zuvor hatte der Bundesrat am 2. November 2016 die Verordnung  zum Bundesgesetz zum UNO-Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen gutgeheissen. Die gesetzgeberischen Arbeiten für die innerstaatliche Umsetzung des Abkommens sind somit abgeschlossen.

Am 1. Januar 2017 tritt das Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen wie auch die Umsetzungsgesetzgebung in Kraft. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, jedes Verschwindenlassen zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Gegen die Verletzung der eingegangenen Verpflichtungen steht die Möglichkeit offen, sich mit Beschwerde an den Ausschuss gegen das Verschwindenlassen zu wenden. Die Schweiz hat dessen Zuständigkeit, Mitteilungen von betroffenen Personen oder ihren Angehörigen entgegenzunehmen, anerkannt. 

Vorgeschichte

Am 23. Dezember 2010 war das internationale Übereinkommen zum Schutz vor gewaltsamem Verschwindenlassen in Kraft getreten. Bereits haben 54 Staaten (Stand  12.12.2016) die Konvention der UNO aus dem Jahre 2006 ratifiziert. Seit 1980 sind gemäss Angaben der UNO vom Dezember 2010 weltweit 52'000 Personen in 90 Ländern Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen geworden. Von diesen verschwundenen Personen konnte ein Grossteil niemals aufgefunden werden und die Täter blieben unbekannt und kamen ungestraft davon. Die weltweite Verbreitung des Verschwindenlassens sowie der Umstand, dass viele Täter und Täterinnen strafrechtlich nicht verfolgt werden, sind für Menschenrechtsorganisationen schon lange ein Thema. 2006 hatte die internationale Gemeinschaft mit der Schaffung der Konvention über das Verschwindenlassen endlich beschlossen, die Notwendigkeit einer Bekämpfung dieses Menschenrechtsverbrechens anzuerkennen.

Zögerliche Anerkennung der Konvention durch die Schweiz

Die Schweiz sah die Unterzeichnung bzw. Ratifizierung des Übereinkommens zum Schutz vor dem Verschwindenlassen lange nicht als vordringlich an. Druck für die Ratifizierung erwuchs deshalb auch aus dem Parlament. 2008 hatte Brigitta Gadient (BDP, GB) eine entsprechende Motion eingereicht. Im Verlaufe der Beratungen im Parlament wurde bekannt, dass die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) Widerstand gegen gewisse vom Bundesrat ursprünglich vorgesehene Gesetzesänderungsvorschläge angekündigt hatte und sich gegen die Ratifizierung stellten, worauf der Bundesrat nochmals über die Bücher ging. Der Bundesrat seinerseits bekräftigte im Parlament ab 2009 mehrmals, dass die Ratifizierung des Abkommens ein wichtiges Ziel sei, informierte aber erst spät über den Verlauf der Gespräche mit den Kantonen. Im Dezember 2010 entschied der Bundesrat schliesslich, die Ratifizierung einzuleiten. Er war der Meinung, dass die Schweizer Rechtsordnung den Hauptanliegen des Übereinkommens in weiten Teilen gerecht werde. Für dessen innerstaatliche Umsetzung sah er lediglich in einzelnen Bereichen Gesetzesänderungen als notwendig vor. Zum einen musste ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, welcher das Verschwindenlassen als eigenständiges Delikt unter Strafe stellt. Zum anderen wurde ein Netzwerk von Koordinationsstellen (Bund und Kantone) eingerichtet, um bei einem Verdacht auf Verschwindenlassen rasch den Aufenthaltsort der betroffenen Person zu klären. Am 18. Dezember 2015 nahmen die Eidg. Räte schliesslich den Bundesbeschluss zur Genehmigung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen an.

Mehrkosten befürchtet

Die negative Haltung der KKJPD war insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Konvention ein zentrales Register für alle Personen, denen die Freiheit entzogen ist, empfiehlt. Die KKJPD - bzw. der Ausschuss der KKJPD, welcher sich mit dem Thema befasste - befürchtete, dass die Kosten eines solchen Registers zu hoch ausfallen und den Kantonen zu Last fallen könnten.

Der schliesslich vom Bundesrat verabschiedete Vorschlag zur Umsetzung des Übereinkommens nahm diese Bedenken auf. Er sieht vor, dass ein «Netzwerk» eingerichtet werden soll, so dass die Umsetzung der Erfordernisse betreffend Register- und Aktenführung ohne die aufwendige Errichtung eines zentralen Registers gewährleistet ist. Zur Errichtung dieses «Netzwerkes» ernennen sowohl der Bund als auch die Kantone je eine Koordinationsstelle. Besteht ein Verdacht auf Verschwindenlassen, so kontaktiert die Bundeskoordinationsstelle die zuständigen kantonalen Stellen, die über den Verbleib der Person Abklärungen treffen. Die KKJPD wurde für die Ausarbeitung der Umsetzung des «Netzwerks»  miteinbezogen.

Parlament stimmt der Ratifizierung zu

Im Parlament wurde die Ratifizierung des Abkommens einzig von der SVP bekämpft. Aufgrund einiger minimer Abweichungen ging der Bundesbeschluss schliesslich dennoch zwischen National- und Ständerat hin und her, bevor er am 18. Dezember 2015 von beiden Räten in der Schlussabstimmung gutgeheissen wurde. Der Bundesbeschluss stimmt in weiten Teilen mit dem Entwurf des Bundesrates überein.

Dokumentation

Weiterführende Informationen

Petition zur Ratifizierung der Konvention gegen das Verschwindenlassen übergeben

(Artikel vom 01.03.2010)

Die Organisationen TRIAL, ACAT Schweiz und andere haben am 1. März 2010 dem Bundesrat eine Petition übergeben, welche die Schweiz auffordert, die Konvention gegen das Verschwindenlassen zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Das Begehren wird von 9'000 Personen aus der Schweiz unterstützt.

Vor der Übergabe der  9'000 Unterschriften schritten Vertreter/innen von Nichtregierungsorganisationen, Politiker/innen und Freiwillige stillschweigend über den Bundesplatz, die Photos von verschwundenen Personen aus der ganzen Welt hochhaltend. Dieser symbolische Akt sollte an die «Mütter des Maiplatzes» in Argentinien erinnern, welche sich seit über 30 Jahren wöchentlich versammeln, um dafür zu kämpfen, die Wahrheit über das spurlose Verschwinden ihrer Kinder zwischen 1976 und 1983 zu erfahren.

  • Verschwindenlassen von Personen (online nicht mehr verfügbar)
    Informationen auf der Website von TRIAL

UNO-Konvention gegen das Verschwindenlassen: Ratifizierung 2010?

Artikel vom (26.11.2009)

Die Schweiz soll die UNO-Konvention gegen das Verschwindenlassen ratifizieren. Dies hat der Bundesrat nun erstmals in seinen Jahreszielen festgeschrieben. Jetzt hat das Begehren, welches von Menschenrechtskreisen schon lange im Raum steht, auch vom Parlament Unterstützung erhalten. Der Nationalrat hat am 24. November 2009 eine entsprechende Motion von Brigitta Gadient (BDP, GB) mit 131 zu 42 Stimmen überwiesen. Es bleibt zu hoffen, dass damit die Ratifizierung endlich voran kommt.

Gesetzesanpassungen allenfalls notwendig

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey steht prinzipiell hinter der Ratifizierung, wie sie gemäss Angaben der Agenturen im Nationalrat betonte. Sie sagte demnach auch, dass eine solche mit einem erheblichen gesetzgeberischen Aufwand und Bemühungen zur Prävention verbunden wäre. Konkreteres gab sie gemäss diesen Quellen dazu allerdings nicht bekannt. Allenfalls könnten die definitiven Wortprotokolle aus dem Rat darüber genauer Aufschluss geben, sie sind allerdings bis jetzt nur in einer unvollständigen, provisorischen Version verfügbar. Damit bleibt insbesondere unklar, ob die Schweiz einen neuen Straftatbestand für das Verbrechen Verschwindenlassen einführen müsste. Ein solcher besteht bisher hierzulande nicht. Vor rund einem Jahr hatte die Aussenministerin im Rat bereits einmal zum Anliegen Stellung genommen und in Aussicht gestellt, dass ihr Departement zusammen mit dem Bundesamt für Justiz Abklärungen mit den Kantonen führen wolle. Über einen Zeitplan hatte sich die Aussenministerin damals nicht geäussert.

Darüber geben die soeben veröffentlichten Jahresziele 2010 des Bundesrates näher Aufschluss. Dem umfangreichen Bericht ist zu entnehmen, dass die Regierung eine Botschaft zum internationalen Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen von Personen in der zweiten Hälfte 2010 verabschieden will. Bezüglich möglicher anstehender Gesetzesanpassungen ist der Bundesrat in seinem Bericht über die Ziele im kommenden Jahr etwas zurückhaltender. Er schreibt: «Das Übereinkommen ist generell kompatibel mit der Schweizer Rechtsordnung. Noch zu prüfen bleibt jedoch, in welchem Umfang sich punktuelle Anpassungen auf Bundes- und Kantonsebene aufdrängen.» Klar wird damit, dass die vor einem Jahr in Aussicht gestellten Abklärungen mit den Kantonen noch nicht abgeschlossen sind.

Das Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen ist das neunte grosse Menschenrechtsübereinkommen der UNO. Es regelt zum ersten Mal auf uniververseller Ebene dieses Recht, das jeder Person zusteht. Fälle von Verschwindenlassen sollen verhütet und die Straflosigkeit des Verbrechens bekämpft werden.

UNO-Konvention über das Verschwindenlassen von Personen und die Schweiz (NR 4/08)

(Artikel vom 12.01.2009)

Auf die Frage von Nationalrat Geri Müller (Grüne, AG), auf wann der Bundesrat die Unterzeichnung und Ratifizierung der UNO-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen vom 20. Dezember 2006 vorsehe und welche Schritte er plane, um dem Übereinkommen mehr Schlagkraft zu verleihen, blieb der Bundesrat in der Wintersession 2008 vage.

Er betonte einmal mehr, dass er die Unterzeichnung von internationalen Verträgen erst veranlasse, wenn sichergestellt sei, dass die Schweiz die Konvention auch ratifizieren könne. Die Direktion für Völkerrecht und das Bundesamt für Justiz hätten nun die Auswirkungen der Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen auf das schweizerische Recht geprüft und es habe sich gezeigt, dass sich insbesondere mit Blick auf das Strafrecht (braucht es eine neue Strafnorm?) oder auf die Rechte der Angehörigen von Verschwundenen Fragen stellen, die vorgängig mit den Kantonen sowie weiteren interessierten Kreisen geprüft werden müssen. Zum Zeitplan hat sich der Bundesrat nicht geäussert.

Im Februar 2009 bedauerte die Schweizer Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof in einem Brief an das EDA und das Bundesamt für Justiz, dass die Schweiz noch keine konkreten Schritten für die Ratifizierung des Abkommens unternommen habe.

Vorläufig keine Unterzeichnung der neuen UNO-Konventionen  (NR 01/07)

(Artikel vom 14.04.2007)

Anlässlich einer von der französischen Regierung organisierten Feier wurde am 6. Februar 2007 in Paris die Internationale Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen zur Unterzeichnung aufgelegt. Das Dokument war im vergangenen Dezember von der Uno-Generalversammlung per Konsens angenommen worden. Die Schweiz hat die Ausarbeitung dieser Konvention immer unterstützt. Am 6. Februar haben 57 Staaten, darunter 19 europäische, die Konvention unterzeichnet. Dies stellte Nationalrat Ueli Leuenberger (Grüne, GE) fest und stellte dem Bundesrat die Frage, ob es stimme, dass die Schweiz an der Zeremonie nicht vertreten war und weshalb sie die Konvention nicht unterzeichnet habe.

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey bezeichnete in ihrer Antwort die Konvention als begrüssenswert und wichtig. Sie bestätigte indessen, dass die Schweiz nicht an der Unterzeichnungszeremonie anwesend war.  Die Schweiz verfolge die Praxis, internationale Konventionen erst dann zu unterzeichnen, wenn sie sicher sei, dass sie sie auch ratifizieren könne. Die Prüfung der Auswirkungen auf das interne Recht und allfälliger Anpassungen seien im Gange und es sei vorgesehen, den Bundesrat in den nächsten Monaten die Frage der Unterzeichnung zu unterbreiten. Die Antwort entspricht derjenigen auf die Motion von Pascale Bruderer vom 20.12.200, welche zum Ziel hat, den Bundesrat zu beauftragen, die notwendigen Schritte zur Ratifizierung der Uno Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einzuleiten. Diese Konvention wurde an einer feierlichen Zeremonie am 30. März 2007 bereits von mehr als 80 Ländern unterzeichnet.