01.04.2014
Körperliche Züchtigungen als Strafmassnahme sind heute in den Strafgesetzen von über 30 Staaten verankert (so genanntes «judicial corporal punishment»). Darunter sind viele Länder mit islamischen Strafgesetzgebungen wie Iran, Nigeria, Saudi Arabien, Sudan oder Jemen. Hinzu kommen Staaten, welche Körperstrafen zwar nicht explizit im Gesetz aufführen, diese aber in der Praxis offenbar anwenden (so Bangladesch). Teilweise wurden entsprechende Bestimmungen auch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. wieder eingeführt, das Strafrecht also re-islamisiert.
Körperstrafen im islamischen Recht
Von den drei Deliktkategorien des islamischen Strafrechts sind zum einen die so genannten Hudud (oder Hadd) Delikte resp. deren Bestrafung problematisch. Es handelt sich um sieben explizit im Koran genannte Vergehen: Diebstahl, Unzucht, falsche Bezichtigung der Unzucht, Strassenraub, Weinkonsum, Apostasie und Rebellion (letzteres ist umstritten). Die Sanktionen sind ebenfalls in Koran und Sunna festgelegt und sehen meist körperliche Züchtigungen vor. Dies reicht von Stockschlägen über Auspeitschen bis hin zum Amputieren von Händen oder Füssen und Steinigungen.
Auch die zweite Deliktkategorie sieht Körperstrafen vor: Die so genannten Quisas, welche Handlungen gegen Leib und Leben, also z.B. Tötungen, Mord und Körperverletzungen, umfassen. Neben Geldentschädigung beinhaltet der Sanktionenkatalog die Möglichkeit körperlicher Vergeltungsmassnahmen: Diese reichen vom Zufügen derselben erlittenen Verletzung bis zu Hinrichtungen.
Die dritte Deliktkategorie, die Tahsir Straftatbestände, ist v.a. aus Gründen der Rechtssicherheit problematisch (vgl. dazu «Nicht kodifizierte Straftaten» unter Weitere Problemfelder); auch hier werden teilweise Körperstrafen verhängt.
Fallbeispiel Saudi Arabien
Dass Staaten wie der Sudan oder Saudi Arabien trotz im Gesetz verankerter Körperstrafen die Antifolterkonvention ratifiziert haben, bleibt nicht unbeachtet. So hat etwa die Schweiz im Jahr 2009 bei der «Universellen Periodischen Überprüfung (UPR)» Saudi Arabiens vor dem UNO-Menschenrechtsrat auf diesen Missstand hingewiesen und – wie zahlreiche andere Staaten – Saudi Arabien aufgefordert, die Körperstrafen abzuschaffen. Sowohl bei der Überprüfung Saudi Arabiens 2009 als auch 2013 durch den Menschenrechtsrat war der Aufruf zur Eliminierung der Körperstrafen ein zentrales Thema.
Betroffene Menschenrechte
Weiterführende Informationen
- UNO-Antifolterkonvention
Hintergrundinformationen auf humanrights.ch - Judicial corporal punishment
Wikipedia-Eintrag (Englisch, mit Übersicht nach Ländern) - Inflicting Harm: Judicial corporal punishment for drug and alcohol offences in selected countries
International Harm Reduction Association, Bericht 2011 (pdf, Englisch, 35 S.) - Auszug aus den Strafgesetzen der Islamischen Republik Iran
Hudud Strafen im iranischen Recht, Übersetzung von Dr. Silvia Tellenbach, Max-Planck-Institut Freiburg
Zu Saudi Arabien
- Draft Report of the Working Group on the UPR: Saudi Arabia
Entwurf zum UPR-Verfahren von Saudi Arabien vom 11. Februar 2009, für die Empfehlung der Schweiz vgl. Rz. 65 (pdf, Eng, 23 S.) - Saudi-Arabien bei UPR-Info
Sammlung aller Empfehlungen und Berichte im UPR-Examen durch den UNO-Menschenrechtsrat (Englisch) - Saudi Arabia: UPR Submission September 2013
Human Rights Watch, 30. September 2013 (Englisch) - Saudi Arabien
Länderinfos auf humanrights.ch