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Nationale Menschenrechtsinstitution

Federal Institute for the protection and promotion of Human Rights IFDH (Belgien)

05.10.2022

Das Nationale Institut für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte (IFDH) wurde im Mai 2019 gegründet und basiert auf dem Gesetz zur Schaffung eines föderalen Instituts für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte. Die Institution hat die Aufgabe, die Einhaltung und Umsetzung internationaler Menschenrechtsstandards durch öffentliche und private Stellen in Belgien gemäss den Pariser Prinzipien zu überwachen.

Noch wurde die belgische Menschenrechtsinstitution von der Global Alliance of National Human Rights Institutions GANHRI mit keinem Status akkreditiert (Stand 2022). Aufgrund des geplanten Ausbaus ihres Mandats, welches sich aktuell auf die nationale Ebene beschränkt, wird das Institut vom Europäischen Netzwerk der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen ENNHRI als «im Übergang» beschrieben.

Organisationsform und Rechtsgrundlagen

Das belgische Institut für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte nimmt seine Aufgaben vollumfänglich unabhängig von politischen Organen wahr. Es verfügt über einen Verwaltungsrat, einen Konzertierungsrat sowie ein Sekretariat. Die Mitglieder des Verwaltungsrats wurden im Juli 2020 ernannt und das Sekretariat hat am 1. Februar 2021 seine Arbeit aufgenommen.

Der Verwaltungsrat ist befugt, alle Entscheidungen zu treffen, die für den Betrieb des Instituts und die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Als Repräsentation der belgischen Bevölkerung besteht er aus zwölf Mitgliedern, die von der Abgeordnetenkammer – einer der beiden Kammern des Bundesparlaments – für eine Dauer von sechs Jahren ernannt werden. Die Mitglieder werden nach einem Quotensystem – mindestens ein Drittel der Mitglieder muss dem anderen Geschlecht angehören als der Mehrheit – und nach einem System der sprachlichen Gleichverteilung gewählt; sechs niederländischsprachige Mitglieder, sechs französischsprachige Mitglieder und mindestens ein Mitglied mit Deutschkenntnissen. Der Verwaltungsrat hat eine*n Vorsitzende*n und eine*n stellvertretende*n Vorsitzende*n, die jeweils einer anderen Sprachregion und nicht dem gleichen Geschlecht angehören.

Der Konzertierungsrat sorgt für die Erleichterung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen dem Institut und den verschiedenen sektoralen Menschenrechtsinstitutionen in Belgien und setzt sich aus je einem*einer Vertreter*in jeder sektoralen Organisation zusammen. Zu den sektoralen Institutionen mit einem Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte gehören etwa das Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern, der Dienst zur Bekämpfung der Armut, das föderale Zentrum für Migration Myria, sowie die international anerkannte und von der Global Alliance of National Human Rights Institutions GANHRI mit dem B Status akkreditierte föderale Stelle zur Förderung der Gleichstellung und zur Bekämpfung von Diskriminierung und Intoleranz UNIA.

Finanzierung

Das Institut wird durch belgischen Staat finanziert. Es stellt jährlich ein Budget auf, das von der Abgeordnetenkammer genehmigt werden muss. Da das Institut 2019 gegründet wurde und das Sekretariat erst im Jahr 2021 seine Arbeit aufnahm, übertrug sich der Haushalt 2020 auf den Haushalt 2021 und die Ausgaben beliefen sich auf 891'421 Euro (Jahresbericht 2021, S. 20). Um seine Aufgaben erfüllen zu können, plant das Institut einen schrittweisen Ausbau des Personalbestandes und seiner finanziellen Mittel (Stand 2022).

Mandat

Das Institut hat die Aufgabe, auf Ersuchen der Bundesregierung, des Parlaments oder einer anderen öffentlichen Behörde Stellungnahmen, Empfehlungen und Berichte zu erstellen. Es kann auch aus Eigeninitiative tätig werden. Zur Entgegennahme von Individualbeschwerden durch Einzelpersonen ist es hingegen nicht befugt. Das Institut soll die Harmonisierung der belgischen Gesetze und Verordnungen mit den Mechanismen des internationalen Menschenrechtsschutzes fördern sowie der Ratifizierung neuer Verträge zum Schutz der Menschenrechte beitragen. Es überwacht die belgischen Behörden bei der Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen und arbeitet mit den hierfür zuständigen Akteur*innen der föderalen Teilstaaten sowie zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisationen zusammen. Das Institut arbeitet zudem mit den Vereinten Nationen zusammen, indem es den zuständigen UNO-Organen einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Belgien zur Verfügung stellt. Schliesslich fördert es die Menschenrechte mittels Kommunikation und Bildung.

Das Mandat des belgischen Menschenrechtsinstituts umfasst alle Grundrechtsfragen, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Ausgenommen sind jene Bereiche, die von den sektoralen Organisationen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte behandelt werden. Das Institut hat somit eine sogenannte «Residualkompetenz»: Es darf nur in Bereichen tätig werden, welche von nationaler – und nicht rein regionaler oder kommunaler – Bedeutung sind und für welche keine andere unabhängige sektorale Einrichtung zuständig ist.

Dass dem Institut zugrundeliegende Gesetz lässt jedoch Raum für eine künftige «Interföderalisierung» (Strategischer Plan, S. 9). Die Verteilung der Kompetenzen in der belgischen Staatsstruktur verhindert einen kohärenten und systematischen Ansatz für die Menschenrechte. Zudem ist es mit dem aktuellen Mandat schwierig, den A-Status als nationale Menschenrechtsinstitution zu erhalten. Um den Pariser Prinzipien zu entsprechen, muss eine solche Institution in der Lage sein, die Einhaltung und Umsetzung der Rechte und Freiheiten in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu überwachen – unabhängig davon, ob diese in die Zuständigkeit des Bundes, der Regionen oder der Gemeinden fallen. Das Institut vertritt daher die Ansicht, dass es als Organisation wachsen und sein Mandat, Fachwissen, die erforderlichen Kapazitäten sowie seine Bekanntheit weiter ausbauen muss (Strategischer Plan, S. 9).

Die belgische Menschenrechtsliga LDH äussert Zweifel darüber, welche Tragweite die Schaffung des nationalen Menschenrechtsinstituts mit dem bestehenden Mandat in Belgien effektiv haben kann. Sie kritisiert insbesondere, dass die Verantwortlichkeiten aller Landeseinheiten bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen Belgiens durch das Institut nicht geklärt werden können – für regionale und kommunale Fragen fehlt es ihm an der notwendigen Zuständigkeit. Sie kritisiert auch, dass Einzelpersonen per Gesetz nicht die Möglichkeit haben, sich mit einer Individualbeschwerde direkt an das Institut zu wenden. Es sei daher eher als Beratungsorgan mit eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten konzipiert. Die belgische Menschenrechtsliga begrüsst die Einrichtung der IFDH aber dahingehen, als sie notwendig sei, um «die Lücken und Grenzen der derzeitigen institutionellen Architektur im Bereich des Grundrechtsschutzes zu schliessen». Insbesondere, da in bestimmten Themenbereichen, wie etwa der Religionsfreiheit, der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte oder dem Schutz von Sprachminderheiten, kein sektorale Interessensvertretung existiert. Die GANHRI hat Belgien bereits im Jahr 2018 empfohlen, eine nationale Menschenrechtsinstitution mit einem gesetzlichen Mandat zur Förderung und zum Schutz aller Menschenrechte zu schaffen (Bericht, S. 9).

Arbeitsschwerpunkte

Das Institut hat verschiedene Forschungsschwerpunkte, welche laufend erweitert werden. Zu Beginn seiner Arbeit beschäftigt sich das Institut neben der allgemeinen Menschenrechtssituation in Belgien auch mit der Wahrnehmung der Menschenrechte in der Bevölkerung sowie der Frage, in welchem Ausmass Menschenrechtsverteidiger*innen und Menschenrechtsorganisationen in Belgien zusehends unter Druck geraten.

Weiterführende Informationen